piwik no script img

Volkskongress in ChinaEin Paukenschlag zum Schluss

Dritte Amtszeit für Xi Jinping, weniger Konsens und das Militär als „Mauer aus Stahl“:​ Mit dem Volkskongress endet in China endgültig die Reformära.

Musiker eines Militärorchesters stimmt sich auf die Abschlussveranstaltung des Volkskongresses ein Foto: Mark R. Cristino/epa

Peking taz | Als Xi Jinping am Montagmorgen in die Große Halle des Volkes trat, ermahnte er die knapp 3.000 Delegierten so deutlich wie selten zuvor und erinnerte an seine historische Vision. Erst mit der Gründung der kommunistischen Partei habe das Jahrhundert der Erniedrigung überwunden werden können, sagte der 69-Jährige in seiner Grundsatzrede. Nun werde man wieder nach alter Größe streben: „Die große Erneuerung der chinesischen Nation ist unumkehrbar“.

Mit solch patriotischer Rhetorik läutete der chinesische Staats- und Parteichef das Ende des diesjährigen Volkskongresses ein. Besonders ein Ausspruch wird von seinem Auftritt in Erinnerung bleiben: Xi kündigte an, seine Volksbefreiungsarmee zu einer „großen Mauer aus Stahl“ zu formen, um Chinas nationale Sicherheit zu gewährleisten.

Die Botschaft war klar: Früher konnten ausländische Kräfte das Reich der Mitte kolonialisieren und in die Knie zwingen, weil es militärisch und technologisch unterlegen war. Nun, da Xi erneut eine „Kampagne der Unterdrückung“ aus Washington wittert, müsse man alles dafür tun, dass sich die Geschichte nie mehr wiederhole.

Auch bei der sogenannten Taiwan-Frage machte Xi deutlich, dass Peking keine „ausländische Einmischung“ auf dem Weg zur „Wiedervereinigung“ dulde. Doch er scheute diesmal davor zurück, eine direkte militärische Drohung gegenüber dem demokratisch regierten Inselstaat auszusprechen.

Abschied vom Konsens

Wirklich neu war keine von Xis Kernbotschaften. Dennoch ist am Montag endgültig eine Reformära zu Ende gegangen, die der 1992 verstorbene Deng Xiaoping eingeleitet hatte, indem er marktwirtschaftliche Reformen zuließ, Partei und Regierung voneinander trennte und auch die Macht innerhalb der Regierung auf ein mehrköpfiges Führungsgremium verteilte. Nie wieder sollte es einen Alleinherrscher wie Mao Tsetung geben, der das Land in Chaos stürzte.

Xi Jinping hat sich nun von fast sämtlichen Prämissen verabschiedet. Nicht zuletzt hat er sich als erster chinesischer Staatschef seit Mao eine dritte Amtszeit zugesichert. Mehr noch: Er hat sich vom konsensbasierten Führungsmodell verabschiedet und nur mehr enge Verbündete in seine Führungsmannschaft geholt. Auch sein Persönlichkeitskult hat Orwellsche Maße angenommen.

Angesichts dessen war der erste öffentliche Auftritt der neuen Nummer zwei im Land bemerkenswert: Li Qiang, bis letzten Herbst Parteisekretär von Schanghai, gab am Montag seinen Einstand als neuer Regierungschef mit einer knapp anderthalbstündigen Pressekonferenz.

Der 63-Jährige ließ keinen Zweifel, dass er – obwohl überzeugter Xi-Loyalist – in seiner Gesinnung pragmatisch und marktwirtschaftlich orientiert ist. Seine Rhetorik bediente keine nationalistischen Ängste, stattdessen sprach Li vergleichsweise offen und in einigen Punkten selbstkritisch die realen Probleme der Bevölkerung an.

Mehrfach versuchte der neue Regierungschef ganz direkt, internationale Investoren zu beschwichtigen – wohl um den Eindruck zu vermeiden, dass die ideologisch motivierte Lockdown-Politik der letzten Jahre sich wiederholen könne. Die Regierung solle sich bemühen, ein „freundliches Geschäftsumfeld zu schaffen und sich um private Unternehmer kümmern“, sagte er.

Auch gegenüber den USA stimmte er einen moderaten Tonfall an: Die beiden größten Volkswirtschaften seien wirtschaftlich eng miteinander verbunden und würden von ihrer gegenseitigen Entwicklung profitieren. „China und die USA können und müssen zusammenarbeiten“, sagte Li Qiang. Damit setzte er sich deutlich von Xi Jinpings jüngster Aussage ab, dass die USA und weitere Länder Chinas Aufstieg „eindämmen“ wollten.

„Konflikt und Konfrontation“

Tatsächlich betreibt US-Präsident Joe Biden eine harte Industriepolitik gegen die Volksrepublik, die jüngst in Technologie-Sanktionen gipfelte. Doch gleichzeitig unterbindet Xi mithilfe seines flächendeckenden Zensurapparats jegliche Debatte über die dahinter liegenden Gründe: Noch als Barack Obama eine offene Hand Richtung Peking streckte, „dankte“ es die Volksrepublik ganz und gar nicht – im Gegenteil: Sie verstieß gegen internationales Recht und annektierte Teile des Südchinesischen Meers.

Auch dass die USA 2001 die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) begrüßten und zudem maßgeblich beim rasanten wirtschaftlichen Aufstieg des Landes halfen, möchte man in Peking dieser Tage am liebsten vergessen.

Stattdessen weht gegenüber Washington ein ganz anderer Wind. Das hat der neue Außenminister Qin Gang beim Volkskongress eindrücklich bewiesen: Wenn die Vereinigten Staaten ihre falsche China-Politik fortführen, sagte der ehemalige US-Botschafter, dann wären die Folgen „sicherlich Konflikt und Konfrontation“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • es zerreißt mich innerlich, wenn ich dabei in diesem Zusammenhang an die Uiguren und andere Minderheiten denken muss!

  • Leider schließt sich Europa dem Konfrontationskurs der Falken aus Washington an und steuert auf die nächste Krise zu, die das Leben der Menschen in der EU nochmals beeinträchtigen wird. Zur Zeit fehlen Politiker in der EU, die andere Länder verstehen wollen und nicht mit den moralischen Scheuklappen eigener Maßstäbe beurteilen. Eine friedliche Zukunft auch und insbesondere unter dem Aspekt der Klimakrise ist nur möglich, wenn der Westen anerkennt, dass es keine Bipolarität mehr geben kann.