Zukunft des Verbrennungsmotors: Leiser Abschied vom 2030-Ziel
Eigentlich wollen die Grünen ab 2030 nur noch abgasfreie Neuwagen zulassen. Doch die Spitzenkandidaten machen das lieber nicht zur Koalitionsbedingung.
Einstieg in den Ausstieg – das ist eine verhältnismäßig weiche Formulierung. Am Wochenende hatte die Debatte über die Zukunft des Verbrennungsmotors im Wahlkampf Fahrt aufgenommen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte der Funke Mediengruppe gesagt, ein Verbot des Verbrennungsmotors lege „die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands“. Der Motor sei in Koalitionsgesprächen für die CSU nicht verhandelbar. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den Verbrenner als Brückentechnologie, die es noch Jahrzehnte brauche.
Die Grünen-Spitze baut dazu nun eine rhetorisch scharfe Gegenposition auf. Gleichzeitig vermeidet sie es aber, rote Linien für eine mögliche Koalition zu definieren. So will sie flexibel für Verhandlungen zu bleiben. Nach aktuellen Umfragen ist ein Bündnis mit der Union die einzige Machtoption der Grünen.
Die Aufstellung sei nun klar, betonte Özdemir. Die Grünen seien die einzige Partei, die Städte und Luft sauber bekommen, die Klimaschutzziele einhalten und die Arbeitsplätze in der Autoindustrie erhalten wolle. „Die Voraussetzung, dass 2030 möglich ist, die müssen in der nächsten Legislaturperiode eingeleitet werden.“
Kampf mit Vorgeschichte
Der Kampf um das 2030-Ziel hat bei den Grünen eine längere Vorgeschichte. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält es für einen „Schwachsinnstermin“, weil das Ende des Verbrenners nicht punktgenau vorhersagbar sei. Grüne Klimaschutzexperten sind der Ansicht, dass die Autoindustrie nur mit harten politischen Ansagen in Bewegung gesetzt werden könne. Das 2030-Ziel steht im offiziellen Wahlprogramm der Grünen.
Dennoch hätten Özdemir und Katrin Göring-Eckardt in der heißen Wahlkampfphase am liebsten auf die umstrittene Zahl verzichtet. Ein 10-Punkte-Plan, der maßgeblich aus ihrer Feder stammte, erwähnte das 2030-Ziel im Mai nicht. Auf dem Grünen-Parteitag im Juni erlitten sie eine Schlappe. Die Delegierten stimmten das Ziel in den 10-Punkte-Plan hinein, gegen Özdemirs und Göring-Eckards Willen.
Im Umfeld der Spitzenkandidaten hieß es am Montag, Özdemirs Ansage sei sehr wohl hart. Schließlich fordere Seehofer, den Verbrennungsmotor nicht anzutasten – dies hätten die Grünen aber vor. Außerdem wurde auf eine Formulierung in dem 10-Punkte-Plan verwiesen. Darin heißt es: Wer mit den Grünen koalieren wolle, der müsse bei diesen Vorhaben „entschieden“ mit ihnen vorangehen. Diese Wörter öffnen in der Tat Spielräume. Was „entschieden“ ist und was nicht, ist schließlich Interpretationssache.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen