Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes: Historisch und doch frustrierend
Die Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland ist ein richtiger Schritt. Aber um den Schwarzmarkt zu bekämpfen, kann das jetzige Gesetz nur der Anfang sein.
W as für eine schwere Geburt. Nach mehrfachen Modifizierungen ist das Cannabis-Gesetz am Freitag endlich mit den Stimmen der Ampelkoalition, unterstützt von den Gruppen der BSW und der Linken vom Bundestag verabschiedet worden. Nach Jahrzehnten gescheiterter Prohibitionspolitik verabschiedet sich die Bundesrepublik von überkommenen Dogmen – das ist, bei aller Kritik an den vielen Punkten, in denen das Gesetz zu kurz springt, schon historisch.
Noch einmal gab es eine leidenschaftliche Debatte, in der die konservative Seite alle ollen Kamellen auftischte, die in den vielen Jahren CDU/CSU-geführter Drogenpolitik eine Wende hin zu einer vernunft- und evidenzbasierten Linie verhinderten. Aber die Anti-Cannabis-Brandmauer von Union und AfD reichte nicht mehr aus, und es war befriedigend zu sehen, dass all die guten Argumente, die in der Gesamtgesellschaft und erst recht in Expert*innenkreisen schon so lange bekannt und etabliert sind, endlich auch im Bundestag gehört wurden – und dann auch noch eine Mehrheit fanden.
Bis zu dieser Legislaturperiode war das undenkbar, auch weil es insbesondere in der SPD unfassbar große Anstrengungen brauchte, um sich von der alten Verbotsideologie zu verabschieden. Und trotzdem ist es erschreckend, selbst 2024 noch CSU-Politiker, wie den Abgeordneten Stephan Pilsinger, zu hören, die mit dem Argument, Cannabis sei gefährlich und gehöre deshalb verboten, ihre vollkommene Realitätsverweigerung dokumentieren.
Das Gesetz, so wie es jetzt ist, kann nur der Anfang sein. Denn auch wenn die Redner*innen der Koalition vor allem darauf hinwiesen, man wolle mit der Legalisierung den Schwarzmarkt bekämpfen, so wissen auch sie, dass das, so wie das Gesetz gestrickt ist, kaum passieren kann. Eigenanbau und Cannabis-Clubs werden die derzeitige Nachfrage nicht befriedigen können.
Ein halbgares Gesetz
Die inzwischen als solche bezeichnete „2. Säule“, also Anbau und Verkauf unter staatlicher Lizenz, muss so schnell wie möglich dazukommen, und nicht nur in wenigen punktuellen Modellprojekten. Das war ja eigentlich auch das Versprechen des Koalitionsvertrags – hier haben konservative Kräfte nicht nur von CDU/CSU, sondern auch innerhalb der SPD dafür gesorgt, dass dieser essenzielle Bestandteil einer sinnvollen Kehrtwende weiter verzögert wird.
Damit bleibt das Gesetz halbgar und kann seine Ziele nicht erreichen – was auch eine sinnvolle zeitnahe Evaluierung schwierig macht. Man kann zu Recht sagen: Demokratie ist halt schwierig und verpflichtet zur Kompromisssuche. Das ist auch richtig so – aber Kompromisse zwischen Vernunft und Unsinn bleiben trotzdem frustrierend.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen