Wie „Gen Z“ über „Millennials“ denkt: Viel zu bemüht
„Millennials“ und „Generation Z“ benutzen soziale Medien sehr unterschiedlich. Unsere Autorin beobachtet die feinen Differenzen bei den Altersgruppen.
Wenn es um die Nutzung des Internets geht, denken viele immer noch vor allem in den Kategorien „alt“ und „jung“. „Alte“ Menschen im Sinne von „Boomer“, heißt es dann, benutzten das Internet wenig oder gar nicht, oder sie fingen erst langsam damit an. „Junge“ dagegen seien ständig auf Social Media, würden nur noch in Hashtags und Emojis denken und an Filter über ihren Selfies. Mal abgesehen davon, dass das alles sowieso sehr pauschal ist, stimmt es nicht mal ansatzweise. Wer ist „jung“? Ich habe Neuigkeiten: Die Unterschiede, wie Millennials und Generation Z das Internet benutzen, sind teils ebenso groß wie zwischen Boomern und „jungen Leuten“.
Als Content-Creatorin, also als Person, die viele Inhalte auf Instagram oder Tiktok erstellt, und als Mitglied der „Gen Z“, fällt mir das regelmäßig auf. Millennials scheinen es zum Beispiel oft für nötig zu halten, ihre Videos mit einer Art Intro zu beginnen. Komplette Zeitverschwendung. Im Gegensatz zu Gen Z sind Millennials noch mit linearem Fernsehen und Radio aufgewachsen. Dort hing die Reichweite nicht von Algorithmen ab, was für Gen Z absolut normal ist. Die meisten unter 25 werden alles, was nicht sofort thematisch einsteigt, weiterscrollen. Der entsprechende Inhalt wird also vom Algorithmus benachteiligt werden. Es bleibt schlicht keine Zeit für eine Begrüßung und ein Intro.
Auch ein Klassiker: „Uhm, let’s talk about this …“, mit dem Millennials gerne in Videos einsteigen. Dazu kommt, dass Millennials und ältere Internetnutzer*innen dazu neigen, beim Aufnehmen eines Videos eine kurze Pause zu lassen, bevor sie mit dem Sprechen anfangen. Diese „Millennialpause“ kommt von der Wartezeit, die es bei älteren Aufnahmegeräten brauchte, um die Aufzeichnung zu starten. Für die Gen Z eine verschwendete Sekunde „Watchtime“, also wie lange Videos von Zuschauer*innen angesehen werden.
Und dann ist da die Mühe und der Aufwand, den Millennials sich machen, wenn sie etwas posten. Millennials schneiden ihre Tiktoks. Sie benutzen VoiceOvers. Sie machen Thumbnails mit catchy Schlagwörtern und Symbolen drin. Für die meisten Creator*innen meiner Generation wäre das peinlich viel Aufwand. Das macht man einfach nicht – kommt streberhaft rüber, heißt es, wenn ich unter Freund*innen nachfrage. Online müsse man spontan und mühelos auftreten.
Wer gehört überhaupt zur Gen Z?
Übrigens: Diese Generationsbegriffe werden viel benutzt, sind aber nicht besonders genau. Wer zur Generation Z gehört, das definieren verschiedene Quellen unterschiedlich. Geburtsjahr ab 1995, 1996, 1997?
ist 19 Jahre alt und damit Generation Z. Sie ist Autorin und Content-Creatorin für die taz.
Wirklich einheitlich ist das nicht. Und auf ein, zwei Jahre kommt es sicher auch nicht an, bei diesen Begriffen. Wenn ich Gen Z sage, meine ich jedenfalls alle, die 1997 oder später geboren sind. Die waren 10 Jahre alt, als das erste iPhone auf den Markt kam. Sie hatten also bereits eine komplett von Smartphones geprägte Jugend.
Die Jugend ist der Zeitraum, in dem Menschen beginnen, sich ihr eigenes Sozialleben aufzubauen und in dem das Soziale erst so richtig spannend wird. Für Social Media ist das also der entscheidende Zeitraum. Millennials sind entsprechend die nächst ältere Generation, je nach Definition gehen die Geburtsjahre hier zurück bis Anfang der Achtziger.
Aber zurück zum Thema. Die Millennials, die ohne ständigen Internetzugang aufgewachsen sind, erstellen Online-Content, der aufwendig bearbeitet und geplant ist. Die Gen Z hingegen will „im Moment sein“, damit sind wir beim nächsten Unterschied: Authentizität. Emojis und Hashtags? Auf keinen Fall. Wer Hashtags benutzt, heißt es von Gen Z, versucht zu sehr und zu offensichtlich, Aufmerksamkeit zu generieren. Alles soll zufällig wirken. Darum lassen viele der ganz jungen Internetnutzer*innen Emojis komplett weg. Maximal werden die schriftzeichenbasierten „:)“ oder „<3“ eingesetzt. Auch die automatische Großschreibung haben ich und viele andere ausgeschaltet – wieder, um einen spontanen Eindruck zu erwecken.
Auf Instagram sieht man von Gen Zler*innen viele „photo dumps“, also authentisch und wahllos wirkende Sammlungen von Schnappschüssen aus dem Alltag. Oft mit starkem Zoom, um zu unterstreichen, dass es sich um romantisierte Ausschnitte aus dem eigenen Leben handelt.
Entsprechend gilt der Gen Z das Benutzen von Filtern als verpönt, zumindest wenn es erkennbar ist. Das höchste aller Schamgefühle sind voreingestellte Filter. Auf Instagram tragen sie Namen wie Paris, Buenos Aires oder New York. Sie sind fast ausschließlich auf Profilen von Millennials oder älteren Nutzer*innen zu finden. Für viele Gen Zler*innen sind Filter seit etwa 2019 nicht mehr der Zeitgeist – zu offensichtlich fake.
Eine Ausnahme bilden automatische Filter älterer Analog- und Digitalkameras. Sie liefern Schnappschüsse, die gerne mal verwackelt sind, sich weder planen noch rekonstruieren lassen, und erschaffen damit genau die richtige Atmosphäre für den Instagram-Feed einer Gen Zler*in. Bei Millennials fehlt meist die langfristige ästhetische Vision des Feeds. Oft sieht er chaotisch aus. Der eigene Feed im Instagram der Gen Z ist dagegen fast wie ein langfristig geplantes Kompositionskunstwerk. Er muss beim Durchscrollen einheitlich, aber nicht langweilig sein, braucht eine sorgfältig kuratierte Motiv- und Farbpalette, ohne wie ein Firmenaccount zu wirken. Aber: man darf ihm das geplante natürlich trotzdem nicht ansehen!
Am Ende gilt also: Der Aufwand ist bei beiden Altersgruppen in etwa der gleiche. Nur versucht Gen Z ihn aktiv zu verbergen. Gen Zler*innen sind mit der offensichtlichen Fakeness der Inhalte von Millennials aufgewachsen und wollen damit abschließen. Bewegungen wie „make Instagram casual again“, also auf Deutsch: „macht Instagram wieder lässig“, sprechen für sich. Die Ungezwungenheit, die man hatte, als man noch 42 Follower*innen hatte, zurückzubringen.
Ein Wunsch nach Authentizität ist also da, nur: Den perfekten Schein möchte man dafür trotzdem nicht aufgeben. Wenn man sich den Aufwand, der hinter den „casual photo dumps“ der Generation Z steckt, ansieht, merkt man schnell, dass „authentisch“ dann doch anders geht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben