Kampf gegen Leerstand in Hamburg: Hilflos gegen Spekulanten

In Hamburg lässt ein Eigentümer sein Mietshaus in zentraler Lage verkommen. Jetzt will die Politik die Notbremse ziehen. Ob die greift, ist unklar.

Das Haus Grindelallee 80 hiter einer Bushaltestelle

Spekulationsobjekt: Grindelallee 80 in Hamburg Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Von außen sieht das Haus Grindelallee 80 in Hamburg-Eimsbüttel eigentlich ganz manierlich aus. Doch dieser Eindruck täuscht. Das Bezirksamt hat die Immobilie für unbewohnbar erklärt. Der Eigentümer Sven B. vergraulte die Mieter, kümmert sich nicht um die Instandhaltung und scheint unauffindbar zu sein. Seit Jahren steht das Haus in bester Lage leer – und das in einer Stadt, wo jeder Quadratmeter Wohnraum gebraucht wird.

Die Bezirksversammlung hat jetzt auf Initiative der Linken beantragt, einen Treuhänder für das Gründerzeit-Mietshaus einzusetzen. Das sei „überfällig, um das Haus endlich der Spekulation zu entziehen und wieder mit Mietwohnungen auszustatten“, sagt Mikey Kleinert, Sprecher der Linksfaktion Eimsbüttel.

Eine Treuhandverwaltung wäre das letzte Mittel des Bezirks, nachdem B. reihenweise Fristen hatte verstreichen lassen und sich auch von den auf 129.000 Euro aufgelaufenen Zwangsgeldern nicht beeindrucken ließ. Möglich wird die Treuhandverwaltung durch das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz – doch selbst dieses Instrument, über das nicht alle Bundesländer verfügen, droht in diesem Fall zu versagen.

„Der Rechtsstaat unterstellt Redlichkeit“, sagt Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Für einen derart krassen Fall des Missbrauchs von ­Eigentum wie bei der Grindel­allee 80 seien die Eingriffsmöglichkeiten unzureichend.

Buttersäure vergossen

Das Gebäude gehört dem Immobilienfachwirt Sven B., der auch eine Reihe weiterer Immobilien in Norddeutschland besitzt. B. hat das Haus offenbar nicht in der Absicht erworben, es zu behalten, sondern es mit Gewinn weiterzuverkaufen. Denn bald, nachdem er das Objekt gekauft hatte, begann er damit, die Mieter rauszuekeln.

„B. hat vielen Mietern mehrfach gekündigt, aus allen möglichen Gründen“, erinnert sich Bosse, der viele der Mieter rechtlich unterstützt hat. Die Kündigungen seien stets unbegründet gewesen. Trotzdem habe der Streit oft mit einem Vergleich geendet. Die Wohnungen seien anschließend nicht wieder vermietet worden. Der Mieter Michele Fezzi berichtet, B. habe das Haus durch Nichtstun verkommen lassen. Ob es um Sauberkeit, Instandhaltung oder fehlende Kellerschlüssel ging: „Er hat uns komplett ignoriert.“

Drastischeres schilderte eine Mieterin 2018 „Spiegel TV“: Die Feuerschutztüren seien entfernt worden, die Heizung sei kalt geblieben, Schlüssellöcher seien verklebt und Buttersäure sei vergossen worden. B. habe Wohnungen als Stundenhotel vermietet und 23.000 Euro Vorauszahlungen der Mieter für die Wärmeversorgung nicht weitergereicht.

Aus Gründen des Brandschutzes ließ das Bezirksamt das Gebäude 2019 räumen. Denn aufgrund von Umbauten verfügten viele der Wohnungen nicht über einen zweiten Fluchtweg. Dieses Problem hätte sich zwar beheben lassen, was B. aber ignorierte.

2018 schloss eine Bauträgergesellschaft einen Kaufvertrag mit B. über das Gebäude. Die Gesellschaft hat eine Auflassungsvereinbarung dafür im Grundbuch eintragen lassen, wie deren Anwalt Moritz Lembcke von der Kanzlei Osgard bestätigt. Das bedeutet, dass das die Immobilie an niemand anderen verkauft werden kann. Allerdings bemüht sich der Bauträger bisher vergeblich, Eigentümer zu werden.

Beide Seiten streiten sich vor Gericht, weil der Bauträger davon ausging, das Gebäude unvermietet zu kaufen. Nach wie vor gebe es jedoch gültige Mietverträge für das Haus, sagt Lembcke. „Wir streiten um die Höhe der Kaufsumme.“

Der Eigentümer habe geltend gemacht, dass alle Mietverträge hinfällig seien, weil das Gebäude ja nicht als bewohnbar gelte, sagt Kai Wantzen, Sprecher des Hamburger Landgerichts. Außerdem behaupte B., er habe mit den Mietern Beendigungsvereinbarungen getroffen. Ein Sachverständigengutachten zur Bewohnbarkeit liege vor. Einen neuen Verhandlungstermin habe das Gericht aber noch nicht angesetzt.

Gericht als einziger Weg

Anwalt Lembcke ärgert sich, dass sich das Verfahren so lange hinzieht. „Ich habe fast das Gefühl, dass das Gericht hofft, dass einem von beiden die Puste ausgeht“, sagt er. Schließlich fielen für die nötigen Kredite immer mehr Zinsen an.

Einen Treuhänder einzusetzen, bewertet Lembcke als unrealistisch. Dieser müsste viel Geld investieren, um das Gebäude herzurichten. Zugleich sei er an der Verwertung des Gebäudes gehindert, weil es mit hohen Schulden belastet sei. Und nicht zuletzt habe sich ja seine Mandantin das Recht gesichert, die Immobilie zu kaufen. „Der einzige Weg ist unser Gerichtsverfahren“, schließt nicht ganz überraschend der Anwalt.

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