Zunehmende Gewalt im Westjordanland: Brandgefährliche Siedler
Die Berichte von Gewalt im Westjordanland häufen sich. Die militärische Rolle der teils radikalideologischen Siedler*innen ist bedrohlich.
A mnesty International (ai) fordert vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), die Tötungen und Verletzungen von Palästinenser*innen im Westjordanland in den letzten vier Monaten als mögliche Kriegsverbrechen zu untersuchen.
Das Militär habe „in den letzten vier Monaten eine brutale Welle der Gewalt gegen Palästinenser im besetzten Westjordanland entfesselt“ und Verletzten medizinische Hilfe verweigert.
Die Chancen, dass der IStGH Israel tatsächlich in dieser Sache verurteilen würde, sind dünn. Dafür wäre eine lückenlose Beweisführung nötig, die herzustellen schwierig werden dürfte. Insofern sind die Forderungen von ai wohl eher als Rhetorik zu verstehen.
Doch sie bieten die Möglichkeit, Licht auf eine fatale Struktur innerhalb des israelischen Militärs zu werfen: die Einberufung von zahlreichen Siedler*innen, die im Westjordanland aktiv sind.
5.500 Siedler sind in den Dienst berufen worden
Laut Militär ist diese Mobilisierung notwendig, da große Teile der normalerweise dort stationierten Kräfte nach dem 7. Oktober in den Gazastreifen und in den Norden Israels verlegt wurden. Seitdem spielen die sogenannten regionalen Verteidigungsbataillone eine viel stärkere Rolle. Sie bestehen hauptsächlich aus lokalen Reservesoldat*innen – in diesem Fall Siedler*innen.
5.500 Siedler sind seit dem 7. Oktober in den Dienst vor Ort berufen worden. In Uniform und bewaffnet sind sie in ihren Siedlungen und in anliegenden palästinensischen Dörfern unterwegs – unter ihnen auch radikalideologische Siedler*innen und solche, die bereits wegen Gewalttaten gegenüber Palästinenser*innen vor Gericht gestanden haben – mindestens einer von ihnen hat seine Taten in einer Verständigung zugegeben.
Seitdem häufen sich Berichte von Palästinenser*innen und jüdischen Aktivist*innen, dass Siedler*innen in Uniform sie angegriffen und bedroht hätten. Dass die Siedler nun nicht nur in der Mitte der Regierung angekommen sind, sondern seit dem 7. Oktober auch eine große militärische Rolle im Westjordanland spielen, ist eine brandgefährliche Entwicklung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative