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Vertrauliches Bundeswehr-GesprächMinisterium prüft russische Spitzelei

Eine Vertraute Putins veröffentlicht eine Aufnahme, auf der deutsche Luftwaffen-Offiziere zu hören sein sollen. Sicherheitspolitiker zeigen sich alarmiert.

So tief lässt die Bundeswehr blicken: ein Tornado-Kampfjet bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa

Berlin/Moskau dpa | Nach der russischen Veröffentlichung eines mutmaßlichen Mitschnitts einer Bundeswehr-Besprechung hat der Grünen-Sicherheitspolitiker Konstantin von Notz Aufklärung gefordert. „Sollte sich diese Geschichte bewahrheiten, wäre das ein hochproblematischer Vorgang“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Es stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturelles Sicherheitsproblem handelt. Ich erwarte umgehende Aufklärung aller Hintergründe.“

Die Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, hatte am Freitag einen Audiomitschnitt des rund 30-minütigen, möglicherweise abgehörten Gesprächs veröffentlicht. Darin sollen ranghohe Offiziere der Luftwaffe zu hören sein, wie sie über theoretische Möglichkeiten eines Einsatzes deutscher Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine diskutieren.

Das deutsche Verteidigungsministerium prüft nun, ob die Kommunikation im Bereich der Luftwaffe abgehört wurde. „Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) hat alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums am Freitag mit. „Zum Inhalt der offenbar abgehörten Kommunikation können wir nichts sagen.“

An dem Gespräch soll unter anderem der Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz teilgenommen haben, es soll der Vorbereitung auf eine Unterrichtung für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gedient haben. In dem in der Audiodatei zu hörenden Austausch geht es unter anderem um die Frage, ob Taurus-Marschflugkörper technisch theoretisch in der Lage wären, die von Russland gebaute Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zu zerstören. Ein weiterer Punkt im Gespräch ist, ob die Ukraine den Beschuss ohne Bundeswehrbeteiligung bewerkstelligen könnte. Allerdings ist in dem Mitschnitt auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt.

Brisant ist, dass die Rede davon ist, dass die Briten im Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer an die Ukraine gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper „ein paar Leute vor Ort“ hätten.

Verärgerung in Großbritannien über Scholz

Gerade erst hatte es in Großbritannien Verärgerung über eine Äußerung von Kanzler Olaf Scholz gegeben, die ihm von einigen als Indiskretion ausgelegt wurde. „Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden“, sagte der SPD-Politiker. Was er genau damit meint, ließ er offen. Der Satz wurde aber von einigen als Hinweis verstanden, Franzosen und Briten würden die Steuerung ihrer an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp mit eigenen Kräften unterstützen. Ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak dementierte das umgehend: „Der Einsatz des Langstreckenraketensystems Storm Shadow durch die Ukraine und der Prozess der Zielauswahl sind Sache der ukrainischen Streitkräfte.“

Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagte dem ZDF mit Blick auf die Veröffentlichung: „Man muss davon ausgehen, dass das Gespräch ganz gezielt durch Russland zum jetzigen Zeitpunkt geleakt wurde in einer bestimmten Absicht. Diese kann nur darin liegen, eine Taurus-Lieferung durch Deutschland zu unterbinden.“ Russland wolle Scholz abschrecken, indem man „öffentlich zeigt, wie tief Russland die deutschen Entscheidungsvorbereitungen dazu bereits aufgeklärt hat“. Kiesewetter vermutete zudem: „Dieses Bundeswehr-Leak kann ein russischer Versuch sein, die öffentliche Debatte wegzulenken von den Wirecard-Enthüllungen und der Beerdigung von Alexej Nawalny.“

Bundeskanzler Scholz hat mehrfach betont, dass er gegen die von Kiew wiederholt geforderte Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine ist. Er begründete dies mit der Gefahr, dass Deutschland in den von Russland begonnenen Angriffskrieg hineingezogen werden könnte.

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37 Kommentare

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  • Wir sollten in der Tat mehr über Marsalek und die moskautreuen Knallkapitalisten und Fossilis reden, mehr über Nawalny.

  • @TROLL EULENSPIEGEL

    Wenn die Teamspeak einsetzen, dann können sie auch gleich TikTok nehmen :-)

  • Oh ist das peinlich, Herr Pritorius. Oder was das Absicht? Von wem auch immer im Haus.

  • Der Inhalt des Gesprächs (ich hab mir das angehört) beschreibt einen ganz normalen Vorgang wie er tausendfach in Chefetagen vorkommt. Man bereitet sich auf ein Treffen mit dem Chef vor. 30 Minuten Zeit um eine komplexe Angelegenheit rüber zu bringen. Schlimm ist die Tatsache, dass die Russen uns vorführen wie kleine Hamster im Laufrad. Das muss Konsequenzen haben. Wer ist verantwortlich für die ungesicherte Kommunikation? Warscheinlich beamtet und kann nicht geschasst werden.



    So wie sich Scholz in der ganzen Taurus Angelegenheit verhält muss man fast schon davon ausgehen, dass der Kreml etwas in der Hand hat und ihn unter Druck zu setzt. Cum Ex Geschichten?

    • @maxwaldo:

      Verschwörungstheorien sind was schönes...

    • @maxwaldo:

      Verantwortlich ist ziemlich sicher mindestens einer der Beteiligten selbst. Wenn man sich mit einem zivilen Mobilfunktelefon in ein gesichertes Netz zu einer Telefonkonferenz einwählt, kann halt so ziemlich jeder mithören - egal wie gut gesichert das militärische Netzwerk ist, ich welches man sich eingewählt hat. Dann noch vertrauliche Themen zu besprechen ist grob fahrlässig - das ist der eigentliche Skandal.

      • @Nachtsonne:

        anschließe mich - bin im klein-klein nicht nicht gut in Kenne - ungesichert 📱 in gesichert 📱 geht gar nicht!



        Der Rest - Spekulatius

  • Die eigentlich Frage ist doch: Wann kommt der Bundesnachrichtendienst mit einer Aufnahme der Gespräche von russischen Generälen?

    Die Antwort ist natürlich, never.. nitschewo. .. die Ampel hat wohl andere Prioritäten und begreift anscheinend nicht dass sie gerade vor internationalem Publikum vorgeführt wird.

    • @Gerald Müller:

      Prioritäten kann man setzten. Allerdings muss so eine Abhöraktion nicht klappen. Wenn die russischen Generäle solche Besprechungen ganz analog bei einer Tasse Tee im abhörsicheren Bunker abhalten, wird das mit der Aufnahme kompliziert...

    • @Gerald Müller:

      Ohne mich da auszukennen würde ich mal annehmen, dass solch ein offener, gewollter Leak die seltene Ausnahme bei derartigen Diensten ist, da sie so ja die andere Seite Erkenntnisse über Mittel und Wege der Informationsbeschaffung gewinnen lassen.

      (Ach so, und mir war gar nicht klar, dass das schon öffentlich ist.)

  • Dann bin ich mal gespannt, wo man das Gespräch als erstes ganz oder weitgehend abgedruckt lesen kann. Was der Iwan schon weiß, muss auch der Michel wissen dürfen.

  • Können wir das jetzt bitte mal zum Anlass nehmen, um unseren "Cybersecurity"-Ansatz zu hinterfragen? So auf der Ebene Menscheit als Ganzes?

    Warum wird überhaupt irgendwo Software eingesetzt, über die man keine Kontrolle hat? Die man nicht auditieren kann?



    Wieso gibt es für sowas überhaupt ein gewinnträchtiges Geschäftsmodell?

    Und speziell in dieser Angelegenheit würde mich mal interessieren, wer eigentlich einen Inspekteur einer Teilstreitkraft wegscheppern darf.

    • @metalhead86:

      Weil viele Menschen "schlecht" sind.

  • Ich finde den Inhalt des Gesprächs bemerkenswert schlimm, egal wer das wie wo warum geleakt hat.

    • @Kay Brockmann:

      Was ist denn da schlimm dran. Das Gespräch angehört? Ich, ja.

  • Tja. Hätte die Bundeswehr lieber Linux benutzt, anstatt Windows.

    Je obskurer ein Programm, eine App oder ein Betriebssystem, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Hacker nicht wissen, wie man die Leute nun ausspionieren soll.

    WebEx... Lol, warum nicht gleich Teamspeak?

  • Bitte, ganz wichtig: es scheint, als hätten "unsere" Spezis einfach Gammelsoftware eingesetzt:

    "Das virtuelle Meeting der Offiziere fand dem Bericht zufolge [...] über die leicht abhörbare Plattform WebEx statt." [1].

    Wer solche Produkte einsetzt braucht keine Feinde.

    [1] www.tagesspiegel.d...aben-11301268.html

    • @tomás zerolo:

      Zoom muss man nehmen! Das ist made USA!

  • Es wird eigentlich nicht mehr abgestritten, dass das Gespräch bzw. das Meeting echt war. Die Frage ist, ob das Mithören oder der Inhalt der Gespräche skandalöser ist.

    • @Rolf B.:

      Was war denn daran skandalös?

    • @Rolf B.:

      Der Inhalt des Gesprächs? Bundeswehr Offiziere die ihren Job gemacht haben? Wo kämen wir denn da hin wenn andere auch damit anfangen. Mein Gott ein Staat der seine Aufgaben erfüllt. Gruselig.

    • @Rolf B.:

      Am Inhalt ist gar nichts skandalös, das war alles schon bekannt.

  • Gezielt geleaked! Nun haben die Russen also auch noch hellseherische Fähigkeiten beim Abhören und das Gespräch im Voraus geahnt. Der hoch brisante Inhalt scheint aber weniger wichtig zu sein, v.a. was den Einsatz von Nato-Angehörigen an den Waffen in der Ukraine betrifft.

  • Eigentlich müsste man sofort Vergeltung üben, in dem man einen Mitschnitt eines angehörten Telefonates zwischen russischen offiziellen veröffentlicht.

    Leider haben Schröder, Zeitgeist und das Bundesverfassungsgericht den BND zu einer Lachnummer gemacht, die unfähig ist, russische offizielle abzuhören.

    • @Suryo:

      Arbeitsteilung. Die NSA wird schon versuchen, mitzuhören 😉

      Und was den BND betrifft. Unser Verfassungsgericht ist nicht für die Lachnummer verantwortlich. Dafür ist die Unfähigkeit unserer Schlapphüte verantwortlich. Das BVG ist der wichtigste Schutz unserer Freiheit. Angriffe auf das BVG sind Angriffe auf unsere Demokratie.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das BVerfG hat entschieden, dass die Überwachung von Ausländern im Ausland an das Grundgesetz gebunden ist. Wenn der BND ein Gespräch zwischen russischen Militärs abhören will, kann er das nicht einfach, weil das gegen die deutschen Grundrechte verstoßen könnte.

        Weltfremder geht’s nicht. Das gibt es in absolut keinem anderen Land. Selbst die skandinavischen Länder lachen darüber.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Blöd nur, dass der BND eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hätte auch was den Schutz des BVGs vor Angriffen betrifft. Offensichtlich erfüllt er seine Aufgabe nicht. Totgespart, man braucht ja die Kohle für die allgemeine Umverteilung.

        • @maxwaldo:

          Alle schreien immer nach mehr Geld.

          Manchmal hilft aber auch einfach mehr Verstand. Wenn, wie im aktuellen Fall, ein leicht zu hackender Dienst für vertrauliche Besprechungen genutzt wird, fehlt es einfach nur an Verstand.

  • Russische Spitzelei? Naja, die haben einen Krieg begonnen und da läuft das nun mal so. Wundert das?



    Vielmehr ist doch der Euphemismus der Heeresleitung interessant: "Kulturwechsel bei Besprechungen" habe ich soeben gelesen. Per Handy aus Singapur und Bildschirmbesprechung mit leicht abhörbaren Apps. Das ist nicht nur dumm, sondern letztlich so fahrlässig, dass die mal belangen sollte juristisch. Das Problem ist die Unfähigkeit, Gedankenlosigkeit. Bei dem Personal kriegt man als Bürger einfach nur Angst.

  • Bei dieser "Veröffentlichung" ist erstmal ganz großes Misstrauen hinsichtlich der Echtheit angebracht. Inzwischen sollte jedem bekannt sein, welche Möglichkeiten nahezu jeder Interessierte heute hat, Ton- und Bild-/Filmaufnahmen mittels KI zu fälschen bzw. zu generieren. Welches Potential Russland als staatlicher Akteur in diesem Bereich hat, kann man sich vorstellen. Warum diese "Veröffentlichung" gerade jetzt in die deutsche Debatte hinein injiziert wird, ist offenkundig.

    • @Bussard:

      Es gibt mittlerweile glaubhafte Informationen, dass das Gespräch tatsächlich stattgefunden hat, und zwar mittels einer, als unsicher bekannten, Konferenzsoftware von Cisco. Wenn es stimmt, dann ist das nicht nur selten dämlich, sondern ziemlich verantwortungslos.

    • @Bussard:

      Das sieht anscheinend die Regierung etwas anders. Hier wird, Stand heute, von so einem Gespräch ausgegangen. Und da es nun schon mal "öffentlich" ist, hätte ich doch zu gerne gewusst über was hier geredet wurde.



      Im übrigen, sind auf der einen Seite, nicht nur die Bösen und auf der anderen Seite eben nicht nur die Guten. Hier wird gestichelt, gebohrt, abgehört und gelegentlich auch mal was veröffentlicht. Mich wundert eben nur, dass nicht mehr nachgefragt wird. In einer Demokratie sollte das schon üblich und möglich sein.

      • @Frankenjunge:

        " hätte ich doch zu gerne gewusst über was hier geredet wurde."

        Das können sie leicht selber herausfinden. Verlinken will ich das mal lieber nicht.

    • @Bussard:

      Der MAD hat es ja die Echtheit indirekt bestätigt und gestern wurden zahlreiche Social Media-Konten gesperrt durch deutsche Behörden um die Verbreitung zu verhindern.

    • @Bussard:

      Nun, dann könnte die Bundeswehr ja die Echtheit der Veröffentlichung dementieren. Wenn das nicht geschieht, wird es schon wahr sein.

    • @Bussard:

      Natürlich muss man vorsichtig sein, weil man heute fast alles fälschen kann. Allerdings wird hier:

      www.spiegel.de/pol...-be1d-74629501eb2a

      erwähnt, dass die Aufnahme von Experten für echt gehalten wird. Und wenn es stimmt, dass WebEx bei der BW für solche Gespräche genutzt wird, ist das nur eine weitere Peinlichkeit auf der langen Liste unserer Streitkräfte.

  • Das auch die Russen Spionage betreiben sollte keine Überraschung sein.