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Verschärfung der StraßenverkehrsordnungKnöllchen statt Führerscheinentzug

Kürzlich wurde die Straßenverkehrsordnung verschärft. Prompt will der Verkehrsminister härtere Strafen für Temposünder zurücknehmen.

Andreas Scheuer hat ein Herz für Raser Foto: Action Pictures/imago

Berlin taz | Ein Vorstoß von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Strafen für Raser abzumildern, sorgt für Ärger. Der Minister wolle vor der Lobby der „Hardcore-Automobilisten“ kuschen, sagte der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) warnte: „Es muss endlich Schluss damit sein, dass der Staat die Verfehlungen von Autofahrenden milde lächelnd durchwinkt.“

Scheuer plant, die gerade erst verschärften Strafen für Verkehrsverstöße zurücknehmen. Seit zwei Wochen droht bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 Stundenkilometer in Städten ein einmonatiges Fahrverbot. Außerhalb der Städte droht bei 31 Stundenkilometern zu viel: Lappen weg. Die Regeln sind Teil der novellierten Straßenverkehrsordnung (StVO), die Ende April in Kraft trat.

„Wir sehen dies als unverhältnismäßig an“, sagte der Minister am Freitag. Die Verordnung habe für „Aufregung“ gesorgt. In einer Online-Petition gegen die „Führerschein-Falle“ sprachen sich über 140.000 AutofahrerInnen gegen die Verschärfung der Regeln aus. Der Bund kann jedoch nicht allein entscheiden.

Scheuer sagte, er wolle nun „auf die Länder zugehen und bitten, dies wieder auf den alten Stand zu bringen“. Bei der alten Regelung wurde der Führerschein erst bei 31 km/h zu viel in den Städten und 41 km/h außerorts kassiert. Im Gegenzug, kündigte Scheuer an, wolle er das Bußgeld für zu schnelles Fahren von derzeit 80 Euro auf 100 Euro erhöhen. Im Herbst könne es zu einer Änderung kommen.

Schneller als es der Polizei gefällt

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnte: „Überhöhte Geschwindigkeit ist mit das größte Todes- und Verletzungsrisiko auf den Straßen hierzulande.“ Bei Tempo 70 statt 50 innerorts verdopple sich zum Beispiel der Bremsweg.

Der Fahrradverband ADFC betonte, „abschreckende Bußgelder für drastische Geschwindigkeitsüberschreitungen – inklusive der Androhung eines Fahrverbots – sind essenziell, um die Menschen in den Städten und Wohngebieten vor Auto-Rasern zu schützen“.

Das Gros der Änderungen in der Straßenverkehrsordnung waren von BranchenexpertInnen gelobt worden. Sie sollten vor allem der Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern dienen.

Geschwindigkeitsverstöße würden nun jedoch „unverhältnismäßig hart bestraft“, hieß es von Seiten des Autoclubs ADAC. Im Bundestag drängten am Freitag FDP und AfD auf eine rasche Überarbeitung des Bußgeldkatalogs. Bei der neuen StVO seien „Maß und Mitte“ verloren gegangen, kritisierte die FDP-Abgeordnete Daniela Kluckert.

„Wir haben ein Fähnchen im Wind als Verkehrsminister“, sagte dagegen der Grüne Stefan Gelbhaar. Niemand sei gezwungen, zu schnell zu fahren, betonte die SPD-Politikerin Bela Bach. Die Linke-Abgeordnete Sabine Leidig warf Scheuer einen „Kniefall“ vor den Autofans vor.

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35 Kommentare

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  • Interessant zu sehen, in welchen Punkten Rechte/Konservative Law and Order wollen und in welchen nicht.

  • der deutsche autofahrer weiß,...

    daß bei verkehrsverstößen in den nachbarländern drastische strafen drohen.

    da hilft ihm auch kein adac !

    also verhält er sich regelkonform.

  • Dieser Scheuer bedient damit die Besitzer der 1000 PS Bugattis.

  • Ich verstehe das nicht - wo war denn der Herr Minister während der Gesetzeslesungen dass ihm das erst jetzt auffällt ?

    Ich bin mir nicht sicher .... ist das in Berlin jetzt noch ein Kindergarten oder schon ein Kasperl'theater ?

  • Wer wählt eigentlich jedesmal diese Partei und ihre politischen Vertreter ?



    Ernsthaft. Der eine will immer die Wirtschaft unterstützen und nicht etwa direkt das Leben etwas lebenswerter ( Grundrente was für ein Witz), der andere möchte jetzt wieder ebenfalls Geld über Leben stellen indem er gerade erst beschlossene Regeln wieder aufweicht. Aber eventuell gibt es noch Hoffnung auf eine beispielsweise einkommensabhängige Variante des Bußgeldes .



    Dummerweise ist meine Hoffnung bereits überfahren wurden.

  • Nun braucht der Herr Scheuer immer noch die Zustimmung der Länder im Bundesrat, die die ursprüngliche Verschärfung reinformuliert haben. Bin gespannt, was er ihnen anbietet. Am Ende wird es nur ein weiteres Ablenkungsmanöver vom Mautdesaster (da gab es gerade mal wieder Berichte über Beeinflussung von Zeugenaussagen ministerieller Mitarbeiter...)

  • Wie lange darf ein Andreas Scheuer eigentlich noch für das Amt eines Verkehrsministers üben? Zieht ihn endlich aus dem Verkehr - aber bitte dauerhaft!

  • "Bei der neuen StVO seien „Maß und Mitte“ verloren gegangen". Damit ist sicherlich die neue Planung gemeint, wo FDP und AfD gemeinsam als neue Rechte im Bundestag halt an einem Strang ziehen. Da kommt halt (wieder) zusammen, was schon bei der Gründung rechts war... .

  • "Bei der neuen StVO seien „Maß und Mitte“ verloren gegangen, kritisierte die FDP-Abgeordnete Daniela Kluckert."

    In der Schweiz werde ich ab 16 km/h Innerorts und 21 km/h Außerorts zu schnell angezeigt, da geht es mit 1 Monat Fahrverbot und 250 Franken zwingend im Bussenkatalog los und in Deutschland ist angeblich "Maß und Mitte" verloren gegangen...

    • @Sven Günther:

      Und besser noch: Die Höhe des Bußgeldes kann vom Einkommen abhängig gemacht werden. Sodass es auch sehr Reiche, die über ein paar hundert Kröten nur lachen, wirklich schmerzt. M. W. gab es Fälle, bei denen Raser hundertausende von Fränklis abdrücken mussten.



      Kein Wunder, dass die ihre fetten Karren so gerne im benachbarten Deutschland ausfahren; linke Spur, full speed und superdicht auffahren, mit Lichthupe und empörtem Gestikulieren.

      • @Ruhig Blut:

        Wir brauchen eine deutsche Form der Via Secura!

        "Weniger Todesopfer und Verletzte auf den schweizerischen Strassen. Das ist das Ziel von Via sicura, dem Handlungsprogramm für mehr Sicherheit im Strassenverkehr. Das Parlament hat das Verkehrssicherheitspaket Via sicura am 15. Juni 2012 angenommen."

        www.astra.admin.ch...it/via-sicura.html

        Weniger Todesopfer und Verletzte, das müsste der Scheuer Andi mal als Ziel im Parlament durchsetzen.

        • @Sven Günther:

          Ja, das wär was. Nur beim Scheuer Andi und all seinen Spießgesellen, völlig irre Vorstellung.

      • @Ruhig Blut:

        …und wenn sie dabei gestoppt werden, mitunter wenig Einsicht: „Dracksdütsche Pollizischt? Kchonn mirr goarr nix sohgä!“

        • @Ruhig Blut:

          Meine KollegInnen sprechen zwar suisse romand, aber natürlich gibt es auch da solche Leute, die nach Deutschland zum rasen kommen, zu viel PS und zu wenig Hirn.

  • Find ich gar nicht soooo falsch. Zumindest nicht generell.

    Ich bin in den letzten 10 Jahren in einen einzigen Blitzer gefahren. Auf einer Landtraße irgendwo in der schwäbischen Provinz. Und das nicht weil ich rasen wollte, sondern weil ich in einer Woche rund 4000 km gefahren bin und das Schild schlicht übersehen habe.

    Darf nicht passieren, wäre aber genau der Wert gewesen, wo ich jetzt meinen Führerschein abgeben müsste. Das würde mich am Ende einen kompletten Monatsverdienst kosten, da ich in meinem Job auf die Karre angewiesen bin.

    Viel sinnvoller würd ich eine Gehalts- bzw. Vermögensabhängige Sanktionierung finden. Dann triffts nämlich auch die, die bewußt und permanent knapp 20 drüber sind, weil die Strafen für sie nur Peanuts sind.

    Und nein, ich bin weder ein aggressiver Fahrer, noch Autofan, noch finde ich härtere Strafen generell falsch. Die meisten neuen Regelungen halte ich für gut und Leute, die Blitzer sammeln, darf man gern noch eher aus dem Verkehr nehmen.

  • Ja, der Scheuer! So genial! Wie er es immer wieder schafft, soviel Wirbel zu erzeugen, um die Starken vor den Schwachen zu schützen. Er ist ein Musterbeispiel für Ablenkungskompetenz, die auf deutschem Boden an trumpsche Genialität heran reicht! Ein Denkmal sollte für ihn errichtet werden. Seine Intelligenz ist so, so groß! Wie er den E-Scootern den Weg geebnet hat, während sein Maut-Desaster offensichtlich wurde, muss man einfach nur als super duper Wharprakete für angewande CSU Verkehrspolitik in historischer Tradition feiern.

    Wer an seinem sehr, sehr großen verkehrspolitischen Sachverstand gezweifelt hat, wird durch sein timing für die "Freie Fahrt für 140000 freie Bürger" begeistert sein. Just an dem Tag, an dem der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) sich für ein Tempolimit 130 auf Autobahnen ausgesprochen hat. Worüber die Presse kaum berichtete! Genial, einfach nur genial, dieser großartige Verkehrsminister!

    Make Absurdistan great again!

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Es ist ein Skandal das dieser Idiot überhaupt noch im Amt ist!

  • Viele Autofahrer sind nicht über Bußgelder beliebiger Höhe erreichbar, sie reagieren jedoch auf Fahrverbote. Also werden diese gebraucht.



    Unter den einschlägigen Gegnern einer verhaltensändernden StVO-Regelung befindet sich der ADAC. Den wird man im Wesenskern nicht ändern können („Freie Bürger fordern freie Fahrt“). Jedoch sollte ein jeder, der von ADAC-Mitgliedschaften im Freundes- oder Verwandtenkreis weiß, sich einmischen und darauf drängen, dass diese beendet werden.



    Zu oft wird Mitgliedschaft oder Geschäftsbeziehung als private Entscheidung angesehen, die man nicht kommentiert. Dabei ist jeder, der meint sich nur für einen ADAC-Schutzbrief entschieden zu haben, ein passiver Unterstützer aggressivster Mobilitätspolitik.



    Also fangt an im privaten Umfeld zu schreien, wenn Ihr seht, dass Onkel A. die „Motorwelt“ liest, dass Freundin B Strom von Vattenfall bezieht und dass Heilpraktiker C ein Konto bei der Deutschen Bank hat.

  • Leider kommt mein Kommentar nicht ohne einen Verweis auf die Corona-Maßnahmen aus.



    Dort zählt zumindest argumentativ jedes Menschenleben um das gleichermaßen gekämpft werden muss. Hier ist es jetzt wurscht Innenstadt mit Zebrastreifenund 71 km/h und höheres Risiko.



    Dort wird die Wirtschaft runtergefahren für die "Volksgesundheit" (sorry, das Verblendungs-Wort wollte ich jetzt einfach mal nehmen) hier jetzt wegen Berufsausübung bzw. Gehaltsausfall Toleranz für Rumrasereien.



    Ich finds nur noch peinlich, dass die CDU damit durchkommen wird.

  • Auch das sollte einmal offen ausgesprochen werden:

    Ein Entzug der Fahrerlaubnis, der keine Unterschied zwischen arm und reich macht, ist unverhältnismäßig?

    Aber ein Bußgeld, daß Geldleute so bezahlen, als wäre es ein Trinkgeld im Restaurant, und daß gleichzeitig dort, wo es solche trifft, für die ohnehin die letzten 3 Tage eines Monats Problemtage sind, das ist dann Verhältnismäßig?

    Man kann ja je nach sozialer Stellung sehr geteilter Meinung sein. Ich sehe jedoch die Unverhältnismäßigkeit darin, daß politische Entscheidungen (fast) ausschließlich geldbeutelgerecht zugunsten der Reichen getroffen werden und dann scheinheilig als "zum Wohle des Volkes" verkauft werden.

  • Für ein angefahrenes Kind bedeutet der Unterschied zwischen Tempo 30 und Tempo 51 schlicht den Unterschied zwischen Leben und Tod.



    Wer meint, dass hier eine Führerscheinpause von einem Monat inadäquat ist, ist einfach nur ein A....loch.

  • Ich finde die 21 km/h zu niedrig. Mit ist es durchaus schon einmal passiert, dass ich Abends ein Tempo 30 Schild übersehen habe und mit 5kmh. Geblitzt wurde. Ich bin extra am nächsten Tag die Strecke nochmal entlang gefahren um zu schauen warum ich überhaupt geblitzt wurde und finde, dass das Schild unübersichtlich angebracht ist. Nichts destro trotz, habe ich die Strafe bezahlt, denn ich hätte es sehen können.



    1 Monat Fahrverbot wäre aber bei mir, als jemand der auf dem Land wohnt, gleichbedeutend mit einem Arbeitsplatzverlust und das kann es ja nicht sein.



    Also müsste man entweder für solche Härtefälle Regelungen treffen oder falls es diese gibt, sie entsprechend publik machen.



    Oder sollte zumindest auf 26kmh gehen. Dann hätte man zumindest einen Puffer auf das Fahrverbot, wenn man tatsächlich einfach mal ein Schild übersieht.



    Zumal es ja meine ich auch vorher schon Regelungen gab, dass Fahrverbote bei unter 31kmh Zuviel ausgesprochen wurden, wenn man innerhalb von 12 Monaten nochmal geblitzt wurde. (Wiederholungsfall.)

    • @TeTrucido:

      Nun, es ist offenbar wieder der Hinweis erforderlich, dass die "50" oder "30" (auf den runden weißen Verkehrsschildern mit dem roten Rand) n i c h t die Mindestgeschwindigkeit, sondern die zulässige H ö c h s t g e s c h w i n d i g k e i t angeben.

      Sie dürfen jederzeit langsamer aber nicht schneller fahren! Wenn sie auf dem Land wohnen und bei einem Fahrverbot ihren Job verlieren könnten, dann sollte das allein genug Grund sein, sich den Unterschied zwischen Höchst- und Mindestgeschwindigkeit zu merken. Das ist leichter, als einen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen.

  • Besonders schön war das Bekenntnis in einem TV Inerview "Autofahrer wären ja in der Stadt mit den vielen Schildern überfordert, hier 50, dann 30, dass kann doch keiner alles sehen"..... Vielleicht waren die Worte nicht genauso, aber sehr ähnlich. Dazu muss man eigentlich nichts mehr sagen. Das er nicht gefordert hat, endlich das Tempo 30 abzuschaffen ist alles.

  • Einmal eine nicht bescheurte Handlung und sofort zurueckwedeln. Kann der nichteinmal statt auf Lobby auf Experten hören ?

    Ich sag dazu nur: Führerscheinkampagne



    Klarer Kopf. Klare Regeln!



    Gerechtigkeit - Verhältnismäßigkeit - Sicherheit

  • Ich finde einen Monat Fahrverbot viel gerechter als 100€ Geldstrafe, die sind nämlich für manche viel und für andere nix.

    • @Mustardman:

      Das kann man auch kombinieren...

  • Hört, hört. Ein Minister hört auf's Volk. Heißt das, wenn wir 140000 Unterschriften für autofreie Innenstädte zusammenbekommen, wird Scheuer uns den Wunsch erfüllen? Oder für Tempo 100 auf Autobahnen?

    • @Stephan Herrmann:

      Wenn der Mann zu seinem Wort stünde, ja. Aber hey, wir reden hier von Herrn Scheuer... .

    • @Stephan Herrmann:

      Nein, in dem Falle zeigt er dann "Rückgrat"...

    • @Stephan Herrmann:

      Ja, bitte!

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Ich halte nix davon.



    Nix vom vorher.



    Nix von der Korrektur.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Mir fehlt wie schon bei Ihrem Lommentar zu Herrn Kemmerich etwas mehr Inhalt hinter Ihrer lediglichen anderweitigen Sicht.



      Sie haben freilich das Recht dies so zu tun - aber ich frage mich was diese Beiträge tatsächlich beitragen. Ich meine wir sind ja nicht bei einer Abstimmung wo es auf Ablehnung oder Zustimmung ankommt.

      • @outsourced:

        Er ist eben ein JAIN-Sager - wasch mich, aber mach mich nicht nass!