Verbot von sexistischer Werbung geplant: Sex sells? Nicht mehr lange
SPD-Justizminister Heiko Maas will sexistische Werbung verbieten. Die Werbebranche wehrt sich: Das ist Zensur. FDP-Chef Lindner findet Maas spießig.
So jedenfalls wirbt der Amerikaner für einen seiner Männerdüfte. Die Frau, zwischen deren Brüste die Flasche klemmt, ist nackt und hat den Mund lustvoll geöffnet, wie kurz vor dem Orgasmus. Oder wie Tom Ford sich diesen vorstellt.
Ist das sexistisch? Eindeutig, sagt Stevie Schmiedel, Geschäftsführerin von Pinkstinks in Hamburg, einer Organisation, die sich gegen Sexismus in der Werbung wendet. „Hier wird ganz klar visuelle Erniedrigung von Frauen und ihren Körpern betrieben“, sagt die Geschlechterforscherin.
Dagegen gehen Schmiedel und ihr Verein seit Längerem vor. Pinkstinks sammelt Werbung, die unter die Gürtellinie zielt, veröffentlicht sie und meldet sie teilweise dem Deutschen Werberat. Die Selbstkontrolleinrichtung rügt die Verstöße öffentlich.
Stevie Schmiedel
Jetzt erhält Pinkstinks Unterstützung von Justizminister Heiko Maas (SPD). Er will sexistische Werbung verbieten, weiß der Spiegel. Es gebe hierzu noch keinen ausgefeilten Gesetzentwurf, aber bereits Formulierungsvorschläge, heißt es dazu aus dem Justizministerium.
„Wir haben das Justizministerium diesbezüglich beraten“, so Schmiedel: „Wir hoffen, dass unsere Vorschläge im Gesetzentwurf aufgegriffen werden.“
Der weibliche Körper als Blickfang
So ist es nach Vorstellung von Pinkstinks verurteilenswert, wenn „Frauen auf einen Gegenstand zum sexuellen Gebrauch reduziert“ werden. Vor allem dann, wenn „weibliche Körper oder Körperteile ohne Produktbezug als Blickfang eingesetzt“ werden.
Maas’Idee stößt bei der Werbeindustrie auf Widerspruch. „Werbeverbote helfen nicht gegen Sexismus“, meint der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. Dessen Chef, Manfred Parteina, sieht in dem geplanten Verbot einen „Missbrauch des Wettbewerbsrechts für Werbezensur“. Ein Werbeverbot könne kein „Fehlverhalten von Einzelnen oder Gruppen verhindern“.
Der Marketingexperte erhält Schützenhilfe von Christian Lindner. Der FDP-Chef wirft Maas vor, dass dessen „Pläne zum Verbot von Nacktheit und sexualisierter Werbung“ an „Spießigkeit kaum zu überbieten“ seien. „Die Verhüllung von Frauen zur Bändigung von Männern zu fordern, das kannte man von radikalen islamischen Religionsführern, aber nicht vom deutschen Justizminister“, so Lindner weiter.
Verbot von Stereotypen
Stevie Schmiedel hält dagegen: Es gehe nicht um pauschale Verbote, sondern um ein „Verbot von Stereotypen“. Wenn beispielsweise ein Waschmaschinenproduzent seine Produkte ausschließlich mit Frauen bewerben würde, stünde dahinter eine Botschaft: Die Frau gehöre an die Waschmaschine.
Jeden Tag landen bei Pinkstinks mindestens zwei Meldungen zu sexistischen Werbeverstößen. Auffallend oft mit Werbepostern und -bildern von Autohäusern und Wurstbuden aus dem ländlichen Raum. Da werde der Reparaturservice einer Autowerkstatt mit voluminösen Frauenbrüsten beworben. „Das finden die Kunden vielfach lustig“, fragt Schmiedel.
Und was sagt der Werberat? Der findet Anzeigen verurteilenswert, die Menschen auf ihren Körper und ihre Sexualität reduzieren und die suggerieren, jemand sei allzeit zum Sex bereit. Darunter fallen auch Anzeigen, die Nacktheit übertrieben herausstellten, sowie Pornografie. Im vergangenen Jahr rügte der Werberat 196 Fälle sexistischer Werbung. Das waren 52 Prozent aller Klagen, die das Kontrollgremium im Visier hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen