Vorwürfe gegen UN-Flüchtlingshilfswerk: Die UNRWA überflüssig machen
Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge ist auf kurze Zeit nicht zu ersetzen. Mit einer politischen Lösung wäre das Ende der UNRWA machbar.
P ünktlich zum Ende der Woche schickt das UN-Hilfswerk für palästinensische Geflüchtete (UNRWA) einen Spendenaufruf – wie immer seit Beginn des jüngsten Kriegs im Gazastreifen. Dieser Tage hat der Aufruf und der dramatische Hinweis auf die katastrophale humanitäre Lage von rund zwei Millionen Menschen in dem Küstengebiet jedoch einen schalen Beigeschmack. UNRWA-Mitarbeiter sollen in den brutalen Überfall der Hamas verwickelt gewesen sein und die Terrormiliz unterstützt haben.
Die israelische Regierung hat Beweismaterial ihrer Geheimdienste an US-Medien durchgestochen. Es geht um die unmittelbare Beteiligung an dem Massaker vom 7. Oktober und um rund 10 Prozent aller UNRWA-Angestellten, die Verbindungen zur Hamas haben sollen. Bekannt ist, dass neben den Terroristen auch Zivilisten am 7. Oktober gemordet, geplündert, israelische Bürger:innen verschleppt haben. Nicht belegt ist hingegen eine direkte Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern.
Die Dokumente, die den israelischen Geheimdiensten vorliegen, sind nicht veröffentlicht und einige Aussagen widersprüchlich, wie ein aktueller Bericht von Sky News zeigt, der nun nicht mehr von zwölf mutmaßlich Beteiligten spricht, sondern nur noch von sechs Personen. Tatsächlich kommen die Anschuldigungen nicht überraschend, gibt es doch seit Jahren Diskussionen über Lehrbücher, die antisemitische Hassbilder in UNRWA-Schulen verbreiten.
Gemessen an den rund 13.000 Mitarbeitern der Organisation ist die Anzahl der Menschen, die die Hamas unterstützen, aber offenbar doch recht gering. Der Einsatz von Hilfsorganisationen in Krisengebieten ist bedingungslos zu akzeptieren. Das gebietet die Menschlichkeit. Und zugleich birgt die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern immer auch ein Restrisiko. So auch im Gazastreifen, in dem das UNRWA einer der größten Arbeitgeber ist. Wohin fließen Gelder? Wer unterstützt welche Milizen?
Über Jahrzehnte gewachsene Strukturen
Natürlich muss es Kontrollmechanismen geben, um einen Missbrauch der Hilfsgelder auszuschließen. Sollten die UNRWA-Geberländer ihre Zahlungen nicht umgehend wieder aufnehmen, droht ein Massensterben. Das betrifft auch die Bundesregierung, die zu Recht auf eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe drängt. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini leitete Untersuchungen ein. Was einfach klingt, ist derzeit schlichtweg nicht machbar.
Eine sofortige Übergabe an andere Organisationen ist allein aufgrund der über Jahrzehnte gewachsenen Verteilungsstrukturen in Gaza nicht möglich. Sie zu ersetzen, bräuchte Zeit. Zeit, die die palästinensische Zivilbevölkerung nicht hat. Die größte Herausforderung aber ist, den UNRWA-Auftrag zu reformieren. Zentral ist das verankerte Rückkehrrecht aller palästinensischen Geflüchteten. Wohin? Dafür gibt es derzeit keinen validen Plan, der politisch gedeckt wäre.
Seit 1949 – mit der Gründung des UNRWA – hängen palästinensische Geflüchtete am Tropf internationaler Organisationen. Nicht nur im Gazastreifen und der Westbank, sondern auch in Syrien, im Libanon und andernorts. Eine Integration in die jeweiligen Sozialsysteme der Staaten war dort nicht gewollt. Eine Aufnahme der palästinensischen Flüchtlinge für immer war nicht geplant, nicht von den meisten Gaststaaten und noch weniger von der PLO.
Unersetzlicher Rettungsanker
Das Ende des UNRWA ist da, wenn es zu einer wie auch immer gearteten Zweistaatenlösung kommt, also zur Gründung eines palästinensischen Staats, in dem die Geflüchteten und ihre Nachfahren leben könnten, wenn sie sich dazu entscheiden. Aus israelischer Sicht ist dieser Plan vom Tisch, doch gerade in diesen Wochen drängen vor allem die USA und auch Deutschland auf die Zweistaatenlösung.
Den Druck auf Jerusalem aufrechtzuerhalten und eine diplomatische Lösung voranzutreiben, ist das Gebot der Stunde. Solange das nicht passiert, gilt, was das Hilfswerk in seinem Aufruf schreibt: Die Menschen in Gaza sind abhängig vom UNRWA, ihrem unersetzlichen Rettungsanker.
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