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Wahlprogramm der FDPAlles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse

In ihrem Wahlprogramm fordern die Liberalen niedrigere Steuern. Die Rechte von Mi­gran­t*in­nen wollen sie einschränken und die Umsetzung der Klimaziele aufschieben

Alles wird sich ändern,aber dadurch nicht besser: der designierter FDP-Generalsekretär Marco Buschmann Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Sieben Mal ziert der Satz das vorläufige Programm der FDP zu den Bundestagswahlen: „Alles lässt sich ändern.“ Dabei ist im Wahlprogramm auf 51 Seiten auch aufgeführt, was die Liberalen auf gar keinen Fall anpacken möchten, darunter etwa eine Reform der Schuldenbremse. Die FDP möchte in ihrer Wahlkampagne dagegen auf Reformen setzen, mit denen Menschen, die gut verdienen, weniger Steuern zahlen.

Außerdem treten die Liberalen für eine restriktivere Migrationspolitik ein. Die Partei spricht sich für einen leichteren Zugang zu Abtreibungen aus, möchte die Entscheidung hierzu jedoch vertagen – obwohl die Stimmen der Liberalen dem Thema im Bundestag schon jetzt zu der notwendigen Mehrheit verhelfen würden.

„Der Spitzensteuersatz geht mitten in die normale Mittelschicht rein“, sagte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann zur Vorstellung des Entwurfs am Mittwoch in Berlin. Die Liberalen möchten die Einkommensgrenze, aber welcher der Spitzensteuersatz gezahlt werden muss, von derzeit etwa 68.000 Euro auf 96.600 Euro anheben. Außerdem wirbt die FDP mit einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags, der derzeit auch nur für Gut­ver­die­ne­r*in­nen gilt.

Buschmann widersprach der Auffassung, dass die FDP mit ihrem Programm auf Erleichterungen nur für reiche Menschen ziele. Der Spitzensteuersatz solle für echte Spitzenverdiener gelten, nicht etwa auch für Beschäftigte, die in der Chemieindustrie nach Tarif bezahlt würden und dort in den höchsten Verdienststufen beschäftigt seien – hier wären Löhne von knapp 100.000 Euro pro Jahr durchaus denkbar, so der FDP-Generalsekretär.

Das Ziel der Klimaneutralität soll verschoben werden

Durch diese steuerlichen Erleichterungen hofft die FDP auf mehr Investitionen in die Wirtschaft. „Wirtschaftswachstum von zwei bis drei Prozent anzuvisieren, das muss der Ehrgeiz sein.“ Eine Reform der Schuldenbremse, auch um verstärkt in die Infrastruktur zu investieren und so auch private Investitionen zu mobilisieren, schließen die Liberalen weiterhin aus. „Die Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ist ein zentrales Gebot der Generationengerechtigkeit“, heißt es im Wahlprogramm.

Die FDP möchte außerdem das im deutschen Klimaschutzgesetz anvisierte Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 um fünf Jahre nach hinten verschieben. Gelten solle stattdessen die Maßgabe aus Brüssel, wonach die gesamte EU ab dem Jahr 2050 Klimaneutralität erreichen solle.

„Nationale Sonderziele können im Rahmen des europäischen Emissionshandels keinerlei zusätzlichen Nutzen für den Klimaschutz haben“, heißt es im FDP-Programm. Die Liberalen möchten für den Klimaschutz auf den Zertifikatehandel setzen, über den sich der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid Jahr für Jahr verteuern soll. Eine soziale Abfederung dieses Vorhabens, durch das die Energiepreise steigen würden, sind im Wahlprogramm nicht aufgeführt.

In der Migrationspolitik setzt die FDP auf eine harte Hand: Im Wahlprogramm heißt es, wer die Voraussetzungen für einen Aufenthalt nicht erfülle, solle nicht nach Deutschland gelangen dürfen. „Wir unterstützen die modellhafte Erprobung von Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen.“ Damit geht die FDP einen deutlichen Schritt in Richtung Union, die dies ebenfalls fordert. Außerdem setzen auch die Liberalen wie die CDU auf Asylverfahren in Drittstaaten.

Abtreibungen möchte die FDP erleichtern, die Abstimmung dafür aber in die nächste Legislaturperiode schieben. Am 9. Februar 2025 wollen die Liberalen in Potsdam ihren Parteitag abhalten.

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36 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Danke für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • Das die FDP die Partei für den gehobenen Mittelstand à la Friedrich Merz ist, daran hat wohl noch nie jemand gezweifelt. Was mal wieder auffällig und allen Parteien gemeinsam ist, dass sie bei den vorgeblich solidarischen Versicherungssystemen wie Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung nichts anzubieten haben.

    Solidarisch wären hier BürgerInnenversicherungen, in die alle Einkommensbezieher und ohne Beitragsbemessungsgrenze einzahlen. So ließe sich auch eine 'auskömmliche’ Grundversorgung für Alle finanzieren. Wenn für die kostenlose Privatnutzung des Dienstfahrzeugs ein paar Euro mehr an Abgaben anfallen, wenn alle ihren Beitrag zu allgemeinen Kassen leisten oder wenn Rentiers auch von ihren Rendite einen Beitrag leisten, tut es niemandem wirklich weh. Das Ganze dürfte nur nicht durch Steuergeschenke 'gegenfinanziert' werden.

    • @Stoersender:

      Das mit der Einzahlung aller Bürger in die gesetzliche Rente ohne BBG wurde hier ja schon häufiger diskutiert und hat halt den uncharmanten Nachteil, das hohe Einzahlungen eben auch hohe Rentenauszahlungen bewirken.

      Kurzfristig wird damit also ein Problem gelöst, langfristig entstehen dadurch aber neue.

      • @Tom Tailor:

        Soll ich hier jetzt einen Gesamtplan erstellen?



        Bürgerversicherungen garantieren eine Grundsicherung und haben eine Obergrenze, was Auszahkungen betrifft.

        • @Stoersender:

          Diese Obergrenze hinsichtlich der Auszahlungshöhe ist nicht zulässig wenn es keine entsprechende Einzahlungs-Bemessungsgrenze gibt.

          Im Gegensatz zur Steuer, die eben nicht zweckgebunden ist, handelt es sich bei der Rentenversicherung um einen Vertrag, der eine entsprechende Leistung auf die gezahlten Beiträge vorsieht. Das was Sie sich wünschen wäre hingegen eine unlimitierte Einzahlungspflicht bei gedeckelter Leistungshöhe und würde vom BundesVerfG zurecht als unzulässige Vertragsgestaltung wieder verworfen werden. In der Privatwirtschaft würde solch eine Art von Versicherungsgeschäft zurecht als sittenwidrig betrachtet werden.

    • @Stoersender:

      Immer wieder wird hier behauptet, dass die Privatnutzung von Dienstwagen kostenlos sei. Nein, ist sie nicht!



      Und die Bürgerinnen- und außenversicherung, in der alle ohne Beitragsbemessungsgrenze einzahlen, zerreist Ihnen das Verfassungsgericht in der Luft.

      • @Bommel:

        Schon mal davon gehört? Wer bei Renten- und Arbeitslosenvesicherung bereits die Beitragsbemessungsgrenzen überschreitet, muss für die geldwerte Privatnutzung eines Dienstwagen keine höheren Beiträge abführen. Je höher das Einkommen, desto dicker der Dienstwagen und desto höher der geldwerte Nutzen.

  • Es ist gut ,dass wenigstens noch eine Partei für Prinzpien steht.

    • @Andere Meinung:

      "Es ist gut ,dass wenigstens noch eine Partei für Prinzpien steht."



      Stimmt.



      Welche doch gleich?

    • @Andere Meinung:

      Richtig!!



      Und die Art der Prinzipien spielt absolut keine Rolle!!

    • @Andere Meinung:

      Ja, richtig: das Prinzip der Ignoranz eines gerechten Zusammenlebens, das Prinzip der einseitigen Lastenverlagerung auf soziel Schwache, das Prinzip gesunder Lebensbedingungen durch Klima und Umwelt nur für die, die Porsche fahren, das Prinzip "der Stärkere" setzt sich durch. Alles sehr ehrenwerte, ethisch höchst korrekte Grundlagen. Oder doch nicht?

    • @Andere Meinung:

      Stimmt, die Vermögenden können sich auf die FDP und deren "Prinzipien" verlassen.

  • "Alles lässt sich ändern (...)



    In ihrem Wahlprogramm fordern die Liberalen niedrigere Steuern."



    Treffender wäre wohl: Alles lässt sich ändern - nur die FDP nicht.

    • @Encantado:

      Was ist falsch an niedrigere Steuern? Die hohen Steuern sind doch das Problem an allem.

      • @Cello:

        Die Steuer, von althochdeutsch 'stiura', meint soviel wie 'Stütze, Steuerruder’ und, übertragen, ‘Hilfe, Beistand’. Die moderne Steuer ist das gesellschaftlich vereinbarte Instrument der Redistribution, einem Verfahren, zur Umverteilung von Vermögen und Einkommen, dass es in der einen oder anderen Form in jeder menschlichen Kultur gab. Ohne angemessene Redistribution wird eine allgemeine Sorge um den Nachwuchs, die Kranken, die Alten und andere, die sich nicht ausreichend um sich selbst kümmern können, unmöglich. Moderne Steuern dienen u.a. auch dem Aufbau und Unterhalt der physischen und sozialen Infrastruktur.

      • @Cello:

        "Was ist falsch an niedrigeren Steuern?"



        Falsch ist es, bei hoher Verschuldung und Investitionsrückstand die Einnahmen zu senken. Der Glaube, mit dadurch erreichtem Wirtschaftswachstum die obigen Probleme lösen zu können, ist nicht viel mehr als Wunschdenken.



        "Die hohen Steuern sind doch das Problem an allem."



        Etwas sehr versimplifiziert. So sehr, dass ich nicht denke, hier wäre ein Diskussion sinnvoll.



        Aber nur zu, wenn Sie meinen, wählen Sie die Ein-Themen-Partei.

        • @Encantado:

          Fast alle Parteien besonders die kleinen sind ein Themenparteien.

          Die hohe Verschuldung liegt darin das wir Geld ausgeben in Dingen die unnötig sind. Mit weniger Steuern ist der Wirtschaftswachstum deutlich besser. Es gibt Städte die ihre Gewerbesteuer gesenkt haben weil die hoch verschuldet waren und dadurch haben die ihre Wirtschaft angekurbelt durch viele neue Firmen und Firmen die bereits da sind mehr investieren konnten. Die Städte sind heute Schuldenfrei.

          • @Cello:

            Denken Sie an deutsche Steueroasen, die dank umsatzstarker Briefkastenfirmen finanziell gut dastehen, aber wenig Jobs für Normalverdiener bieten?



            www.ndr.de/fernseh...erbesteuer122.html

            • @Stoersender:

              Nein, an die Gemeinden in der nähe von Köln, Frankfurt und Kaiserslautern die das geschafft haben. In den Gemeinden wurden neue Jobs für über 10.000 Menschen zum Teil geschaffen das in gemeinden mit 70.000 Einwohner ist das nicht schlecht

              • @Cello:

                Also doch! Sie denken genau an die Steueroasen im Speckgürtel der Großstädte, wo Vermögende sich gerne ansiedeln und komplexe Konzernkonstrukte ihre Briefkästen aufstellen.



                Beispiel Hebesätze GewSt (2023) um und in Köln:



                250 - Leverkusen - (alte) Chemieindustrie



                250 - Monheim - Briefkästen



                299 - Langenfeld - Briefkästen



                474 - Köln - Medien, Bildung, Messe, Autoindustrie ...

                • @Stoersender:

                  Nein, nein.

  • Die FDP fordert eine Reform des Bildungsföderalismus und eine Grundgesetzänderung. Z.B ist Thema eine zentrale Abiturprüfung. Das klingt eher nach Sozialismus als nach Freiheit und Föderalismus.

    • @Der Cleo Patra:

      Was ist dann Staatsgelenkte Wirtschaftspolitik von Habeck ??

      • @Günter Witte:

        Am ehesten antizyklische Finanzpolitik mit deficit spending im Konjunktur-Abschwung Keynes u.a.).

    • @Der Cleo Patra:

      Elemente einer zentralen Abiturprüfung gibt es bereits. Hat die FDP wohl nicht mitbekommen.



      Ich finde zu viel Föderalismus übrigens auch nicht hilfreich.

  • Alles wird sich ändern, nur die FDP nicht. Ideologisch komplett vernagelt. Ich hoffe das diese Gestallten nach der Bundestagswahl in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

    • @Andreas J:

      Eine Partei die sich nicht ändert ist doch genau das was alle wollen! Sie kritisieren hier was, was die Befürworter der Grünen bei den Grünen gerne wollen

    • @Andreas J:

      Die FDP ist ideologisch vernagelt - diese Eigenschaft hat sie als einzige Partei bestimmt ganz exklusiv :D

  • Erneuerbare Energie ist um einiges Günstiger als Fossilie/Atom Energie.... was versteht eine FDP daran nicht? Man könnte meinen es geht Ihnen nicht um Marktwirtschaft sondern um Klüngel, Klientel. Alles ist Recht, solange es gegen die Grünen geht.



    Die FDP hat nichts anzubieten. Sie wird nie Teil einer Lösung sein, sondern ist ein Teil des Problems.

    • @HoboSapiens:

      Der allergrößte Teil Erneuerbarer Energie ist aber volatil.

      • @Der Cleo Patra:

        Das ist irrelevant, denn da hilft folgendes:



        1. Ausbau der Stromspeicherkapazitäten (man kann sich diesbezüglich Hilfe in den USA oder China holen)



        2. Die Kapazitäten verdreifachen.

        • @Aurego:

          Dann ist sie aber nicht mehr "um einiges günstiger".

        • @Aurego:

          "Die Kapazitäten verdreifachen."

          Dunkelflaute heißt:

          Dreimal Null ist immer noch Null.

          Und das ist keine Theorie, das erleben wir inzwischen ständig ...

  • Reiche reicher machen lohnt sich nicht. Arme ärmer auch nicht.

    • @kommentomat:

      Beides in Kombination lohnt sich aber, weil der Betrag, um den die Reichen noch reicher werden können, viel größer ist als das, was die Armen verlieren können.

      Wenn Sie Sarkasmus in meinem Betrag finden, bieten Sie ihn auf Ebay an!

  • Oh ja, super! Das Geld nehme ich gerne, das die FDP mir als "Besserverdienenden" zuschachern will. Nur was mache ich damit? Den monatlichen Sparplan auf meinen S&P500 ETF erhöhen? Ausgeben werde ich es sicher nicht, jedenfalls nicht für irgendwelchen Konsum. Ich werde mir deshalb auch kein neues Auto kaufen, schon gar keinen Verbrenner aus deutscher Produktion. Darauf sollte die FDP gar nicht hoffen. Und meine Stimme bekommt sie bei der anstehenden Wahl auch nicht. Ich kann mir notfalls auch Parteien wie die Grünen leisten. Was ich nicht brauche, sind "Liberale", die nichts bis zum Ende durchdenken und Reißaus nehmen, sobald es schwierig wird. War ja nicht das erste Mal.