Verbot von Coronaleugner-Demos: Kein Grund zur Freude
Das Verbot von Demos gegen die Coronamaßnahmen ist richtig. Bauchschmerzen aber bleiben: Schließlich offenbart dieser Schritt nichts Gutes.
E s besteht kein Anlass, sich über die erneut ausgesprochenen Verbote von Demonstrationen aus dem Milieu der Coronagegner befriedigt die Hände zu reiben. Jedes Demonstrationsverbot schmerzt, denn es ist ein Eingriff in die demokratischen Grundrechte. Die von den Organisatoren angerufenen Gerichte haben das Verbot weitgehend bestätigt, weil vorherige Aktionen ähnlicher Art auf jeglichen Infektionsschutz gepfiffen haben.
Dennoch machen diese Verbote Bauchschmerzen. Wissen wir, wer künftig – in fünf oder auch zehn Jahren – dieses Land regiert? Können wir uns über den Kurs der Justiz sicher sein? Der Schritt vom Verbot solcher Art Demonstrationen von offensichtlich irrational geleiteten Verschwörungsmystikern zum Untersagen linksradikal motivierter Veranstaltungen könnte kürzer sein, als wir es uns heute vorstellen können. Ein Verbot muss immer letztes Mittel sein.
Trotzdem ist das Verbot richtig. Im konkreten Fall verhindert es, dass sich die Covid-Inzidenzen noch weiter erhöhen. Davon wären eben nicht nur die Kundgebungsteilnehmer selbst betroffen, sondern auch gänzlich unbeteiligte Personen. In jüngerer Zeit hat es leider auch reichlich viele andere Veranstaltungen gegeben, bei denen Verbote ausgesprochen wurden oder am besten gleich verhängt worden wären – etwa bei Neonazis, die rassistische Parolen verbreiteten und Gewalt ausübten.
Nur freuen sollte man sich über solche Verbote niemals. Sie sind Anzeichen dafür, dass relevante Teile der Bevölkerung den Grundkonsens der Demokratie nicht nur innerlich aufgekündigt haben, sondern dazu bereit sind, dafür aktiv auf die Straße zu gehen. Wer vor der Berliner Charité Worte wie „Drosten raus“ brüllt, hat von der Freiheit der Wissenschaft nichts verstanden, stellt dafür aber unter Beweis, dass sein krudes Bild einer an finstere Mächte verkaufte Gesellschaft nicht zu erschüttern ist.
Und diese Vorstellungswelt erinnert verflucht an diejenigen, die vor einigen Jahrzehnten den Protokollen der Weisen von Zion Glauben schenkten und darauf ihren Hass auf Juden aufbauten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands