Wahlkampfdebatte im Bundestag: Bundeskanzler Molz? Kein Scherz!
Die Regierungserklärung ist der Auftakt zum Wahlkampf. Olaf Scholz hält sich mit Attacken auf Friedrich Merz zurück, der wiederum schont die Grünen.
Schon die vorgelagerte Geschäftsordnungsdebatte über die Tagesordnung auf Antrag der AfD geriet zum Aufwärmsparring, eine halbe Stunde verging bis zum Hauptact. Wie hart würde Scholz seinen Herausforderer angreifen, welche sozialdemokratische Erzählung für den Wahlkampf skizzieren? Und mit welchem Plan konterte Merz? Um es vorwegzunehmen: Olaf Scholz hielt nicht die stärkste Rede seines Lebens, aber auch Merz blieb unter den Erwartungen. Markus Söder gab einen passablen Sidekick. Und Robert Habeck musste ganz passen – der Regierungsflieger war kaputt. Bleibt also spannend.
Scholz verteidigte nochmals seine Entscheidung, die Ampel zu beenden, als im „Grundsatz richtig“. Gefühlt in einem anderen Zeitalter, tatsächlich aber erst vor eine Woche, entließ er am 6. November den FDP-Finanzminister und verkündete, die Vertrauensfrage zu stellen. Nach einwöchigem parteipolitischem Hickhack steht fest: Neuwahlen finden am 23. Februar statt.
Scholz vermied es, seinen Herausforderer namentlich zu nennen, arbeitet sich auch nicht mehr an Christian Lindner ab. Er skizzierte stattdessen die großen Herausforderungen, vor denen das Land stünde: der Krieg in der Ukraine, die drohende Eskalation in Nahost und die angekündigten Strafzölle der künftigen US-Regierung unter Donald Trump. Geht es nach Scholz, werden die Menschen am 23. Februar darüber entscheiden, ob „wir unser Land zusammenhalten“, ob äußere, innere und soziale Sicherheit zusammengebracht werden oder nicht. „Ich will vermeiden, dass es zu Verteilungskämpfen jeder gegen jeden kommt“, versprach der amtierende Kanzler und designierte SPD-Kanzlerkandidat. Man ahnt also, auf welche Erzählung die SPD im Wahlkampf setzt: Sicherheit und Zusammenhalt.
Merz: Scholz international ein Leichtgewicht
Voraussetzung für ein solches Versprechen bleibt der Knackpunkt, an dem auch die Ampel zerbrach: die Schuldenbremse zu reformieren und zunächst die Ausgaben für die Unterstützung der Ukraine – rund 12 Milliarden Euro allein in diesem Jahr – aus dem Haushalt herauszurechnen. „Die Sicherheit der anderen darf nicht gegen die Sicherheit unserer Bevölkerung ausgespielt werden“, sekundierte später SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und stellte sich demonstrativ hinter den Kanzler. Er sei der richtige. Ein Wink auch an jene in der SPD, die da Zweifel haben, und ein Versuch, das „Grummeln“ in den eigenen Reihen zu unterbinden.
„Die Debatte um ein Entweder-oder führe das Land in die Irre“, erwärmte Scholz dann doch die Herzen und Hände der sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten, eine solche könnten sich nur Leute leisten, „die nicht rechnen müssen“. Es blieb der einzige indirekte Angriff auf Friedrich Merz.
Der parierte nicht so zurückhaltend, nannte Scholz’ Regierungserklärung „eine Geisterstunde“ und erklärte den Kanzler zum „Leichtgewicht“ auf internationaler Bühne. „Glauben Sie mal nicht, dass Sie noch irgendeine Autorität im Weißen Haus besitzen“, höhnte Merz, halb Staatsmann, halb Bierzeltredner. Auch Merz nannte die drohenden Strafzölle als Herausforderung. Seine Antwort, wie darauf reagiert werden solle, blieb aber vage.
Jedenfalls nicht mit „noch mehr Protektionismus“. Stattdessen müsse man die Ärmel aufkrempeln, den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen und Steuern und Abgaben für Haushalte und Unternehmen senken. Es ist das altbekannte Mantra von Steuersenkungen für die einen gepaart mit mehr Druck auf die anderen. Außerdem will Merz in der Energiepolitik umsteuern – „Weg von Wind und Sonne, weg von der Wärmepumpe hin zu einem technologieoffenen Konzept“. Er kündigte zudem eine härtere Gangart beim Thema Migration an, mit Zurückweisungen an der Grenze. Mit ähnlichen Forderungen stellte sich auch FDP-Chef Christian Lindner an die Seite der Union – und auch der „Zukunftsplan für Deutschland“, den AfD-Chefin Alice Weidel für die ersten hundert Tage einer angestrebten Regierungsbeteiligung präsentierte, war inhaltlich ziemlich deckungsgleich. Eine kalkulierte Avance, sowohl Merz als auch Söder wiesen diese scharf zurück. „Weder vorher noch nachher wird es eine Zusammenarbeit geben“, so Merz.
Am Anfang von Söders Rede klatschte selbst die SPD
Auch Söder teilte, als er schließlich um 15.23 die Bühne für sich hatte, zunächst gegen „die da“ als „Handlanger Putins“ aus, da applaudierte selbst die SPD. Viel zu klatschen hatten die Genoss:innen dann doch nicht. Scholz habe Deutschland Schaden zugefügt, tönte Söder, nun brauche es eine „starke Führung für Deutschland, eine neue Mentalität, mehr Fleiß und Pünktlichkeit“. Man merkte, der Mann wäre selbst gern Kanzlerkandidat geworden.
Dass sich die Union noch mal so zerstreiten könnte wie 2021, bleibt aber wohl eine vage Hoffnung der SPD. Söder betonte am Ende: „Der Regierungsauftrag liegt bei uns und einem Bundeskanzler Friedrich Merz.“ Nutzte aber noch mal die Gelegenheit, kräftig gegen die Grünen auszuteilen, speziell gegen den abwesenden Habeck, „der droht den Deutschen an, in ihre Küchen zu kommen“. Hihi. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann parierte mit „betreuter Kanzlerkandidatur.“
Merz hörte sich das geduldig an, er weiß, dass er sich im Falle eines Wahlsieges alle Optionen offenhalten und wohl sowohl mit Grünen als auch mit der SPD sprechen muss.
Ein Hauch von Koalitionsverhandlungen lag an diesem Mittwoch auch im Raum. Merz bot Grünen und SPD an, bis zur Bundestagswahl noch gemeinsam Vorhaben auf die Tagesordnung zu setzen, bei denen man sich einig sei, um „denen da“ – gemeint war die AfD – keine zufälligen Mehrheiten zu verschaffen. Dazu zählt unter anderem das Gesetz, das die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts stärken soll und welches der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit beschließen muss.
Allerdings zeigte dieser Mittwoch auch, dass die Hoffnung auf „klare Mehrheiten, die die Bundestagswahl hervorbringen soll“, wie sie Merz vorschwebt, wohl trügerisch sein könnte. Für den Antrag zur Geschäftsordnung stimmten die Gruppen von Linke und BSW gemeinsam mit der AfD. Und die letzteren beiden Parteien könnten sogar gestärkt aus der Wahl hervorgehen.
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