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Westbalkan-Gipfel der EUDas Warten geht weiter

Ein Druchbruch beim Ringen um Reformen und damit verbundene Zusagen der EU zwischen den Westbalkan-Ländern und Brüssel bleibt weiter aus.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron flüstert Željko Komšić aus Bosnien und Herzegowina ins Ohr Foto: Omar Havana/ap/dpa

Sarajevo taz | „Wieder nix“ ist der erste Kommentar über den Brüsseler Balkangipfel in der Region. Dass man wieder vertröstet wird, ist ja nichts Neues. Die Kommentare aus dem Westbalkan kommen nicht aus Enttäuschung, sondern aus Resignation. Um enttäuscht zu sein, hätte man wenigstens Hoffnung für ein positives Signal aus Brüssel haben müssen.

Eingeladen zu dem Gipfel waren die Staats- und Regierungschefs der Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien, Nordmazedonien und dem Kosovo. Sie alle gelten als sogenannte Westbalkan-Länder – obwohl sie eigentlich kaum etwas gemein haben, sondern widersprüchlich sind und sogar gefährliche Konfliktherde untereinander haben.

Doch das positive Signal ist ausgeblieben. Dabei war versprochen worden, dass bei Aufnahme von Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Ukraine endlich auch Verhandlungen mit Bosnien und Herzegowina aufgenommen werden würden.

Seit Jahrzehnten schon wartet Nordmazedonien auf grünes Licht aus Brüssel, obwohl schon 2006 die Voraussetzungen für die Integration erfüllt waren. Doch die Hindernisse aus den Nachbarstaaten Griechenland und jetzt Bulgarien sind hoch. Kosovo wartet auf Visafreiheit, was für den 1. Januar versprochen ist.

In Brüssel werden geostrategische Interessen wichtiger

Die Erkenntnis, dass das geostrategische Umfeld mit dem Krieg im Nahen Osten und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zunehmend komplex geworden ist und damit die europäische und globale Sicherheit gefährdet ist, zwingt die EU, die strategische Partnerschaft zwischen der EU und dem Balkan noch ernster zu nehmen.

Serbien wisse immer noch nicht, wo die Grenzen des eigenen Staates verlaufen, spotten internationale Beobachter. So wird die ebenfalls nach Europa strebende ehemalige Provinz Kosovo als Staat nicht anerkannt und nach wie vor als Teil des eigenen Staatsgebietes angesehen, obwohl die Mehrheit der EU-Staaten Kosovos Unabhängigkeit anerkennt.

In Bosnien dagegen wollen lokale serbische Politiker die Abspaltung des serbisch dominierten Landesteils und die Vereinigung mit Serbien. Diese Politik Serbiens schafft ständig Konflikte nicht nur zwischen diesen Staaten, sondern in der Region insgesamt.

Grundsätzlich will die Europäische Union alle enger an sich binden. Große Fortschritte wurden zuletzt allerdings trotz finanzieller Unterstützung in Milliardenhöhe nicht registriert. Vor allem Serbien sperrt sich, Konzessionen zu machen, und will keineswegs seine guten Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gefährden.

Montenegro ist dem Ziel am nächsten

Als am weitesten im Beitrittsprozess wird in Brüssel jetzt Montenegro gesehen. Mit Montenegro und Serbien führt die EU bereits seit 2012 beziehungsweise 2014 Beitrittsverhandlungen. Albanien, Nordmazedonien und Bosnien-Herzegowina haben den Status von Beitrittskandidaten, sind aber bislang noch nicht in Verhandlungen. Das Kosovo ist potenzieller Beitrittskandidat.

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben ihre Kollegen aus den sogenannten Westbalkan-Ländern zu entschlossenen Reformen für eine zügige Annäherung an die Europäische Union aufgerufen. Als wichtige Reformbereiche nennt die gemeinsame Abschlusserklärung am Mittwochabend die Rechtsstaatlichkeit und die Wirtschaft.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte nach dem Treffen, dass an Reformen auch zusätzliche Investitionen aus der EU gekoppelt seien.

Überschattet wurde der Gipfel von der Entscheidung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, vorerst EU-Entscheidungen für einen Start von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu blockieren. An diese ist derzeit auch eine Vorentscheidung für den Start von Beitrittsverhandlungen mit Bosnien gebunden.

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2 Kommentare

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  • Der Balkan würde schon öfter in Stich gelassen von Europa.

  • Die EU muss sich ehrlich machen: Bevor sie sich nicht intern reformiert darf es keine Erweiterung geben. In den jetzigen Strukturen ist die EU nicht in der Lage die jetzt schon kaum mehr gegebene Handlungsfähigkeit zu bewahren. Schon jetzt gelingt es einem Antidemokraten wie Orban die gesamte EU zu erpressen und man ist anscheinend nicht ind der Lage ihn aufzuhalten. Die Vorstellung jetzt noch zig weitere Kleinstaaten aufzunehmen und mit Blockaderechten auszustatten, die sich untereinander Feind sind und die nur über eine begrenzte demokratische Tradition verfügen ist schlicht eine Horrorvorstellung für jeden EU-Anhänger bzw. ein Fest für alle Gegner der EU. Ich bin mit der EU groß geworden und ein überzeugter Anhänger sowohl der EU als auch der europäischen Idee und grade deswegen bin ich strikt gegen jedwede Erweiterung solange die strukturellen Probleme der EU nicht gelöst sind. Es kann nicht im geostrategischen Interesse der EU liegen sich bis zur Handlungsunfähigkeit zu vergrößern; das scheinen mir mehr die Interessen der EU Feinde wie zum Beispiel Russland zu sein.