Verfassungsklage der Unionsfraktion: Scholz' Hamburger Vergangenheit
Als Bürgermeister hat Olaf Scholz möglicherweise einer Skandalbank geholfen. Die Ampel verhinderte einen U-Ausschuss. Jetzt klagt die Unionsfraktion.
Konkret geht es um die Frage, warum das zuständige Hamburger Finanzamt 2017 auf die Rückforderung rechtswidrig erhaltener Steuererstattungen in Höhe von 47 Millionen Euro gegenüber der Skandalbank M.M.Warburg verzichten wollte. Es ging um Einnahmen der Bank aus den strafbaren Cum-Ex-Manipulationen, für die einige der Warburg-Manager inzwischen strafrechtlich verurteilt wurden. Damals hatte sich der Bankier Christian Olearius mehrfach mit Bürgermeister Scholz getroffen und vor einer Existenzbedrohung für die Hamburger Privatbank gewarnt.
Anschließend änderte das Finanzamt seine Haltung zugunsten der Bank und sah die Forderung als verjährt an. Scholz bestreitet einen Zusammenhang und konnte sich lange Zeit nicht einmal an die Treffen mit dem Bankier erinnern. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sorgte dann dafür, dass Hamburg die Steuern doch zurückforderte. Warburg hat inzwischen das Geld zurückbezahlt.
Zu diesem Vorgang gibt es bereits einen Untersuchungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft. Doch die CDU/CSU-Fraktion wollte einen weiteren Untersuchungsausschuss im Bundestag einrichten. Eigentlich hat eine Minderheit von 25 Prozent der Abgeordneten einen Anspruch darauf, dass ihrem Einsetzungantrag stattgegeben wird. Doch am 5. Juli lehnte der Bundestag mit der Ampel-Mehrheit den Unions-Antrag ab. Der Bundestag habe keine Befugnis, Vorgänge in den Bundesländern zu untersuchen.
Wurde der Anspruch auf einen U-Ausschuss verletzt?
Gegen diese Ablehnung des Untersuchungsausschusses durch die Ampel-Mehrheit hat die Unions-Fraktion nun eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Die Abgeordneten sehen ihren grundgesetzlichen Anspruch auf einen Untersuchungsausschuss verletzt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundestags habe die Mehrheit einen Einsetzungsantrag völlig (und nicht nur teilweise) abgelehnt.
Die Unions-Abgeordneten machen in ihrer Klage geltend, dass der Bundestag selbstverständlich Vorgänge untersuchen kann, die die politische Glaubwürdigkeit des aktuellen Bundeskanzlers in Frage stellen. „Ein Bundeskanzler, der in die rechtswidrige Niederschlagung von Steuerforderungen verwickelt ist, wäre politisch nicht mehr tragfähig“, heißt es in der Klage. Dabei sehen die Unions-Abgeordneten zwei Anknüpfungspunkte. Zum einen gehe es um Scholz' Handeln als Bürgermeister in Hamburg, zum anderen aber auch um seine teilweise lückenhaften und widersprüchlichen Auskünfte bei der Aufarbeitung der Warburg-Affäre.
Zudem wollen die Abgeordneten die Rolle des ehemaligen SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs aufklären. Kahrs hatte sich innerhalb der Hamburger SPD für die Interessen der Warburg-Bank eingesetzt. Parallel dazu erhielt sein SPD-Kreisverband Spenden der Bank. Kahrs legte im Mai 2020 sein Bundestags-Mandat nieder.
Der größte Teil der Organklage versucht aber zu belegen, dass auch die Eigenständigkeit von Bund und Ländern nicht gegen den Untersuchungsausschuss spricht. Da die bei den Cum-Ex-Geschäften hinterzogenen Steuern Bund und Ländern gemeinsam zustehen, habe der Bundestag schon aus seiner „haushaltspolitischen Gesamtverantwortung“ eine Befugnis, die Vorgänge in Hamburg zu untersuchen. Wenn in Hamburg rechtswidrige Steuererstattungen nicht zurückgefordert werden, fehle das Geld auch dem Bund.
Keine Fehler von Bundesbehörden bisher bekannt
Außerdem seien die Bundesländer bei der Steuerverwaltung im Auftrag des Bundes tätig. Der Bundesfinanzminister könne deshalb Weisungen geben und Akten einsehen. Dementsprechend könnten auch die Abgeordneten prüfen, ob der Bundesfinanzminister seine Aufgabe korrekt wahrgenommen hat. Die Union räumt ein, dass der Bundestag in diesem Zusammenhang die Tätigkeit der Hamburger Behörden „nicht politisch bewerten“ darf, aber als „Vorfrage“ doch feststellen darf, was in Hamburg passiert ist.
Dass Bundesbehörden beim Umgang mit den Warburg-Millionen Fehler gemacht haben, ist bisher allerings nicht bekannt. Die Koalition wirft der CDU/CSU deshalb vor, ihr Interesse an der Bundesauftragsverwaltung sei vorgeschoben, eine „Motivlüge“. In Wirklichkeit gehe es ihr doch vor allem um das Verhalten der Hamburger Behörden und insbesondere des damaligen Bürgermeister Olaf Scholz. Über die Organklage muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Das kann Jahre dauern. Ein Eilantrag wurde von der CDU/CSU-Fraktion nicht gestellt.
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