Vor der Wahl in Frankreich: Es gilt die Trennlinie „Frexit“
Der Wahlkampf in Frankreich nimmt eine bizarre Fahrt auf. Es geht nicht mehr um rechts und links, sondern zunehmend gegen die EU.
Der einzige Kandidat, der sich noch traut, mit den Errungenschaften und Perspektiven der politischen Integration Europas Wahlkampf zu machen und in seinen Veranstaltungen EU-Sternenbanner schwenken zu lassen, beansprucht für sich die Mitte: Exwirtschaftsminister Emmanuel Macron.
Der Konservative François Fillon versucht eine Gleichgewichtsübung: Ausgehend von seiner Analyse, dass die EU in der „Sackgasse“ steckt, wünscht er eine Konzentration auf die Euro-Zone und zugleich neue Prioritäten in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung. Tiefgreifende Änderungen, die an die Substanz der EU gehen, will auch der Sozialist Benoît Hamon.
Die übrigen Kandidaten stehen der EU, zumindest in ihrer heutigen Form, sehr kritisch bis offen ablehnend gegenüber. Während Außenseiter wie Nicolas Dupont-Aignan, François Asselineau oder Jacques Cheminade klipp und klar einen Austritt aus der EU, aus dem Euro oder auch aus der Nato fordern, drohen der Linke Jean-Luc Mélenchon und auf der Gegenseite die Rechtsextreme Marine Le Pen mit einer „Frexit“-Abstimmung, falls die europäischen Partner nicht einer Totalrevision der EU-Verträge zustimmen, die Frankreich mehr Selbstbestimmung gewähren und von der Haushaltsdisziplin des Stabilitätspakts befreien sollen. Beide tragen mit ihrer Taktik der Erpressung mit einem eventuellen Frexit einer widersprüchlichen öffentlichen Meinung Rechnung.
Laut der letzten Untersuchung in Les Echos denken 37 Prozent Befragten, die EU-Mitgliedschaft bringe mehr Nachteile als Vorteile, 31 Prozent sagen das Gegenteil. Der fast gleichgroße Rest (32 Prozenten) denkt, Vor- und Nachteile würden sich etwa die Waage halten. Beim Euro dagegen ist eine klare Mehrheit von 72 Prozent für dessen Beibehaltung und gegen eine Rückkehr zum Franc.
Ganz offensichtlich ist es aber für die meisten Kandidaten effizienter einen Frexit als Lösung für Frankreichs Probleme zu verkaufen. Der Tonfall der Kampagne wird durch die Skepsis gegenüber einer Erneuerung der EU geprägt. Dies erklärt für Le Monde, dass man in Brüssel und Berlin die zunehmend EU-skeptische Dynamik des Wahlkampfs mit größter Sorge verfolge. Denn ein Sieg der EU-Gegner in Frankreich wäre nach dem Brexit wohl der Todesstoß für die Gemeinschaft.
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