Veto im UN-Sicherheitsrat: Skrupelloses Kräftemessen
Rund 2,8 Millionen Syrer sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Doch Russland und China versperren den Weg. Eine Alternativlösung muss dringend her.
D em Veto Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat gegen die Hilfslieferungen an Syrien gehen diplomatisch-strategische Überlegungen voraus. Die Zivilgesellschaft spielt dabei keine Rolle. Beide Staaten bemühen sich um die Normalisierung des Regimes von Baschar al-Assad und verweisen auf die Souveränität Syriens. Bereits im Januar hieß es, ausländische Hilfen seien nicht notwendig, da Assad die Kontrolle wiedererlangt habe.
Es soll der Anschein erweckt werden, der Krieg sei beendet. Völlig außer Acht lassen China und Russland, dass die Coronakrise das durch den Krieg geschwächte Land zusätzlich schwer trifft. Die hohe Inflation macht Brot, Seife oder Medikamente für die Menschen nahezu unerschwinglich. Dabei war die deutsch-belgische Resolution schon ein Kompromissangebot an Moskau.
Bereits im Januar wurden zwei der vier Grenzübergänge infolge des russischen Widerstandes geschlossen. Sämtliche Hilfsgüter laufen seither über Damaskus. China und Russland legen es darauf an, die UN bei den Hilfsleistungen auszubremsen, um sich selbst als neue Großmächte zu etablieren und Assad in seiner Macht zu festigen. Auch im Nachbarland Libanon möchten Russland und China als globale Player mitspielen. Das Land durchlebt eine schwere Wirtschaftskrise.
Als Antagonisten zum westlichen Internationalen Währungsfonds locken China und Russland mit Finanzspritzen. Damit treffen sie auf fruchtbaren Boden bei der libanesischen Regierung, die als Hisbollah-nah und deshalb Assad-freundlich gilt. Es ist gut, dass die UN dafür kämpft, dass Nahrungsmittel und Medikamente direkt bei den Betroffenen ankommen. Allerdings begibt sie sich, um nicht an Einfluss zu verlieren, in ein fatales Ost-West-Kräftemessen.
Ginge es wirklich um die Hilfen für knapp 2,8 Millionen Syrer*innen, so müssen die Diplomat*innen eine Alternativlösung für Lieferungen finden – zum Beispiel unter dem Mantel stabilisierender Maßnahmen der Anti-IS-Koalition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste