Zu viel Methan in der Atmosphäre: Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
In der Atmosphäre steigt die Konzentration von Methan massiv an – warum, das scheint nun geklärt. Die Folgen sind gravierend.
Doch statt zu sinken, steigen die Emissionen massiv: Im Jahr 2021 kam mit 18 ppb (parts per billion, Methanteile pro Milliarde Teile Atmosphäre) so viel wie nie hinzu, erstmals stieg die Konzentration über 1.900 ppb – fast dreimal so viel wie vor Beginn der Industrialisierung. Die WMO erklärte zu dem Anstieg, man stehe vor einem Rätsel.
Das könnte nun gelöst sein: US-amerikanische Wissenschaftler haben den „Fingerabdruck“ verschiedener Methan-Isotope in der Atmosphäre untersucht. Dieser verrät den Ursprung: Methan, das Mooren entweicht, hat einen anderen chemischen Fingerabdruck als Methan, das bei der Verbrennung von Biomasse entsteht, beispielsweise in Biogasanlagen. Während die Konzentration jener Isotope, die aus der Verbrennung stammen, nicht sonderlich zulegte, stieg das Methan aus mikrobiellen Quellen sehr stark an, wie die Wissenschaftler im renommierten Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences schreiben.
Tropische und subtropische Biotope gehören zu den größten natürlichen Methanquellen weltweit. Wenn es wärmer wird, sind die dort lebenden Mikroorganismen produktiver. Sie erzeugen mehr Methan. In Deutschland hat Methan am Gesamtausstoß einen Anteil von 6 Prozent, wobei der Agrarsektor wesentlichste Quelle ist: Mikrobielles Methan entsteht hier in den Mägen von Wiederkäuern oder wenn Bakterien Abfall zersetzen. Auch wenn zu viel Dünger in Gewässer eingeleitet wird, steigt das Bakterienwachstum – und somit die Methanproduktion.
Nicht der erste Hinweis
Die jetzt vorgelegte Studie ist nicht die erste mit diesem Befund: Ein chinesisch-amerikanisches Forscherteam hatte im vergangenen Jahr eine Studie mit ähnlichem Ergebnis vorgelegt: Die globale Erwärmung regt Stoffwechsel und Vermehrung von Mikroorganismen an, es entsteht mehr Methan. Den Messwerten zufolge ist offensichtlich ein Punkt erreicht, an dem die Erderwärmung sich selbst anheizt.
Neben den Feuchtgebieten ist auch der Permafrost eine potenziell große Methan-Quelle. Weite Teile Sibiriens, Nordeuropas, -kanada und Alaskas sind dauergefrorene Erde. Allerdings führt die Klimaerhitzung dazu, dass sich die Grenze immer weiter nach Norden zurückzieht, stellenweise bereits um mehr als einhundert Kilometer. Der tauende Boden gibt Pflanzenreste frei, die von Mikroorganismen zersetzt werden – unter anderem zu Methan. Anfang 2022 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass der Permafrost in Skandinavien bereits in den 2040er Jahren verschwindet. Das Forscherteam der aktuellen Studie rät deshalb, die Auswirkungen besser zu erforschen.
Die neuen Erkenntnisse entlasten die Menschheit im Kampf gegen Methan allerdings nicht, wie etwa Kontrollen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigen: Der Verband hatte Messungen an fünf Biogasanlagen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durchgeführt sowie an einer Gasverdichterstation und einem schwimmenden LNG-Importterminal in Schleswig-Holstein.
„Unsere Messungen zeigen, dass täglich signifikante Mengen Methan unkontrolliert entweichen“, erklärte Jürgen Resch, der DUH-Geschäftsführer. Das habe verheerende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und für das Klima. Grund für die Lecks sei unzureichende Wartung und unregelmäßige Kontrollen.
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