Zunehmende Gewalt in Partnerschaften: Nach der Tat ist es zu spät
Klar braucht es mehr Frauenhäuser und Antigewalttrainings. Vor allem braucht es ein gesellschaftliches Umdenken über die Bedeutung von Männlichkeit.
A lle paar Monate mehr oder weniger dieselbe Meldung: Fälle häuslicher Gewalt nehmen zu. Diesmal um 9,4 Prozent. Eine Zeit lang war die Pandemie schuld. Die ist vorbei, doch die Gewalt nicht. Im Bereich der Vergewaltigung, sexueller Nötigung und bei sexuellen Übergriffen sind die Fallzahlen im vergangenen Jahr den Angaben zufolge sogar um 20 Prozent gestiegen.
Natürlich wird mit jeder Erhebung irgendwas gefordert, mehr Geld, mehr Plätze in Frauenhäusern, Beratungsstellen, Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Es gibt das Hilfetelefon: (erreichbar unter 116016). Es ist nicht so, dass nichts davon umgesetzt würde. Nur ändern tut sich nichts. Die Täter: fast ausschließlich Männer. Partner oder Ex-Partner. Die Opfer: fast immer Frauen.
Was wäre los im Land, wenn jeden verdammten Tag 432 Männer von ihren Partner:innen gedemütigt und verprügelt würden? Natürlich ist die Frage obsolet. Es passiert Frauen und nicht Männern, weil Männer nicht nur physisch, sondern strukturell mehr Macht haben. Nicht nur finanziell, weil sie immer noch zu oft Haupt- oder Alleinverdiener in der Beziehung sind. Nicht nur, weil das Recht des Vaters auf seine Kinder vorm Familiengericht oft schwerer wiegt als Gewaltschutz für Mutter und Kind.
Sondern am Ende auch, weil die Idee vom „starken Mann“ noch immer in den Köpfen ist. Auch wenn die jüngste Befragung zum Rollenverständnis junger Männer lückenhaft war – das Problem besteht: Solange die Gesellschaft von Männern Dominanz, Stärke, Durchsetzungskraft erwartet, wird es Männer geben, die sie mit Gewalt einfordern – von Frauen.
Deshalb hilft es wenig, wenn Nancy Faeser sagt, „keine Frau dürfe sich schämen, Gewalttäter anzuzeigen“. Die Frage ist, ob Scham der Grund ist, wenn Frauen Torturen ertragen. Niemand, der nicht selbst häusliche Gewalt erlebt hat, kann die Angst und auch innere Abhängigkeit nachvollziehen.
Deshalb braucht es natürlich mehr Frauenhäuser, finanzielle Unterstützung für Alleinerziehende und Antigewalttrainings für Männer. Doch vor alldem braucht es ein gesellschaftliches Umdenken über die Bedeutung von Männlichkeit. Das muss schon in den Kitas und Schulen beginnen. Wenn Männer erst zu Tätern geworden sind, ist es zu spät.
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