Verteidigungsministerin will hinwerfen: Rücktritt auf Raten
Sie ist umstritten und angezählt: Nun gibt es Hinweise, dass Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ihr Amt bald niederlegen will.
Das Verteidigungsministerium gibt sich bisher bedeckt zu den Veröffentlichungen. Ein Sprecher erklärte am Freitagabend, dies seien Gerüchte, die nicht kommentiert würden.
Die Liste von Lambrechts Misserfolgen ist lang. Zuletzt sorgte sie mit einem missglückten Silvestervideo für Schlagzeilen. Lambrecht hielt darin eine wenig empathische Rede zum Krieg in der Ukraine und zu ihren persönlichen Erfahrungen, im Hintergrund flogen die Silvesterraketen. Unvergessen auch ein Foto ihres Sohnes im Bundeswehrhubschrauber. Die Wogen schlugen hoch, als seine Mitreise bekannt wurde. Hinzu kommen Probleme im Beschaffungswesen der Bundeswehr und bei der Bereitstellung von Kriegsgerät für die Nato-Verbündeten. Das Desaster um den Schützenpanzer Puma wurde zu einer weiteren Schramme in Lambrechts angeschlagenem Image.
Mit Beginn des russischen Angriffkriegs auf die Ukraine hat das Verteidigungsministerium enorm an Bedeutung gewonnen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) versprach ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das die militärischen Einheiten aufrüsten sollte. Dem Geldregen wurde Lambrecht nicht gerecht, und aus dem Traum, die Streitkräfte zu modernisieren, wurde ein Albtraum.
Union hält Rücktritt für überfälllig
Mitte Dezember hatte Kanzler Scholz seine Verteidigungsministerin noch in Schutz genommen. „Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin“, sagte Scholz damals der Süddeutschen Zeitung. „Über manche Kritik kann ich mich nur wundern.“ Es gehe jetzt darum, die Bundeswehr langfristig zu stärken und sie verlässlich mit Waffen und Munition auszurüsten.
Jetzt will Lambrecht trotzdem hinschmeißen. Wenig überraschend hält die Union ihren Rücktritt für überfällig. „Der Kanzler hat zu lange an ihr festgehalten und muss die Unsicherheit jetzt schnell beseitigen. Das können vor allem die Soldaten erwarten“, sagte Unionsfraktionsvize Wadephul dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Schnell heiße, an diesem Wochenende.
In der Tat stehen aktuell wichtige Entscheidungen an, bei denen das Verteidigungsministerium eine entscheidende Rolle spielt. Dazu gehören natürlich die Lieferungen von militärischem Gerät und Ausrüstung an die Ukraine und die Debatte um die Unterstützung mit Leopard-2-Panzern. Am 20. Januar wollen sich die westlichen Verbündeten erneut im sogenannten Ramstein-Format treffen, um über weitere Lieferungen und Hilfen zu sprechen. Ein Pflichttermin für eine Verteidigungsminister*in.
Wer folgt auf Lambrecht?
Wer könnte Lambrecht nachfolgen? Im Gespräch ist immer wieder die derzeitige Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD). Auch der Name Lars Klingbeil fällt mehrfach. Klingbeil ist Bundesvorsitzender der SPD. Allerdings dürfte seine Personalie aus Paritätsgründen nicht in Frage kommen. Der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki stellt sogar eine größere Kabinettsumbildung in den Raum.
Eine mögliche Neubesetzung des Verteidigungsministeriums obliege dem sozialdemokratischen Koalitionspartner, sagte Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Es wäre diesmal gut, wenn dieses immens wichtige Ministerium von jemandem geführt wird, der das nötige Hintergrundwissen mitbringt.“ Er könne nicht bewerten, ob Kanzler Scholz eine größere Kabinettsumbildung erwäge. „Allerdings muss er auch zur Kenntnis genommen haben, dass manch ein sozialdemokratisch besetztes Ressort in der öffentlichen Wahrnehmung nicht das allerbeste Bild abgibt.“
Lambrecht hatte das Verteidigungsministerium mit dem Start der Ampel-Regierung im Dezember 2021 übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel (CDU) Bundesjustizministerin gewesen, nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt.
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