Verzweifelter Arbeitskampf in Sachsen: Aussperrung statt Tarifvertrag
180 Tage haben Beschäftigte einer Recyclingfirma gestreikt. Jetzt werden sie ausgesperrt. Bitter für die IG Metall!

E s ist ein trauriger Rekord. 180 Tage haben die Schrotterinnen und Schrotter im sächsischen Espenhain gestreikt. Doch das war’s jetzt. Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall hat kein glückliches Ende gefunden – auch wenn die Gewerkschaft, um ihre Niederlage nicht eingestehen zu müssen, noch davon spricht, ihn nur „unterbrochen“ zu haben.
Das ganze Gerede der vergangenen Wochen über die angeblich ins Unermessliche gestiegene Macht der Gewerkschaften und das vermeintlich allzu arbeitnehmer:innenfreundliche deutsche Streikrecht hat sich vor einem Werkstor südlich von Leipzig als Demagogie der Arbeitgeberlobby enttarnt. Nicht einmal die zahlreiche Politprominenz bis hin zum sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, die die Streikenden besucht hat, hat ihnen mehr als folgenlose Schulterklopferei eingebracht.
Dabei waren ihre Forderungen alles andere als revolutionär. Die Beschäftigten wollten nicht mehr als einen Tarifvertrag, der dafür sorgt, dass sie nicht länger mehrere Hundert Euro im Monat weniger als ihre Kolleg:innen in vergleichbaren Betrieben im Westen verdienen und dafür auch noch länger arbeiten müssen.
Das bittere Ergebnis: Dem Arbeitgeber SRW metalfloat reicht es nicht, die Streikenden mit seiner Hartleibigkeit zermürbt zu haben, er verweigert ihnen jetzt auch noch die Wiederaufnahme der Arbeit. Zunächst bis zum 31. Mai werden sie ausgesperrt. Diese Demütigung bedeutet für die rund 90 Betroffenen, weiterhin keinen Lohn zu erhalten, sondern auf das deutlich niedrigere Streikgeld der Gewerkschaft angewiesen zu sein. Das ist hart für Menschen, deren Stundenlohn ohnehin nur knapp über dem Mindestlohn liegt.
Hinter der SRW metalfloat in Espenhain steckt ein chinesischer Konzern. Mit US-amerikanischen Kapitalisten wie Elon Musk (Tesla) oder Jeff Bezos (Amazon) hat er gemeinsam, nichts von deutschen Sozialpartnerschaftsmodellen zu halten. Gewerkschaften und Tarifverträge sind ihnen ein Gräuel. Weder die IG Metall noch Verdi haben bislang eine Antwort gefunden, wie sie diesen Kulturkampf gewinnen können.
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