Weil er sein Rad mitnehmen wollte: S-Bahn-Wache misshandelt Fahrgast
In Hamburg wurde Oktay C. von DB-Sicherheitsmännern mit Gewalt zu Boden gebracht. Die Bahn weist den Vorwurf des Rassismus zurück.
Der 50-jährige Schauspieler war mit seiner Lebensgefährtin auf dem Rückweg von einer Trauerfeier. Mit ihren Fahrrädern wollten sie in die S-Bahn einsteigen. „Zunächst wurden wir von einem freundlichen Wachmann in den hinteren Teil des Gleises geschickt“, sagt Oktay C.. Dort sei ihnen der Zutritt von einem anderen Wachmann verweigert worden, als die S-Bahn einfuhr. Der Zug solle erstmal voll werden.
Wie sich Oktay C. erinnert, war in dem Waggon zunächst niemand, genau wie im unmittelbaren Wartebereich. Aus Angst seine Kinder nicht rechtzeitig abholen zu können und die S-Bahn davonfahren zu sehen, stieg das Paar ein, woran es nicht gehindert worden sein soll. „Dann wurden wir aufgefordert, wieder auszusteigen“, sagt C.. „Auf meine Nachfrage warum, wurde nur ‚Weil ich es sage‘ erwidert.“
Er nehme oft sein Rad in der Bahn mit und wisse, wie er es ordnungsgemäß abzustellen habe. „Unsere Räder hätten keine Passagiere am Ein- und Aussteigen gehindert“, versichert Oktay C. In dem Video steht ein Rad im Eingangsbereich, es sieht aber so aus, als ob man noch links und rechts daran vorbeigehen könnte. Schließlich sei er von dem Wachmann „Taugenichts“ genannt worden, sagt C..
Gegen den Oberkörper getreten
Daraufhin wurde er von mehreren Sicherheitskräften aus der Bahn gezerrt und es kam zu der Situation auf dem Bahnsteig. Als Oktay C. Auf dem Boden lag, soll er nur schwer Luft bekommen haben. Er habe ein Herzproblem und es wurde von beiden Seiten gegen seinen Körper gedrückt. Die Sicherheitsmänner sollen außerdem mit ihren Knien gegen seinen Oberkörper getreten haben, ihm den Arm verdreht und Handschellen angelegt haben.
Von der Polizei fühlt er sich alleine gelassen. Statt ihm zu helfen, habe sie bei der Fixierung am Boden geholfen. Dass er gesagt habe, bloß mit dem Rad eingestiegen zu sein und den Vorfall erklären zu wollen, sei nicht beachtet worden. Schließlich sei er auf Anweisung eines Polizisten wieder losgelassen worden.
Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, will sich die Bundespolizei nicht äußern. Es müssten erst die Kameras auf dem Bahnsteig und in der S-Bahn ausgewertet werden.
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn (DB) weist darauf hin, dass es an dem Sonntag im Volksparkstadion ein Fußballspiel gegeben habe, sodass der S-Bahnsteig in Stellingen sehr voll und die Züge ausgelastet gewesen seien. Eine Fahrradmitnahme habe daher nicht gewährleistet werden können.
Anzeige nicht aufgenommen
Außerdem hätten die Personen im Zug ihre Fahrräder in die Türbereiche gestellt, sodass der Wagen nicht mehr für weitere Fahrgäste begehbar gewesen sei. Den Vorwurf des Rassismus weist die Sprecherin zurück. Die Sicherheitskräfte der S-Bahnwache hätten Anzeigen wegen Beleidigung und Körperverletzung gestellt. Wenn Sicherheitskräfte Personen am Boden festhielten, geschehe das zu ihrem eigenen Schutz, also wenn von einer Person eine akute Gefahr ausgehe.
Oktay C. sagt, seine Anzeige gegen die Sicherheitsmänner habe die Polizei aufgrund der stressigen Situation nicht aufnehmen wollen. Auch wenn er dies verstehen könne, fragt sich C., „warum sie dann eine Anzeige des Sicherheitsmannes wegen Körperverletzung gegen mich aufnehmen konnte“.
Ob die Staatsanwaltschaft gegen die Wachmänner bereits ermittelt, wurde bis Redaktionsschluss auf Anfrage nicht beantwortet. Oktay C. will zeitnah eine Anzeige wegen Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung stellen.
Oktay C. sieht in dem Vorfall zwar ein rassistisches Motiv, möchte aber lieber von Machtmissbrauch sprechen. Derartige Vorfälle träfen immer die Schwächeren der Gesellschaft. Deshalb hat er eine Petition mit dem Titel „Ich bin kein Einzelfall! Brutaler Angriff der Hamburger S-Bahn-Wache muss Folgen haben!“ gestartet, die bis jetzt von mehr als 5.000 Menschen unterschrieben wurde. Er fordert darin unter anderem die pädagogische Schulung von Sicherheitspersonal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“