Politische Kommunikation im Krieg: Dilemma der Öffentlichkeiten

Dort „der Wähler“, da „die Verbündeten“ und nicht zuletzt Putin – bei Waffenlieferungen ist es schwer, den richtigen Ton zu treffen. Auch für Scholz.

Muss vielen Seiten gerecht werden: Scholz Foto: Michael Kappeler/dpa

Diesen Mittwoch war gut zu hören, was die CDU einmal an Armin Laschet hatte. Das war der Unions-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021, inzwischen fast vergessen. Laschet jedenfalls, morgens im Deutschlandfunk befragt, was er von Olaf Scholz’ Umgang mit der Ukraine und dem Taurus-Marschflugkörper halte, sagte: „Ich habe seine Zurückhaltung immer richtig gefunden, dass er sehr behutsam in diesem Krieg agiert, dass er genau überlegt, welche Konsequenzen das alles für Deutschland haben kann.“ Er sagte es sogar zweimal, garniert mit einer Besinnungspause. Balsam! Da denkt jemand über Verständnis für Nachdenklichkeit nach, und noch dazu bei der Union!

Nicht, dass ich der scharfen, spöttischen, meinetwegen auch ätzenden Töne schon überdrüssig wäre. Nach den langen Jahren der Merkel-Halbnarkose müssen sich viele wahrscheinlich immer noch an den Sound einer streitfreudigeren Demokratie gewöhnen. Bei der Diskussion über Krieg und Frieden, Militär und Waffen allerdings fangen wir inhaltlich wie stilistisch ja ziemlich weit vorne an, und dabei nehme ich diese Zeitung nicht aus.

Zumal der Verlauf der Ukraine-Diskussion zeigt, wie anspruchsvoll die Aufgabe für PolitikerInnen ist, die drei Öffentlichkeiten gleichzeitig zu bedienen haben. Da ist einmal die vertraute inländische Bühne – „der Wähler“. Dann gibt es die Nato – „die Verbündeten“. Und nicht zuletzt ist da noch Putin, dem niemand in die Hände spielen wollen sollte, dem an der Demokratie gelegen ist.

Der Kampf um Glaubwürdigkeit treibt den Preis hoch

Als Olaf Scholz am Montag auf der „Chefredakteurskonferenz“ der Nachrichtenagentur dpa zu sprechen ansetzte, wollte er erkennbar Weitreichendes loswerden. Unglücklicherweise knetete er unablässig den Schaumstoff seines Mikros, und dazu beschloss die Dachfensterautomatik, sich quietschend zu öffnen. Doch gut verständlich blieb, dass Scholz den Taurus-Marschflugkörper nicht an die Ukraine liefern will, weil er anders als England und Frankreich keine eigenen Soldaten zur Zielerfassung einzusetzen beabsichtige – weder in Deutschland noch in der Ukraine. Dies sei eine Kriegsbeteiligung, die er ausschließen wolle.

Damit hatte Scholz also endlich öffentlich begründet, wo er den Haken an der Taurus-Lieferung sieht (inländisch gefordert) – hatte andererseits aber auch verraten, dass Briten und Franzosen stärker im Krieg mitwirken, als die Welt vielleicht wissen soll (Natopartner vergrätzt). Außerdem aber hatte er Deutschland in einer Art festgelegt, die Russlands Präsident noch verwenden könnte (Putin genutzt).

Man kann jetzt alle Unterpunkte noch strittig stellen, und das ist vergangene Woche auch ausführlich geschehen. Aber deutlich wird doch, dass der Kampf um Glaubwürdigkeit daheim an anderer Stelle den Preis hochtreibt. Wer umgekehrt sagt, „ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ (Dank an den früheren Innenminister Thomas de Maizière für dieses unsterbliche Bonmot aus der Sicherheitspolitik), kommt damit innenpolitisch nicht mehr weit.

Es hilft auch nichts, zu beklagen, dass nur die deutsche Öffentlichkeit jede Schraube an jeder Lenkwaffe öffentlich behandelt wissen will, während anderswo die Staatenlenker halt Kriegsgerät bestellen oder schicken, wie es ihnen dünkt.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Es wäre ein merkwürdiger Wunsch, dass die demokratische Öffentlichkeit doch bitte weniger Transparenz verlangen und aufs Detail nicht mehr so achten möge. Allerdings wäre es, je länger der Ukraine-Krieg dauert, umso sinnvoller, anzuerkennen, welches Kommunikationsdilemma sich stellt, wenn die Demokratie von außen bedroht wird.

Schon deshalb finde ich die besser temperierten Töne zum Thema gerade so erholsam.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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