Waldsterben in Deutschland: Mehr Wasser, weniger Rotwild
Der Wald muss sich selbst heilen, sagen Experten. Viel menschlicher Umbau sei dafür nicht nötig. Die Jagd spiele jedoch eine wichtige Rolle.
Für die Sicherung der Holzversorgung sei es zudem wichtig, dass neben heimischen Laubbaumarten auch zuwachsstarke Nadelbäume nachgepflanzt werden, heißt es weiter, schließlich sei Holz ein zentraler nachhaltiger Rohstoff. Das heißt: Die Waldbesitzer wollen so weitermachen wie bisher.
Mathias Graf von Schwerin bewirtschaftet im Nordosten einen Mischwald. „Wir hatten zwar Regen in diesem Winter, doch unsere alten Eichen leiden sehr und sterben sukkzezive ab“, sagt von Schwerin. Die Fichte hat er längst abgeschrieben, „die wird aus Brandenburg verschwinden, wie aus dem Harz oder dem Sauerland“. In Brandenburg ist der Wald trotz des feuchten Winters trocken: Im Südosten gab es den ersten Waldbrand des Jahres schon vergangene Woche.
Von Schwerin beobachtet, dass die Trockenheit der letzten Jahre den Waldboden verändert hat: „Die Kapillarwirkung im Boden wurde unterbrochen, bestimmte Schichten sind wohl ausgetrocknet und lassen das Wasser gar nicht mehr weiter nach unten durchsickern.“ Diese Schäden in der Bodenstruktur verhindern, dass der Boden sich durchfeuchtet, junge Bäumchen haben es schwerer, zu wachsen. „Viele Neupflanzungen überleben den ersten Sommer nicht“, sagt von Schwerin. Das Wasser im Wald halten sei Voraussetzung für seinen Umbau.
Bessere Bedingungen schaffen
Das sieht auch Sven Selbert so, Waldexperte des Naturschutzbundes Nabu. Entwässerungsgräben müssten geschlossen, Moore im Wald wieder vernässt werden. „Wir müssen die Bedingungen schaffen, damit der Wald sich selbst helfen kann“, sagt Selbert. Seine Selbstheilungskräfte seien die beste Möglichkeit, einen klimaresilienten und biodiversitätsreichen Wald zu schaffen.
Ein Wald, in dem Bäume verschiedener Arten und verschiedenen Alters stehen, würde Risiken wie Schadinsekten, Stürmen oder Dürren besser standhalten, sagt Selbert. In einem solchen Wald „ändert sich das Waldinnenklima, die Verdunstungsrate, die Verschattung“, sagt von Schwerin, „die Bedingungen im Wald verbessern sich so von Jahr zu Jahr und er stabilisiert sich – wenn wir dazu noch genügend Zeit haben.“
Viel menschlicher „Umbau“ sei dazu nicht nötig, sagt Selbert. „Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir dezidiert schädliche Waldbehandlung stoppen würden“, fordert er. So finanziere die Bundesregierung jährlich mit Millionensummen Maßnahmen wie Kahlschläge und Räumung von Schadholzflächen. Tatsächlich sehen die Förderrichtlinien noch immer Zuschüsse für den Bau von Wegen oder die Räumung von Forstflächen vor, die Stürmen oder Borkenkäfern zum Opfer gefallen sind.
Dabei wäre etwas anderes wichtiger, sagt Mathias von Schwerin. „Wir bekommen den Waldumbau nicht hin, weil wir zu wenig jagen“, sagt er. Der zu hohe Wildbestand in Deutschland sei ein entscheidender Faktor dafür, dass der Waldumbau nicht funktioniere. Schossen die Jäger in deutschen Revieren laut Statista im Jahr 2001/2002 noch 57.500 Rothirsche, waren es 2020/21 knapp 76.500.
Reform des Jagdrechts
Rotwild frisst, vor allem im Winter, bevorzugt junge Bäume. Naturschützer fordern daher seit Jahren, das Jagdrecht zu erneuern und den Waldbesitzern mehr Einfluss auf die Jagd zu verleihen. Allerdings waren in den vergangenen Jahren alle Bemühungen erfolglos: Das Bundesjagdgesetz scheiterte in der vergangenen Legislaturperiode an der Union, in NRW schaffte sie das reformierte Jagdgesetz ab. Und in Brandenburg scheitert der grüne Umweltminister in der Sache offenbar an der SPD.
„Im Moment scheint das Jagdgesetz nicht refomierbar“, sagt Selbert, „es steht nicht im Koalitionsvertrag, und bislang setzt die Ampel ja nicht mal das um, was sie sich dort vorgenommen hat.“ Allerdings könnte man das Thema im neuen Bundeswaldgesetz ansprechen und dort eine Pflicht zum Monitoring des Wildes verankern.
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