WHO sieht Ende der Pandemie: Gut gemeint, falsch gesagt
Der Chef der Weltgesundheitsorganisation hat mit seiner Rede vom Ende der Coronapandemie danebengegriffen: Es ist noch nicht vorbei.
W er jetzt vom Ende der Pandemie spricht, sollte sich im Klaren über die Folgen sein. Insbesondere gilt das für den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. Denn wenn der oberste Gesundheitsaufseher der Welt auch nur andeutet, das Ende der Pandemie sei nahe, dann knallen auch in Deutschland die Korken. Pandemie zu Ende, weg mit den Maßnahmen, Schluss mit dem Rücksichtnehmen.
Es ist dann ganz egal, ob mit „Ende“ nur eine Chance gemeint war, ein Ausblick. Es spielt auch keine Rolle, dass Tedros seinem Satz ziemlich eindringliche Warnungen folgen ließ. Zum Beispiel die, dass übereilt beendete Maßnahmen das Ende der Pandemie gefährden. Dass nächste Varianten die Sterblichkeit emportreiben und neue Sorgen schaffen können. Dass es letztlich darum geht, genau jetzt eben nicht nachzulassen und alle Maßnahmen fallen zu lassen, sondern zu impfen, zu schützen, noch einmal Solidarität zu zeigen. All das hat Tedros gesagt, übrig geblieben davon ist bei vielen trotzdem nur: Das Ende der Pandemie ist da.
Es ist aber nicht da. Es wird auch nicht kommen, nur weil es doch jetzt endlich mal Zeit dafür wäre. Sogar eine gesunkene Sterblichkeit hilft wenig, wenn sich wegen fehlender Maßnahmen im Herbst wieder Millionen Menschen infizieren. Es werden erneut Tausende sein, die sterben. Und Long Covid macht zwar nicht tot, aber existenziell krank. Ganz abgesehen davon, dass massive Arbeitsausfälle durch Corona-Erkrankungen erhebliche Konsequenzen für die ganze Gesellschaft haben.
Tedros hat deshalb von einem Marathon gesprochen, bei dem man kurz vor dem Ziel nicht aufhören dürfe zu laufen. Ein schönes Bild. Das Schlimme aber ist, dass Deutschland in diesem Bild seit Kilometer 20 auf dem Bordstein sitzt und das Ende des Rennens abwartet.
Besser wäre es, jetzt wieder mitzulaufen. Mit Impfungen und Maßnahmen, mit Abstand und gegenseitiger Rücksichtnahme. Nur so kann das Ende dieser Pandemie greifbar werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist