Von Polizei getötete Sonya Massey: Nach Hilferuf erschossen

Die Schwarze Sonya Massey wurde in ihrem Haus in Illinois von der Polizei per Kopfschuss getötet. Vizepräsidentin Kamala Harris äußerte sich zum Fall.

Donna Massey weint um ihre Tochter Sonya während einer Demonstration vor dem Sangamon County Building in Springfield, Illinois

Donna Massey weint um ihre Tochter Sonya während einer Demonstration vor dem Sangamon County Building in Springfield, Illinois Foto: Thomas J. Turney/reuters

In den USA ist es erneut zu einem Fall von Polizeigewalt gekommen. Erneut war eine schwarze Frau das Opfer. Erneut wurde ein weißer Polizist des Mordes angeklagt. Bei einer Verurteilung erwartet den Polizisten eine Gefängnisstrafe von mindestens 45 Jahren. Der Vorfall ereignete sich bereits am 6. Juli. Am Montag veröffentlichten die Behörden dann das Videomaterial, das von den Bodycams der Beamten aufgezeichnet wurde.

Doch der Reihe nach. Um kurz vor 1 Uhr am Morgen des 6. Juli wählte die 36-jährige Sonya Massey den Polizeinotruf, um zu melden, dass sich eine Person in der Nähe ihres Hauses herumtreiben soll. Massey lebt in einem Vorort von Springfield im US-Bundesstaat Illinois. Zwei Polizisten, darunter der 30-jährige Sean Grayson, nahmen sich der Sache an. Sie erreichten die angegebene Adresse und suchten das Gebiet rund um Masseys Haus ab. Sie konnte jedoch keine verdächtige Person ausfindig machen.

Soweit reine Routine. Die Situation nahm jedoch ihren unheilvollen Verlauf, nachdem Massey die Tür öffnete und mit den beiden Polizisten zu reden begann. In dem Video ist zu sehen, wie eine sichtlich desorientierte Frau die Polizisten mit den Worten, „Bitte tut mir nicht weh“, begrüßt. Weitere Aussagen von Massey ergeben keinen Sinn. Warum Grayson und ein weiterer Polizist kurz darauf Massey ins Haus begleiten ist nicht bekannt.

Veröffentlichte Bodycam-Aufnahmen zeigen Tathergang

Dort angekommen, fragen die Polizisten, ob sich Massey ausweisen könnte. Bislang verläuft weiterhin alles nach Plan. Die Situation eskalierte allerdings als Grayson anmerkt, dass auf dem Herd ein Topf über einer offenen Gasflamme stehe. Massey begibt sich daraufhin in die Küche und nimmt den Topf mit heißem Wasser vom Herd. Aus dem Nichts sagt sie dann: „Ich weise dich im Namen von Jesus zurecht“.

Diese Aussage bewegt Grayson anscheinend dazu, seine Polizeipistole zu ziehen. Danach geht alles ziemlich schnell. Grayson schreit Massey an, den Topf fallen zu lassen. Sie entschuldigt sich, duckt sich und dann fallen drei Schüsse. Einer davon triff Massey in den Kopf.

Die zweifache Mutter liegt tot auf dem Küchenboden. Weder Grayson noch sein Partner versuchen erste Hilfe zu leisten. Neben Mord wurde Grayson von einem Geschworenengericht auch wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Schusswaffe und Amtsverletzung angeklagt. Die beiden zusätzlichen Anklagepunkte führen Gefängnisstrafen von jeweils mindestens sechs und zwei Jahren mit sich.

Vizepräsidentin Harris äußert sich zum Fall

„Zu keinem Zeitpunkt zeigte dieser Angeklagte irgendetwas anderes als Gefühllosigkeit gegenüber menschlichem Leben“, sagte die erste stellvertretende Staatsanwältin Mary Beth Rodgers während einer Gerichtsanhörung vergangene Woche. Sie fügte hinzu, dass Grayson mit seinem Verhalten „seine Ausbildung als Polizeibeamter eindeutig ignorierte“. Grayson, der in allen Anklagepunkten auf nicht schuldig plädiert hat, sitzt aktuell in Untersuchungshaft.

Massey war laut ihrer Familie arbeitslos und hatte psychische Probleme, für die sie in Behandlung war. Grayson war erst seit Mai 2023 Mitglied des Sheriff’s Office in Sangamon County, der für den Landkreis mit etwas weniger als 200.000 Einwohnern zuständigen Polizeibehörde. Er wurde am vergangenen Mittwoch nach der offiziellen Anklage entlassen.

Vizepräsidentin Kamala Harris, die aktuelle Favoritin auf die Nachfolge von Präsident Joe Biden als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, sprach am Dienstag über den Vorfall und forderte den Kongress auf, eine Gesetzesvorlage zur Polizeireform endlich zu verabschieden.

Viele ähnliche Fälle in den vergangenen Jahren

„Die verstörenden Aufnahmen, die (am Montag) veröffentlicht wurden, bestätigen, was wir aus den Lebenserfahrungen so vieler Menschen wissen – wir haben noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass unser Justizsystem seinem Namen voll und ganz gerecht wird“, sagte Harris in einer Erklärung.

Masseys Name reiht sich in eine immer länger werdende Liste von schwarzen Frauen ein, die in den vergangenen Jahren von Polizeibeamten in ihren eigenen vier Wänden getötet wurden. Der bekannteste Fall ist der von Breonna Taylor, die im März 2020 in einem Kugelhagel der Polizei getötet wurde.

Laut dem Verteidiger von Masseys Familie hat auch das US-Justizministerium eine Untersuchung zum Tod von Sonya Massey eröffnet. Wann es zu einer Gerichtsverhandlung in dem Fall kommen wird, ist noch nicht bekannt.

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