Verdachtsfälle Rassismus bei der Polizei: Die lange Liste der Einzelfälle
Wann sind Polizist:innen durch Rechtsextremismus, Rassismus oder Antisemitismus aufgefallen? Die Liste der Vorfälle im Jahr 2021 – bislang.
Die Liste der rechten Vorkommnisse bei der Polizei füllte im Jahr 2020 eine ganze Zeitungsseite. Und 2021? Eine Übersicht der Ereignisse bis zum 20. Oktober.
2. Januar 2021
Bei der Berliner Polizei laufen 47 Disziplinarverfahren wegen des Verdachts auf rechtsextremistische oder rassistische Äußerungen. Im Februar 2020 flog eine Gruppe mit 25 Polizist:innen auf, die über Jahre rassistische Nachrichten verschickt hatte. Im Oktober 2020 entdeckten Ermittler:innen eine Chatgruppe mit 26 Polizeischüler:innen, die Nachrichten mit Hakenkreuzen austauschten, sechs durften ihre Ausbildung nicht fortsetzen.
2. März 2021
Nach aufgeflogenen rechten Whatsapp-Chats bei der Polizei in Mülheim an der Ruhr wollen die Ermittler:innen 12.750 Telefonnummern aus den Handys der Verdächtigen überprüfen lassen. Zwei Mitglieder der rechtsextremen Chatgruppe der Mülheimer Polizei waren auch in der Reality-TV-Serie „Ruhrpottwache“ zu sehen. Über einen der Darsteller stießen die Ermittler:innen auf die Chats. Im September 2020 waren bei der Polizei in Mülheim an der Ruhr mehrere Whatsapp-Gruppen aufgeflogen, in denen teilweise rechtsextreme und rassistische Inhalte ausgetauscht wurden. Mehr als 20 Polizisten sind suspendiert worden. Anfang Juli beantragt die Staatsanwaltschaft Duisburg Strafbefehle gegen sechs beschuldigte Polizist:innen.
3. März 2021
Ein ehemaliger Polizeikommissaranwärter muss sich vor dem Amtsgericht Offenbach verantworten. Anfang September 2018 sollen auf seinem Mobiltelefon zwei kinder- bzw. jugendpornografische Videos festgestellt worden sein. Der Beschuldigte befand sich zu dem Zeitpunkt bei der Hessischen Bereitschaftspolizei in Mühlheim am Main in Ausbildung. Laut Staatsanwaltschaft Frankfurt erging gegen den Mann bereits ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 Euro, also 4.500 Euro. Dagegen legte der Mann Widerspruch ein.
10. März 2021
Ein polizeiinterner Untersuchungsbericht zu den im September 2020 aufgeflogenen rechtsextremen Chatgruppen bei der Polizei Nordrhein-Westfalen stellt den Kolleg:innen ein schlechtes Zeugnis aus. „Das Handeln der Treiber und Unterstützer ging deutlich über das Posten rechtsextremistischer, rassistischer und antisemitischer Inhalte hinaus“ heißt es in dem knapp 30-seitigen Dossier. Es erfasse nahezu alle Aspekte von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, nämlich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie, Sexismus und Homophobie. Laut der Sonderinspektion hätte es bei der Polizei schon früher Konsequenzen geben müssen, auch die Vorgesetzten kritisiert der Bericht. Seit September 2020 wurde gegen 29 Polizeibeamt:innen ermittelt, wobei die Mülheimer Dienstgruppe A samt Dienstgruppenleiter komplett suspendiert wurde.
4. Mai 2021
In der Polizeidirektion Osnabrück laufen dienstrechtliche Ermittlungen gegen sechs Beamt:innen, die mehrere Hundert Bilder und Videos via Whatsapp verschickt haben sollen, darunter verfassungsfeindliche Symbole. Drei der Polizist:innen werden vorläufig suspendiert, ein vierter ist es bereits seit März 2020.
9. Juni 2021
Gegen 20 Beamt:innen des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Frankfurt wird wegen volksverhetzender Chatnachrichten ermittelt, bei sechs von ihnen gibt es Durchsuchungen. Den 19 beschuldigten Polizeibeamt:innen, die noch im Dienst sind, wird verboten, die Dienstgeschäfte weiter auszuführen. Drei von ihnen sind Vorgesetzte. Eine:r der Beamt:innen wird suspendiert. Seit April 2021 ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen die Polizist:innen, beim Landeskriminalamt wurde dafür am 21. April eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet.
10. Juni 2021
Nur einen Tag nach den Durchsuchungen bei Beamt:innen des SEK Frankfurt wird die Spezialeinheit aufgelöst. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) spricht von „inakzeptablem Fehlverhalten“ der Beamt:innen und einer „Verrohung einer Dienstgruppe“, die eine Auflösung des SEK „unumgänglich“ gemacht hätte. Beuth wolle sie bestenfalls „aus der hessischen Polizei entfernen“.
16. Juni 2021
Zur rechten Chatgruppe von hessischen SEK-Polizist:innen, die Anfang Juni aufgeflogen ist, hatten weit mehr Beamt:innen Zugang als bisher bekannt. Mindestens 29 weitere hessische Polizeibeamt:innen gehörten zur Chatgruppe, sagt Hessens Innenminister Beuth. Gegen neun von ihnen laufen inzwischen Disziplinarverfahren, ihre Beiträge seien allerdings nicht strafbar, weil die Whatsapp-Chats als private Kommunikation eingestuft werden.
24. Juni 2021
Das SEK Frankfurt kommt nicht zur Ruhe. Mitte Juni äußert sich der Polizeipräsident des Präsidiums Westhessen Stefan Müller selbst rassistisch. Niemand von der Spezialeinheit müsse fürchten, dass nun „das Spiel der zehn kleinen N****lein“ starte. Müller soll das Spezialeinsatzkommando als Leiter eines Expertenstabes neu aufbauen. Anschließend habe er sich entschuldigt, sagte Innenminister Beuth Zeit Online. Das sei Zeichen einer gesunden Fehlerkultur.
12. Juli 2021
Eine Expert:innenkommission legt den Abschlussbericht ihrer Untersuchung zu rechtsextremen und rassistischen Vorfällen bei der Polizei Hessen vor. Die Expert:innen sprechen von einem „kritischen Moment“ für die hessische Polizei, eine Vielzahl empörender Vorfälle habe zu einem deutlichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt.
14. Juli 2021
Fünf Berliner Polizist:innen sollen in einer Chatgruppe mit zwölf Teilnehmer:innen „menschenverachtende Inhalte“ versandt haben. Wohn- und Aufenthaltsorte sowie zwei Dienstanschriften der Beschuldigten werden durchsucht. Ermittelt wird wegen Volksverhetzung und des Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen. Die Chatgruppe ist bereits die dritte größere innerhalb der Berliner Polizei.
26. August 2021
Nachdem das SEK Frankfurt Anfang Juni aufgelöst wurde, sind die meisten Beamt:innen des aufgelösten Kommandos an ihren früheren Dienstort Frankfurt als „SEK-Süd“ in andere Räume und unter neuen Vorgesetzten zurückgekehrt. Die eingesetzte Expert:innenkommission legt weitere Belege aus den Chats für eklatantes Fehlverhalten der Beamt:innen vor: ein Weihnachtsbaum mit Hakenkreuzen, Kampfflugzeuge, die Moscheen bombardieren, und eine dazu tanzende Hitlerfigur. Auch die Gestaltung der ehemaligen SEK-Diensträume im Polizeipräsidium Frankfurt nennt die Kommission inakzeptabel. Zur Einrichtung sollen Totenköpfe, zur Schau gestellte Patronenhülsen und Handgranaten gehört haben.
21. September 2021
Eine Polizistin aus einem Revier der Polizeiinspektion Dessau-Roßlau soll mehr als zehn Briefe an den Attentäter auf die Synagoge in Halle geschrieben haben. In den Briefen soll die Polizistin Sympathien für Stephan B. und Verschwörungserzählungen offenbart haben. Die 20-Jährige wird vom Dienst suspendiert. Es wird intern ermittelt, ob beamtenrechtliche Verstöße vorliegen.
5. Oktober 2021
Der Polizeioberkommissar Fabian G. muss sich vor dem Amtsgericht Alsfeld verantworten. Dem 37-Jährigen wird vorgeworfen, im Februar 2018 ein Hitler-Bild auf WhatsApp geteilt zu haben. Zudem soll er im März 2018 über das Auskunftssystem der Polizei Abfragen ohne dienstlichen Anlass vorgenommen und Informationen weitergegeben haben. In seiner Wohnung sollen bei einer Durchsuchung im Dezember 2018 zudem mehrere unerlaubte Schusswaffen und Munition gefunden worden sein. Anfang Oktober wird er zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 35 Euro, also ingesamt 7.000 Euro, verurteilt. Wegen der rechten Chats wird er nicht belangt, weil die Chats als private Kommunikation eingestuft werden.
13. Oktober 2021
Ein Jahr nach Bekanntwerden rechtsextremer Verdachtsfälle bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen haben sich diese in 53 Fällen bestätigt, 138 Fälle sind noch offen. Bei 59 Verdachtsfällen dauern die strafrechtlichen Prüfungen und arbeits-, disziplinar- oder beamtenrechtlichen Prüfungen noch an. Seit 2017 bis Ende September 2021 hatten die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden 275 Verdachtsfälle gemeldet. Sechs Kommissaranwärter waren entlassen worden.
20. Oktober 2021
Zwei Ex-Bundeswehrsoldaten wollten mutmaßlich eine Söldnertruppe aufbauen, die Huthi-Rebellen im Jemen angreift. Laut Informationen eines Hinweisgebers sollen sie mit aktiven und ehemaligen deutschen Soldat:innenen und Polizist:innen Kontakt aufgenommen haben, um eine Truppe von bis zu 150 Mann zu bilden.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes waren Fehler und Ungenauigkeiten enthalten. Dies wurde korrigiert, wir bitten dies zu entschuldigen.
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