Vergessen, das Mikro auszuschalten: AfD-Vorstand hofft auf Gaskrise
AfD-Politiker Harald Weyel sprach aus, was wohl viele Rechte denken. Dumm nur, dass die Aussage aufgenommen wurde. Jetzt rudert Weyel zurück.

Bei der Veranstaltung am Dienstagabend im Paul-Löbe-Haus mit dem Titel „Ein Winter ohne Gas“ ging es um die Gasversorgung, die Energiekrise sowie deren soziale Folgen. Zur Einschätzung des eingeladenen AfD-Politikers Helmut Waniczek, dass die Lage dramatisch werde, sagte Weyel: „Man muss sagen: hoffentlich. Wenn's nicht dramatisch genug wird, dann geht's so weiter wie immer.“
Weyel ist Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, gilt als Vertrauter Björn Höckes und beschäftigte in der Vergangenheit auch einen Mitarbeiter des rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“.
Ein Kollege in der Bundestagsfraktion, Rainer Kraft, scheint in der Aufnahme nicht sonderlich beunruhigt. Er sagt zunächst: „Ich brauch auch so'n Weizen“, und entgegnet dann auf die Äußerung von Weyel: „Ach, ja Harald, aber… das ist jetzt sehr unschön.“ Waniczek entgegnet: „Wenns nicht dramatisch wird, ist eh okay. Dann braucht's die AfD nicht.“
„Eigentlich hassen Afdler Deutschland“
Den kurzen Videoschnipsel hat der CDU-Abgeordnete Johannes Steiniger getwittert. Er schrieb dazu: „Wir hören, dass Harald Weyel hofft, dass die Situation im Winter sehr dramatisch wird. Die AfD zeigt wieder ihr unpatriotisches Gesicht. Eigentlich hassen Afdler Deutschland“, so der CDU-Politiker. Auch der Gesundheitsminister Karl Lauterbach twitterte dazu: „Wie zynisch die AfD ist. Man hofft auf einen dramatischen Winter, damit man mit der Not der Menschen Gewalt auf der Straße provozieren kann.“ Demokraten müssten in der Not zusammen halten, die AfD gehöre nicht dazu.
Tatsächlich kommt der Videoschnipsel für die AfD zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Die Partei will am Donnerstag im Haus der Bundespressekonferenz ihre Kampagne für den „Heißen Herbst“ vorstellen und entgegen der neoliberalen Agenda vieler AfD-Politiker soziale Themen von rechts besetzen.
Weyel ist innerhalb der AfD nicht allein mit seiner Hoffnung auf dramatische Verhältnisse: Es ist nicht das erste Mal, dass ein AfD-Abgeordneter mit solchen Äußerungen auffällt. Zuletzt hatte der als Putin-Propagandist kritisierte brandenburgische Abgeordnete Steffen Kotré in der Dokumentation „Eine Deutsche Partei“ vor laufender Kamera gesagt, dass vertiefte gesellschaftliche Gräben eine Chance für die AfD seien: „Je schneller es schlimmer wird, desto schneller kann es auch wieder besser werden“, sagte Kotré dort mit einem Bier in der Hand. Er wünsche sich das nicht, betonte er zwar, aber das sei halt ein Prinzip.
Noch deutlicher war in Vergangenheit der Pressesprecher der Bundestagsfraktion, Christian Lüth, der 2020 für seine Äußerungen entlassen wurde. Lüth war vor versteckter Kamera einer Pro7-Doku deutlich geworden: Der Bundesrepublik müsse es schlechter gehen, weil die AfD davon profitiere. Auf die Frage, ob er dafür wäre, dass noch mehr Migranten nach Deutschland kommen, antwortete Lüth damals: „Ja. Weil dann geht es der AfD besser. Wir können die nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal!“
Nachdem das aktuelle Weyel-Video viral ging, war die AfD-Fraktion um Schadensbegrenzung bemüht. Auf taz-Anfrage kommentierte Weyel sein Hoffen auf dramatische Zustände eher kleinlaut so: „Ich wollte meiner Befürchtung Ausdruck geben, dass nur eine Zuspitzung der sich abzeichnenden Krise dazu führen wird, dass die politisch Verantwortlichen endlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Krise zu bekämpfen.“ Weyel wünscht sich also angeblich nicht, dass sich die Krise verschärfe. Das klang in dem Video anders.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
+++ Die USA unter Trump +++
Trump entlässt den Generalstabschef der US-Streitkräfte
Regierungsbildung nach Österreich-Wahl
ÖVP, SPÖ und Neos wollen es jetzt miteinander versuchen
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf