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Vor der InnenministerkonferenzScharfe Töne gegen Klimaprotest

Die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen machen die „Letzte Generation“ zum Thema ihrer Konferenz – und prüfen, ob sie ihre Polizeigesetze verschärfen.

Hart gegen den Klimaprotest: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in einem Polizeifahrzeug Foto: Matthias Balk/dpa

Berlin taz | Die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation machen eine Woche Protestpause, die politische Debatte über die Gruppe aber läuft weiter – umso mehr nach der Flughafenbesetzung in Berlin. Nun wird der Protest auch Thema auf der am Mittwoch beginnenden Innenministerkonferenz (IMK) in München.

Straftaten wie die Straßenblockaden seien „nicht hinnehmbar“, erklärte Bayerns Innenminister und IMK-Gastgeber Joachim Herrmann (CSU) am Montag. „Das ist kein legitimes Mittel des Protests.“ Darüber sei man sich „über Parteigrenzen hinweg“ einig. Herrmann kündigte an, man werde „mit allen rechtlichen Möglichkeiten solche Taten strafrechtlich verfolgen, aber auch präventive Maßnahmen ergreifen“, um andere Bür­ge­r:in­nen vor den Protesten zu „schützen“. Was das heißt, machte Bayern zuletzt bereits vor: Es steckte knapp 20 Blo­ckie­re­r:in­nen fast einen Monat lang in Präventivgewahrsam. Erst am Samstag kamen sie wieder frei.

Auch Herbert Reul (CDU), Innenminister von NRW, sagte der taz, friedlicher Klimaprotest an sich sei „völlig legitim und verständlich“. „Gleichzeitig sehen wir neue Gruppen, die offenbar anderes im Sinn haben und Straftaten begehen, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen“, so Reul. „Davon darf sich der Staat nicht unter Druck setzen lassen, sondern muss genauso konsequent dagegen vorgehen wie sonst auch.“

Ebenfalls Druck macht Berlin, Hochburg der Proteste. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will auf der IMK einen eigenen Antrag einbringen, in dem ein „geeintes, länderübergreifendes Vorgehen“ gegen die Blockade- und Klebeaktionen eingefordert wird. „Die Letzte Generation nimmt die Gefährdung Dritter bewusst und gewollt in Kauf“, erklärte Spranger.

„Ich kann nur eindringlich davor warnen, diesen Weg der Eskalation weiterzugehen.“ Auch Berlin werde „sämtliche rechtsstaatliche Mittel ausschöpfen“, um gegen Straftaten vorzugehen. Spranger fordert zuletzt auch, festgenommene Ak­ti­vis­t:in­nen länger als die bisher erlaubten 48 Stunden in Gewahrsam nehmen zu können.

Innenminister droht mit Präventivhaft

Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) drohte den Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen jüngst Präventivhaft an, der in seinem Bundesland bis zu sechs Tage lang möglich ist. Sachsen wiederum reagierte zuletzt mit Hausdurchsuchungen auf eine Klebeaktion an der Sixtinischen Madonna im Sommer in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden.

Aufgesucht wurden mehrere Häuser in Leipzig, Greifswald und Berlin, gut 60 Beamte waren im Einsatz – obwohl dei beiden Ak­ti­vis­t:in­nen offen aufgetreten waren. Angetroffen bei den Razzien wurde niemand: Einer der Blockierer saß in bayrischer Präventivhaft.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Proteste und vor allem die Flughafenblockade scharf kritisiert. Letztere sei „eine erneute Eskalation und absolut inakzeptabel“.

Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang lehnt eine Beobachtung der Letzten Generation durch sein Amt bisher ab. Die Flughafenaktion sei zwar eine „neue Eskalationsstufe“, teilte seine Sprecherin am Montag mit. Und die Gruppe begehe auch Straftaten, diese seien aber nicht per se verfassungsfeindlich.

Staatsanwaltschaft: keine kriminelle Vereinigung

Und zumindest in Berlin bleibt auch die Justiz zurückhaltend. Dort hatte die Generalstaatsanwaltschaft zuletzt geprüft, ob die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung ist. Dem sei nicht so, sagte ein Sprecher der taz. Insgesamt wurden bisher aber inzwischen 856 Verfahren wegen Aktionen der Gruppe in Berlin geführt – 298 führten zu Strafbefehlen und 24 zu Geldstrafen.

Zu der Flughafenaktion ermittelt inzwischen das LKA Brandenburg. Gegen die sechs Blockierer wird etwa wegen gefährlichen Eingriffs in den Flugverkehr, Störung öffentlicher Betriebe oder Sachbeschädigung ermittelt. Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) erklärte, er prüfe angesichts der Proteste eine Verschärfung des Polizeigesetzes.

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11 Kommentare

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  • Als Kind habe ich immer gerne die Augsburger Puppenkiste gesehen. Die Wirtschaftsbosse - die ja letztendlich für den Klimawandel verantwortlich sind - mögen anscheinend die Augsburger Puppenkiste, mit den Marionetten die an Fäden hängen, auch sehr gerne.

    Nach dem jüngsten Bericht des Club of Rome werden die Treibhausgas-Emissionen 2030 ihren Höhepunkt erreichen, und ab da wird ein sich selbst verstärkender Klimawandel ausgelöst. Wenn unsere Politiker nichts tun, dann müssen eben die jungen Menschen handeln. Das nennt man übrigens Demokratie. Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung (2021 war das noch die GroKo) als in Teilen verfassungswidrig erklärt und damit den Klimaschutz in Deutschland gestärkt. www.bundesverfassu...24_1bvr265618.html

  • So manches ist nicht hinnehmbar. Am wenigsten hinnehmbar ist jedoch, wenn bestehende Gesetze nicht angewendet werden und stattdessen stetig weitere Gesetze verabschiedet werden, die am Ende der Kette nicht bei dem greifen, das angeblich gemeint wurde, sondern lediglich die grundlegenden Rechte der Allgemeinheit.

  • Sie sollten aus der Eskalation der Klimakatastrophe aussteigen, anstatt diejenigen verantwortlich zu machen, die die Nachricht überbringen.

  • Nach diesen mMn beim aktuellen Stand der Klimakatastrophe absolut rechtzufertigen Aktionen fängt also die Exekutive an zu eskalieren. Da wird einem ja Angst und Bange was beim Überschreiten der 2 Grad Grenze passiert.

  • Zumindest zeigt die LG so recht deutlich auf, wo in diesem Staat die Prioritäten liegen. Wer noch glaubt diese und andere Industriegesellschaften wären fähig auf die selbstgemachte Klimakatastrophe adäquat zu reagieren, kann sich von dieser Idee ja mal langsam verabschieden und für sich entsprechende Konsequenzen ziehen.

  • Hoffentlich werden dann in Zukunft die Bauern auch in vorbeugegewahsam genommen, wenn die Tracker mal wieder alle Bundestrassen blockieren.



    solte die Staatsanwaltschaft nicht tätig werden, erfolgt eine Anzeige von meiner Seite. gleiches REcht für Alle, oder so ähnlich!

    • 0G
      05867 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Die Bauern-Aktivisten, die mit ihren Treckern ja gleiche mehrere Großstädte tagelang blockiert haben, schützen allein ihren Gewinn.



      Das wird hierzulande toleriert. Kein Mensch fragte je danach, ob durch die Blockaden in Berlin, Hamburg und anderswo Menschen durch behinderte Rettungsaktionen zu Schaden gekommen sind.



      Die LG Generation streitet hingegen für das Überleben der Gesellschaft. Ihnen geht es nicht um Geld und Rendite, sondern um‘s Überleben.



      Da wird staatlich nicht toleriert oder gar unterstützt. Stattdessen sollen diese Aktivisten nun ins Gefängnis…

  • Kann bitte einer der Frau Spranger mal erklären was Rechtsstaalichkeit dedeutet sie hat da nämlich keine Ahnung.



    "SCHUTZ DES BÜRGERS VOR STAATLICHER WILLKÜR Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass Regierung und Verwaltung nur im Rahmen bestehender Gesetze handeln dürfen. Die Bürgerinnen und Bürger werden so vor staatlicher Willkür, Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen geschützt."



    Quelle: BMZ

    • 6G
      659428 (Profil gelöscht)
      @pablo:

      Also ich hoffe ja, das Spranger und Giffey nach der Wahl arbeitslos sind.



      Als es die letzten Jahre ständig Angriffe auf Flüchtlingsheime gab hätte ich doch gern mal gehört, dass man „mit allen rechtlichen Möglichkeiten solche Taten strafrechtlich verfolgen, aber auch präventive Maßnahmen ergreifen“ wird. Aber jetzt auf ein paar Jugendliche draufhauen weil es die Umfragen hergeben.

      Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette.

      Die Moderation

  • Straftaten wie 48 Mio Provision für das Vermitteln teilweiser untauglicher Masken sind hinzunehmen. Oder wie das trotz Warnung unterschriebene Mautabkommen, macht kaum mehr als 500 Mio. (ach so, galt nicht als Straftat)



    Warum kostet Schwarzfahren (ca 1 qm Raum ohne Ticket) 60 Euro und damit mehr als das Blockieren einer Feuerwehreinfahrt, welches doch eine nicht nur reale, sondern auch vorsätzliche Behinderung von Rettungskräften werden kann. Kostet 55 Euro. erst mit Behinderung eines Einsatzfahrzeuges unglaubliche 100 Euro. (ach so, gilt nicht als Straftat, nur als Ordnungswidrigkeit).



    Wiederholungstäter beim Schwarzfahren landen im Knast - ich hatte mal von einem Obdachlosen, der sich vor Winterkälte und Schneeregen schützen wollte, erfahren: 2 Jahre für 43 mal Schwarzufahren. Na , da sind unsere Klebe-Aktivisten ja gut dran, nur 60 Tage fürs erste. Und bei Schneeregen klebt der Sekundenkleber eh nicht.

    Letzthin las ich: ein Multimillionär hat einen ökologischen Fußabdruck wie eine Million durchschnittlicher Menschen.



    Schon nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen hält, dass drei Multimillionäre einen Weltraumflug gemacht haben, der eine war der erste, der andere ist aber 90 m höher geflogen. Andere kleine Buben pinkeln um die Wette.

    Ich weiß nicht, wie man so viel Ungerechtigkeit bei sich selbst übersehen kann und nicht schon morgens beim Blick in den Spiegel das große Kotzen kriegt.

  • Innenminister scheint ein Risikoberuf zu sein: es scheint kognitive Schäden zu verursachen.