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Wohnungsmangel in der GroßstadtIn Hamburg gilt Villenschutz

Hamburg hat ein scharfes Wohnraumschutzgesetz – theoretisch. Doch mit der Anwendung tun sich die Bezirke oft schwer. Die Folge: jahrelanger Leerstand.

Steht seit 2018 leer: Villa im vornehmen Harvestehude Foto: Marie Dürr

Hamburg taz | Viel Stuck und große Rundbogenfenster zieren die Fassade der Villa in der Johnsallee 3 im Hamburger Stadtteil Harveste­hude. In einer Wohnlage, von der viele Ham­bur­ge­r:in­nen nur träumen können, keine 500 Meter von der Außenalster entfernt, ist das Gebäude zwar von außen schön anzuschauen, im Innern herrscht dagegen seit Jahren Leere.

Trotz Wohnungsnot in Hamburg, steht die Luxusvilla mit einer Wohnfläche von 500 Quadratmetern seit 2018 leer, wie die Fraktion Die Linke im Bezirk Eimsbüttel mitteilt. Die Linke-Bezirksabgeordneten Mikey Kleinert und Marvin Brinkmann wandten sich deshalb mit einer kleinen Anfrage an das Bezirksamt. Sie wollten wissen, was die Behörde gegen den Leerstand unternommen hat.

Laut dem Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz ist es eine verbotene Zweckentfremdung, wenn ein Gebäude mindestens vier Monate leer steht. Der Bezirk kann den Ei­gen­tü­me­r:in­nen dann ein Wohnungsnutzungsgebot zustellen, also anordnen, dass das Gebäude wieder Wohnzwecken zugeführt wird. Wenn die Ei­gen­tü­me­r:in­nen nicht reagieren, kann die Verwaltung ein Zwangsgeld verhängen.

Zuletzt kommt sogar die Einsetzung eines Treuhänders in Betracht, der das Gebäude an Stelle der Ei­gen­tü­me­r:in beispielsweise vermietet. Im Fall der Johns­allee 3 hat das Amt zwar die Adresse bei der deutschen Botschaft in Georgien ermittelt, aber dann keine Zustellung eines Wohnungsnutzungsgebots versucht.

Zu groß für Otto-Normalverbraucher:in

Auf die Frage der Linken, welche Maßnahmen aktuell unternommen werden, um die Villa wieder zugänglich zu machen antwortet das Bezirksamt: „Es werden keine Maßnahmen ergriffen.“ Begründung: „Bei der Liegenschaft handelt es sich um eine ungeteilte Villa mit einer Wohnfläche von ca. 500 qm.“ Bei dieser Größenordnung sei der „Normzweck des Zweckentfremdungsverbots“ im Wohnraumschutzgesetz „nicht mehr tangiert“.

Dieses solle den Bestand an Wohnraum breiter Bevölkerungsschichten zu angemessenen Bedingungen sichern. Es sei davon auszugehen, dass es für Wohnraum bei einer Größe von 500 qm „keine nennenswerte Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt gibt, womit der Wohnraum nicht mehr schützenswert ist“.

Die Teilung des Wohnraums in kleinere Wohneinheiten würde laut Kay Becker, Pressesprecher des Bezirksamts, einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie aus Artikel 14 Grundgesetz darstellen und sei demnach ebenfalls keine Option.

Für den Linken Marvin Brinkmann eine absurde Begründung: „Der Luxus einer großen Wohnfläche schützt hier vor Verfolgung, während die breite Bevölkerung auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen ist“, entgegnet er.

Rolf Bosse, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, vermutet, es fehle dem Bezirksamt an Interesse oder Fantasie, Nutzungskonzepte zu entwickeln. Bosse hält die Vermietung einzelner Zimmer im Falle der treuhänderischen Verwaltung durchaus für zumutbar. Damit könnte die Villa auch für den allgemeinen Wohnungsmarkt nutzbar werden. Bosse sagt: „Es gibt eben eine ängstliche und eine mutige Herangehensweise und der Bezirk hat die ängstliche gewählt.“

Der Bezirk hat die ängstliche Herangehensweise gewählt

Rolf Bosse, Mieterverein

Das Bezirksamt sagt dazu: „Ob die Eigentümer das Gebäude als Ganzes vermieten oder einzelne Räume separat, ist der zivilrechtlichen Privatautonomie der Eigentümer unterworfen. Die Verwaltung hat insoweit kein Eingriffsrecht.“

Das scheint jedoch zumindest fraglich, denn die Vermietung unter treuhänderischer Verwaltung wäre ja nur die Ultima Ratio: Die Ei­gen­tü­me­r:in­nen hätten vor diesem Schritt zahlreiche Möglichkeiten, selbst tätig zu werden, womit ihre Interessen durchaus Berücksichtigung fänden. „Eigentum verpflichtet eben auch“, sagt Mietrechtler Bosse. Er fasst zusammen: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“

Die Johnsallee 3 ist nach der Grindelallee 80 bereits der zweite prominente Fall von Leerstand, dem der Bezirk Eimsbüttel machtlos zusieht. Und in anderen Hamburger Bezirken sieht es ähnlich aus: Unter dem Slogan „Leerstand zu Wohnraum!“ haben Ak­ti­vis­t:in­nen am vergangenen Freitag in einem leerstehenden Stadthaus am begehrten Wohlers Park in Altona-Altstadt ein Banner entrollt, das zu einer Demo gegen den mittlerweile wieder abgesagten Wohnungsgipfel der Bundesregierung am 5. Dezember (17 Uhr, Gänsemarkt) aufruft.

„Es ist inakzeptabel, dass hier Gebäude leer stehen, während Menschen auf dem Wohnungsmarkt verzweifelt nach bezahlbaren Alternativen suchen oder sogar auf der Straße leben müssen“, so Maria, eine Sprecherin der Aktivist:innen.

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12 Kommentare

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  • Kanzleramtminster Schmidt (SPD) will sich für Hamburg-Eimsbüttel in den Bundestag wählen lassen. Vielleicht fragt die taz ja einmal Schmidt, wie er dem ignoranten und faulen Bezirksamt Beine machen will.



    Und warum findet sich niemand in der Hamburger Arbeiterpartei SPD, die das Bezirksamt wegen Nichtstun verklagt? Armes superreiches Hamburg, das seine Obdachlosen im Gegensatz zu den ganz Reichen wie Müll behandelt.

  • Danke für den Bericht. Wichtiges Thema.

  • Ich wüsste ja gern, wie der Mieterverein sich das vorstellt... um einzelne Zimmer zu vermieten (wer vermietet? ist ja nicht ganz unaufwändig), müsste man ja sicher auch umbauen (Bad- und Küchennutzung für alle...). So klingt das etwas flapsig dahingesagt.

    • @alecto:

      Das mag in diesem Fall evtl. nicht so sein. Aber es gibt Altbauten die sich gut Umbauen lassen würden. Generell kann und wird es Besenkammern/Speisekammern oder Abstellräume geben, die geeignet sind in ein Bad umgewandelt zu werden. Dort sollte das legen eines Leitungsstrangs Wasser/Abwasser auch leicht zu realisieren sein, da dort z.b. kein Stuck vorhanden ist. Eine Küche können sie quasi überall realisieren wo Wasser/Abwasser leicht hinzulegen wäre, oder ein Anschließen an bestehende Leitungen möglich ist.

      Und in Hamburg sollte man das, meiner Meinung nach, bei Villen auch in Betracht ziehen. Und wenn es um Familien oder WGs geht dürfte der Aufwand, wie Lina Michel schreibt, sicher noch geringer Ausfallen.

    • @alecto:

      Ich hab das so verstanden, dass gerade nicht umgebaut werden soll, sondern Küche, Bad etc. als Gemeinschaftsräume dienen, also WG Konstellation. Ist doch eine tolle Idee.

    • @alecto:

      Glaube das ist so gemeint, dass eben nicht umgebaut wird, sondern Bad, Küche etc. als Gemeinschaftsräume genutzt werden, also eher eine WG Konstellation . Ist doch eine super Idee, für die es bestimmt viel Bedarf gibt.

  • Die Stadt sollte den Besitzer auffordern, zu vermieten, falls er das nicht tut, sollte die Stadt das Gebäude beschlagnahmen und als Notunterkunft nutzen.



    Warum?



    Weil die Stadt dringend Plätze benötigt, weil Kinder, Jugendliche, Schwangere und Familien in schwierigen Notunterkünften leben müssen. Die Stadt hat fast 50.000 Menschen in solchen Unterkünften und hier spekulieren Menschen aus dem Ausland mit einer Villa?



    Für mich ist selbst die Linke viel zu zahm.



    Nachdem 2. Weltkrieg haben die Behörden jeden Quadratmeter einfach sich genommen und Menschen untergebracht. Heutzutage gibt es riesige Wohnungen am Isemarkt, wo auf 180 qm zwei manchmal eine Person lebt? Manchmal stehen diese Wohnungen wochenlang leer.



    Parallel muss die Stadt mit wütenden Bürgern über jeden Wohncontainer verhandeln.



    Eigentum verpflichtet. Der Staat muss handeln, wenn es Notlagen gibt und die gibt es.



    Warum so zögerlich?

    • @Andreas_2020:

      Wenn auf dem Land ganze Orte und Kleinstädte aussterben, ganze Straßen leerstehen, kann es in diesem Land eigentlich keine Notlage bzgl. Wohnraum geben. ;)

      • @EDL:

        Schön, das geht um das Bundesland Hamburg, die Behörden in Niedersachsen und Schleswig Holstein sind nicht zuständig. Asylbewerber müssen hier bleiben.

      • @EDL:

        Entweder in diesen Kommentar wird bewusst getrollt oder die eigene Unwissenheit wie ein teures Statussymbol stolz zur Schau gestellt.

      • @EDL:

        Es gibt gute Gründe warum es Sinnvoll ist, das Leute da wohnen und Leben wo es z.b. schon gute Verkehrsinfrastruktur gibt, die nicht auf den Individualverkehr angewiesen ist.



        Das leistet einen besseren Anteil bzgl. ressourcenschonender und umweltfreundlicher Lebensweise, als z.b. Dörfer in der Peripherie zu erhalten, die ein Relikt und Notwendigkeit einer nicht mehr vorhanden Produktionsorganisation darstellen, zumal einer welche so eh nicht wiederkommen wird.

        Wäre im Falle Hamburgs aber auch eher für Enteignungen, und eine Überführung in Wohnnutzung, nach baulicher Umgestaltung. In Wohlhabenden Gegenden mit z.b. einen Schlüssel 40% Sozialwohnungen 30% für Student*innen, beides mit langfristiger Bindung, und 30% „normaler“ Mietmarkt, und das unter einer neuen Genossenschaft mit ordentlicher Gemeinwohlorientierung.

  • Interessierte Gesetztesauslegung der Behörde...



    Hier besteht offensichtlich noch Handlungsbedarf seitens des Gesetztgebers.