Weltweite Versorgung: Wie Trinkwasser den Alltag bestimmt
Nicht überall kommt sauberes Wasser einfach aus dem Hahn. Videos aus fünf Ländern zeigen die Mühen, die meist Frauen schultern müssen.
S auberes Wasser ist für die meisten Haushalte auf der Welt keine Selbstverständlichkeit. Der Aufwand, den in Entwicklungsländern meist Frauen und Kinder betreiben müssen, um täglich an Trinkwasser zu kommen und damit ihr Geschirr, ihre Kleidung und ihren Wohnraum sauber zu halten oder gar zu duschen und die Kinder zu waschen, ist enorm. Auch an einem zuverlässigen Abwassersystem fehlt es an vielen Orten.
In Deutschland verbraucht eine Person pro Tag durchschnittlich 125 Liter Wasser. Immerhin: Vor 30 Jahren waren es noch knapp 150 Liter. Sie drehen morgens nach dem Aufstehen ganz selbstverständlich den Hahn im Badezimmer und in der Küche auf, um Kaffee zu kochen oder Zähne zu putzen. Mädchen in vielen Ländern Afrikas hingegen müssen bei Sonnenaufgang zunächst kilometerweit 20-Kilo-Kanister schleppen, um Tee zu kochen.
Wie groß die globalen Unterschiede tatsächlich sind, wird in folgenden Videos deutlich. Taz-Korrespondentinnen haben fünf Frauen in verschiedenen Ländern einen Tag lang mit der Kamera begleitet, um zu erfahren, was Wasserversorgung für ihren Alltag bedeutet. Sie stellten nicht nur die Frage, wo das Wasser herkommt, sondern auch, wo es hinfließt.
Empfohlener externer Inhalt
Jordanien – Wo das Wasser nur manchmal fließt
In Jordanien, einem der wasserärmsten Länder der Welt, spart die Regierung Wasser, indem sie die Menschen nur sporadisch damit versorgt. Nur in der Hauptstadt Amman fließt das Wasser 24 Stunden pro Woche, in ländlichen Gebieten kommt es nur an sechs bis 18 Stunden aus dem Hahn. Deshalb haben viele Menschen Wasserbehälter aus Kunststoff auf ihren Hausdächern, in denen sie das Wasser sammeln. In eine Zisterne passen circa 2.000 Liter für umgerechnet sieben Euro. Die meisten Haushalte brauchen mindestens zwei Zisternen.
Pro Tag stellen die Behörden 80 bis 100 Liter pro Haushalt bereit – allerdings gehen rund 40 Prozent davon auf dem Weg durch kaputte Leitungen und tropfende Hähne verloren. Das Wasser kann zum Waschen oder Spülen verwendet werden – ist jedoch nicht trinkbar.
Empfohlener externer Inhalt
Ein Liter Trinkwasser kostet umgerechnet 17 bis 20 Cent. Nicht überall in Jordanien gibt es eine funktionierende Abwasserversorgung durch Kläranlagen. In der Stadt Azraq, rund 100 Kilometer östlich der Hauptstadt, sowie in anderen Teilen des Landes wird das Abwasser in Gruben gekippt. Private Firmen verlangen dafür einmalig knapp 30 Euro, die Gemeinde nimmt umgerechnet 12 Euro.
Uganda – Mangel trotz Wasserreichtum
Das kleine Land Uganda an der Quelle des Nils, einem der längsten Flüsse der Welt, verfügt eigentlich über ausreichend Wasser. In Regenzeiten ist sogar zu viel vorhanden: Dann überschwemmt der gewaltige Victoriasee die Vororte der Hauptstadt Kampala. Doch die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Wasser aus der Leitung. Vor allem in den Armenvierteln der Städte ist jeder Liter kostbar: Wasser verschlingt knapp ein Viertel des täglichen Einkommens eines Haushaltes, dabei leben drei Viertel der Ugander von umgerechnet nur drei Euro pro Tag. Ein 20-Liter-Kanister Trinkwasser kostet umgerechnet über 1 Euro. Darüber hinaus haben über 80 Prozent der Ugander keinen Zugang zu eigenen Sanitäranlagen, viele müssen auch für die Toilettennutzung Geld ausgeben.
Gefördert durch das European Journalism Centre (EJC) mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation folgt die taz ein Jahr lang dem Wasser. Fünf taz-Korrespondentinnen recherchieren in Lateinamerika, Westasien, Südasien und in Afrika entlang des Nils. Denn vor allem im Globalen Süden gibt es zu wenig oder kein sauberes Wasser. Besonders Frauen müssen jeden Liter über weite Strecken nach Hause tragen. Der Zugang zu Wasser wird mit der Klimakrise verschärft. Immer öfter wird Wasser privatisiert oder steht im Konflikt mit Großprojekten, die Fortschritt bringen sollen. Mehr unter taz.de/wasser
Nur 13 Prozent der Haushalte spülen ihr Schmutzwasser in die Kanalisation, die in der Hauptstadt zu Kolonialzeiten gebaut wurde. Dort verfügen viele Haushalte über Klärgruben im Garten, die von Lastwagen ausgepumpt und den Klärwerken zugeführt werden. Auf dem Land ist auch dies noch eine Seltenheit. Hier wird das Abwasser einfach in den nächsten Fluss gekippt. Irgendwann landet das Dreckwasser im Victoriasee, der laut jüngsten Studien mit Schwermetallen und Chemikalien verseucht ist.
Empfohlener externer Inhalt
Bis zu 240 Millionen Liter pumpen Ugandas Wasserwerke täglich aus dem Victoriasee. Das Seewasser ist vor allem in Ufernähe schwer verschmutzt. Um nicht nur dreckige Brühe zu erhalten, mussten vor Kurzem die Rohre verlängert werden, damit sie in der Mitte des Sees an sauberes Wasser gelangen. Gefiltert wird das Wasser in einer jüngst modernisierten Aufbereitungsanlage. Trinkwasserqualität hat das Wasser aus dem Hahn aber bei Weitem nicht.
Bolivien – je ärmer die Menschen, desto teurer das Wasser
Bolivien ist besonders anfällig für den Klimawandel und hat jetzt schon ein Wasserproblem. Dürren und Überschwemmungen gefährden die Ernährungssicherheit. Nach Angaben der Statistikplattform Worldometer haben die erneuerbaren Wasserreserven pro Kopf in den vergangenen 50 Jahren um etwa 65 Prozent abgenommen.
Obwohl das Land ein Umwelt- und Wasserministerium besitzt, ist die Datenlage unübersichtlich. Nach Angaben von UN-Agenturen haben zwar 93 Prozent der Bevölkerung Zugang zu grundlegender Trinkwasserversorgung sowie 66 Prozent zur Abwasserentsorgung. Allerdings sagen Einheimische, dass man nirgends Wasser aus der Leitung ohne Abkochen trinken sollte, nicht einmal in der Hauptstadt La Paz. Wer es sich leisten kann, kauft 20-Liter-Flaschen für den Wasserspender zu Hause. Der Preis schwankt regional sehr: So kosten die Flaschen in La Paz zwischen 2,40 und 3 Euro, in Cochabamba im Zentrum des Landes zwischen 96 Cent und 1,44 Euro.
Empfohlener externer Inhalt
Ebenso unübersichtlich ist das Tarifsystem für Wasser. Die Grundregel ist: Je ärmer die Menschen, desto teurer ist ihr Wasser. In der Stadt Cochabamba ist der arme Süd-Teil nicht an das öffentliche Wassernetz angeschlossen. Tankwagen bringen das Wasser, das sie im Norden der Stadt aus privaten Brunnen pumpen. Die Wasserqualität ist aber nicht gesichert. Die 200-Liter-Tonne Wasser kostet laut Aufschrift auf den Tankwagen umgerechnet 83 Cent – mit einem Literpreis von 0,41 Cent das 17-fache des Preises des öffentlichen Wasseranbieters. Die Wasserorganisationen in den Vierteln sind mächtig und verdienen nicht selten ordentlich mit.
Kenia – Zu viel Vieh, zu wenig Wasser
Kenia ist eines der entwickeltsten Länder des afrikanischen Kontinents. Dennoch fehlt einem Drittel der Bevölkerung noch immer Zugang zu sauberem Wasser. Die Hälfte der Bevölkerung hat keine Sanitäranlagen zur Verfügung. Besonders schlimm ist es auf dem Land: In den Städten kostet Wasser pro Haushalt durchschnittlich umgerechnet 4 Euro im Monat, auf dem Land knapp 32 Euro. Und nicht immer erreicht das Wasser aus dem Hahn Trinkwasserqualität. Im Süden des Landes nutzen die Kenianer das Wasser aus dem riesigen Victoriasee, das aber hochgradig verdreckt ist. Dieses Wasser mit Chlor zu behandeln und trinkbar zu machen, kostet im Monat rund 30 Euro – viel Geld, denn 65 Prozent der Bevölkerung haben monatlich ein Einkommen von höchstens 90 Euro.
Empfohlener externer Inhalt
Besonders schlecht ist die Wasserversorgung in den weiten, trockenen Hochebenen im Süden des Landes, wo Viehhirten wie die Maasai leben. Sie versorgen sich und ihre abertausenden Rinder mit Wasser aus dem Mara-Strom, der in den Victoriasee fließt. In Dürrezeiten, die aufgrund des Klimawandels immer häufiger und länger werden, reicht das Wasser jedoch nicht für die Menschen und riesigen Tierherden aus. So verdursten in Trockenzeiten immer mehr Tiere.
Indien – Ungleiche Wasserverteilung
Etwa 17 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Indien, allerdings verfügt das Land nur über vier Prozent der weltweiten Süßwasserressourcen. Angesichts der sich verändernden Wetterverhältnisse und wiederkehrenden Dürren steht Indien unter Wasserstress. Bereits 2017 wurde gemeldet, dass in 256 von 700 Bezirken der Grundwasserspiegel „kritisch“ oder „überbeansprucht“ ist.
Indien ist stark abhängig vom jährlichen Monsunregen in den Sommermonaten, wenn die Wasserspeicher für das ganze Jahr gefüllt werden. Wenn es nicht genügend regnet, wird die Wasserversorgung gekürzt. Regnet es zu viel auf einmal, werden die Staudämme geschwemmt und richten verheerende Schäden an.
Die über 20-Millionen-Einwohner:innen-Stadt Mumbai nutzt für seine Versorgung Frischwasserreservoirs, die sich bis zu 175 Kilometer außerhalb befinden. Es ist Wasser, welches dann andernorts fehlt. Und viel geht auf dem Weg zu den Menschen verloren: Wassermengen, die dem täglichen Trinkwasserverbrauch der Stadt München entsprechen, verschwinden durch illegales Abzapfen oder Lecks in den Rohren.
Empfohlener externer Inhalt
Dennoch hat Mumbai eines der besten Trinkwassernetze des Landes. Doch Bevölkerungsgruppen wie die indigenen Adivasi in Mumbais Stadtwald Aarey sind weitestgehend davon ausgeschlossen. Laut der NGO Pani Haq Samiti haben schätzungsweise zwei Millionen Mumbaikar keinen geregelten Zugang zu Trinkwasser. Mancherorts wird Mädchen eine Ausbildung verwehrt, weil sie die Verantwortung für das Wasserholen tragen oder in der Schule keine Toiletten mit Wasser haben.
Pro Kopf wird für Personen in Mietshäusern mit 135 Liter pro Tag gerechnet, für Slumbewohner:innen mit 45 Liter. Der Literpreis für die Versorgung von Mietshäusern liegt bei umgerechnet 0,006 Eurocent, in renovierten Slums bei 0,005 Eurocent und in informellen Siedlungen bei 0,004 Eurocent. Doch wer nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen ist, zahlt im Schnitt vielfach mehr. Wer einen 20-Liter-Kanister kauft, zahlt 0,06 Cent pro Liter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen