piwik no script img

Zurück auf LosHofnarren und Feigenblätter

Eine Linke ohne Querulanten, Erkenntnisse aus dem TV-Duell und die Bundestagswahl als Imbissbude für US-amerikanische Rechtsextreme – Mahlzeit!

Scholz spricht „Klartext“ Foto: Michael Kappeler/dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: US-Rechtsextreme empfehlen deutsche Rechtsextreme zur Wahl.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Dönitz und Göring dachten am Ende in die gleiche Richtung.

taz: Olaf Scholz wird vorgeworfen, dass er den Schwarzen CDU-Kultursenator Chialo ein „Feigenblatt“ genannt habe. Ist er etwa ein Rassist?

Küppersbusch: Der Umtrunk bei Laschet und die Geburtstagssause bei einem FDP-Veteranen wären bis zu diesem fiebrigen Wahlkampf eher vertraulich geblieben. Deshalb wurde da wohl auch nach altem Brauch Fraktur geredet. Nun ist also raus, dass Scholz Frust abgelassen hat. Natürlich wäre es taktvoller gewesen, die vielen Hofnarren und Feigenblätter in der CDU hätten Eier und würden sich selbst mit ihrer Lage kritisch auseinandersetzen.

taz: Merz, Scholz, Weidel, Habeck, Wagenknecht, van Aken – die Spitzenkandidaten debattieren dieser Tage in zahlreichen TV-Shows. Was ist Ihr Erkenntnisgewinn?

Küppersbusch: Briefwahl. Allein das erste Duell gab mir die Gewissheit, keine neuen Argumente mehr zu hören. Friedrich Merz wird von der behütenden Werkstatt Adenauerhaus sehr zurückhaltend eingesetzt, doch auch die Option, dass er bei seinen selteneren Auftritten noch mal einen rhetorischen Selbstmordanschlag verübt, ging fehl. Die Masse an ähnlichen TV-Shows belohnt eher den Eklat, das Unerhörte, die Tabuverletzung und begünstigt damit Krakeel und Rotzsprech. Immerhin, wo deutsche PolitikerInnen reden, muss der Russe schweigen und kann nicht den Wahlkampf beeinflussen. (Pause, glucksender Lacher bei J. D. Vance)

taz: Die Linke hat das BSW in vielen Umfragen überholt. Leben Totgesagte länger?

Küppersbusch: Wagenknechts Programm bietet einen Mix aus Zutaten, die jeweils einzeln auch in jeder anderen Imbissbude zu haben sind. Nur dass Pizza mit Vanillesauce einen eher rustikal zu nennenden Gaumen anspricht. Bleibt die Person Wagenknecht mit dem unterschätzten Effekt, dass die Linke nicht nur um sie ärmer, sondern auch attraktiver wurde. „Linke – jetzt neu ohne Querulanten.“ Mit dem Schwerpunkt auf Wohnungsnot, soziale Gerechtigkeit und ein bisschen Outlaw­aroma profitiert die Linke sogar von der Migrationshysterie aller anderen Parteien: Das spricht auch linke Sozis und Grüne an. Hinzu kommen erfrischende, unverbrauchte Protagonisten wie Reichinnek und, in seiner Weise, van Aken. Man weiß gar nicht, wer alles aus der SPD austreten müsste, damit sie so einen Neustart hinlegte.

taz: Trump und Putin haben entschieden, über die Ukraine zu verhandeln. Darf die auch mal mitreden?

Küppersbusch: Trump droht Se­lenskyj mit Neuwahlen, fordert ihm die Bodenschätze der Ukraine unterm Hintern weg und lässt US-Investoren auf Nord Stream 2 bieten. Die Ukraine hat null Spielraum, ist erpressbar. Nicht zuletzt, weil die Europäer – vorneweg die Siegfriedenfraktion in Deutschland – jeden anderen Verhandlungsversuch torpediert haben. Wir haben keinen Plan B für die Ukraine entwickelt. Europa sieht sich schlagartig gefordert, massiv gegen Russland aufzurüsten – und zugleich seine wirtschaftliche Stärke zu verlieren. Die moralisch sehr verwerflichen Geschäfte mit Russland macht nämlich jetzt Trump. Die Perspektive wäre, die Ukraine in die EU zu holen und darüber ausnahmsweise mal mit Russland zu reden. Eine Brückenstaatfunktion zwischen beiden Blöcken – nun ja; das, was mit vereinten Kräften 2014 auf dem Maidan zerschossen wurde. Gehen Sie zurück auf Los.

taz: In Österreich sind die Koali­tionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP geplatzt. Wird jetzt alles gut?

Küppersbusch: Nach der Implosion von Kanzler Kurz hatte Österreich eine Expertenregierung, früher mal eine Minderheitsregierung, zurzeit eine Übergangsregierung, und mit Glück finden ÖVP, SPÖ und Neos im zweiten Anlauf doch noch zu einer Koalition. Damit wird alles gut – für die rechtsextreme FPÖ, die Chaos, Unordnung, Unsicherheit und Altparteiengeschacher geißelt. Die gute Botschaft: Sie sind uns in dem Prozess 20 Jahre voraus. Die schlechte: Unterwegs ist ihnen auch nichts Wirksames eingefallen.

taz: Der DAX hat erstmals die Marke von 22.000 Punkten übersprungen. Wie haben Sie gefeiert?

Küppersbusch: Kein Geld für Aktien zu haben versetzt einen in den bekömmlichen Zustand, am Elend anderer nichts zu verdienen. Kann ich empfehlen.

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Fünferkette! Ich hab zwar keine Ahnung, aber damit haben sie jetzt viermal hintereinander nicht verloren und sind vom Abstiegsplatz weg. Nennt mich den weisen Seher.

Fragen: Leon Holly

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und jetzt Teflonwähler: Alles prallt ab.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 》Nicht zuletzt, weildie Europäer– vorneweg die Siegfriedenfraktion in Deutschland – jeden anderen Verhandlungsversuch torpediert haben. Wir haben keinen Plan B für die Ukraine entwickelt《

    Den Plan B gab's schon mal, er hieß "Wandel durch Annäherung"



    .



    www.deutschlandfun...naeherung-104.html



    .



    Daraus wurde "Wandel durch Handel" (aus kapitalistischer Sicht: Glasperlen tauschen).



    .



    Diese im Ansatz kluge europäische Friedenspolitik wurde geschrottet - es würde sicher eine Untersuchung lohnen, wieviel Freiheitsrechte in Russland verloren gegangen sind, seit die Nato Verhandlungen über eine gemeinsame europäische Friedensordnung, Nato-Osterweiterung und Neutralität der Ukraine brüsk zurückgewiesen hat, seit dem Einmarsch in die Ukraine (etwa die Möglichkeiten kritischer NGOs in Russland).



    .



    Das Sicherheitsbündnis Nato hat den russischen Angriff entweder nicht kommen gesehen - oder ihn in Kauf genommen: beides wäre ein sowohl militärisches als auch politisches Versagen.



    .



    》Die moralisch sehr verwerflichen Geschäfte mit Russland macht nämlich jetzt Trump《 (dessen Wiederwahl immer eine Möglichkeit war - auf die hier aber offenbar auch niewand vorbereitet war)

  • "Nicht zuletzt, weil die Europäer – vorneweg die Siegfriedenfraktion in Deutschland – jeden anderen Verhandlungsversuch torpediert haben"



    Nix mit bekommen, Herr Küppersbusch ?

    • @NormalNull:

      Hola? Laß uns teihaben.



      Oder wie Ol Conny gern rheinländisch schlitzohrig entgegnete “Junger Mann -



      Da wissen mehr - wie ich!“ 🫥

      unterm—- btw 🙀🥳🧐 ——



      Daß unser aller Trallafitti/Mäuschen Annalena - dezidiert keinen Raum für Verhandlungen sah & damit weiß Gott nicht allein stand - dürfte auch bis zu ehna durchgedrungen sein! Wollnich?!

  • “Man weiß gar nicht, wer alles aus der SPD austreten müsste, damit sie so einen Neustart hinlegte.“

    Korrekt - so gibts zwischen die Hörener.



    Danke.