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Urteil des BundesverfassungsgerichtsJetzt erst recht – keine Auslieferungen nach Ungarn

Timm Kühn
Kommentar von Timm Kühn

Dass Maja T. nach Ungarn übergeben wurde, war rechtswidrig. Deutschland sollte sich nicht zum Komplizen des menschenverachtenden Orbán-Regimes machen.

Protest gegen die Auslieferung der nonbinären Antifa-Aktivist:in Maja T Foto: Florian Boillot

E s ist ein schwerwiegender Justizskandal, den das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat: Die Auslieferung der Thüringer An­ti­fa­schis­t:in Maja T. im Juni vergangenen Jahres war unzulässig. Der damalige Beschluss des Berliner Kammergerichts stelle einen „tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, der weiterhin fortwirkt“, so das höchste Gericht am Donnerstag. Eine Verletzung von Maja T.s Grundrechten nach Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sei begründet. Artikel 4 verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Strafen.

Natürlich waren die gravierenden Missstände in der Justiz des rechten Orbán-Regimes bekannt. Dieser Tatsache zum Trotz arbeitete im Juni 2024 eine Vielzahl an Behörden zusammen, um Maja T. so schnell außer Landes zu schaffen, dass das Verfassungsgericht die Auslieferung nicht mehr stoppen konnte. Maja T. werden Angriffe auf Neonazis am Rande eines SS-Gedenkmarsches in Budapest im Februar 2023 zur Last gelegt. Dafür drohen T. in Ungarn bis zu 24 Jahre Haft. Seit Monaten sitzt T. dort in Isolationshaft.

Nun konstatiert das Verfassungsgericht, dass das Berliner Kammergericht Berichte über schwerwiegende Missstände in ungarischen Haftanstalten ignoriert und die dortigen Haftbedingungen nicht ausreichend geprüft habe – auch hinsichtlich der Gefahren, die T. in Ungarn aufgrund T.s nonbinärer Identität drohen. Explizit wird vor einer Diskriminierungsgefahr gewarnt, „die sich verbal oder in Form von körperlichen Belästigungen durch andere Insassen oder durch Bedienstete der Justizvollzugsanstalt äußern“ könne.

Unmittelbare Auswirkungen hat der Beschluss nicht. Ungarn muss sich nicht an deutsche Urteile halten. Die Achtung der Menschenrechte gebietet aber dennoch, dass das Auswärtige Amt und Außenministerin Annalena Baerbock jetzt alle diplomatischen Hebel in Gang setzen, um Maja T. zurückzuholen. Wie es überhaupt zu der Auslieferung kommen konnte, muss zudem politisch aufgearbeitet werden.

Weitere Auslieferungen drohen

Vor allem aber muss klar sein, dass es kei­ne einzige weitere Auslieferung von Antifas nach Ungarn geben darf. Dieses Szenario steht auch für alle anderen im sogenannten Budapest-Komplex Beschuldigten im Raum.

Besonders bedroht ist Zaid A., der syrischer Herkunft ist und gegen den ein europäischer Haftbefehl vorliegt. Doch auch ihm droht in Ungarn Haft unter unmenschlichen Bedingungen. Will sich Deutschland nicht weiter zum Erfüllungsgehilfen der Orbán-Justiz machen, muss ihm hier ein rechtsstaatlicher Prozess gemacht werden.

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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41 Kommentare

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  • Wer in Deutschland Verbrechen verübt, wird in Deutschland verurteilt, wer in Ungarn Verbrechen verübt, wird in Ungarn verurteilt. Egal ob Linksextrem, Links, Grün, Grünextrem, Mitte*Extrem oder Rechts*Extrem. Auch wenn es es in den DE Gefängnissen viel plüschiger und diverser zugeht. Eine gute Idee wäre ja vielleicht gar keine Menschen*innen zusammenzuschlagen oder umzubringen.

  • Die richtige Konsequenz aus dem Urteil wäre, dass man zukünftig genauer prüft und sich Sicherheiten geben lässt, dass die Dinge nicht passieren werden, die das BVerfG hier als unmenschliche Behandlung fürchtet (sich aber auch bei Maja T. bisher zum Glück nicht realisiert haben, aber der Beschluss bezieht sich ja auf die damalige Prognose).

    • @Dr. McSchreck:

      Schreck laß nach - “ sich aber auch bei Maja T. bisher zum Glück nicht realisiert haben…“



      Ausgerechnet Sie - wissen genaueres?



      Mach Bosse

  • Was niemand gerne sagt: Hier wurde deutlich gezeigt, daß sich Gerichte und Behörden über jedes Urteil des Bundesverfassungs-gerichts hinwegsetzen können wenn sie nur wollen. Und das ohne jede Konsequenz. Da hilft auch das ganze Absichern des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz nichts.

    • @Manfred Peter:

      Die zeitliche Reihenfolge ist doch andersherum.

      Das Urteil kam erst jetzt am Schluss.

      Da kann sich also noch niemand drüber hinwegegesetzt haben.

    • @Manfred Peter:

      Das sagt niemand - außer Ihnen - weil es ja auch nicht stimmt. Als das KG entscheiden hat, gab es natürlich sowieso noch keine Entscheidung des BVerfG, das sollte ja erst die Entscheidung aus Berlin überprüfen.



      Da es gegen die Entscheidung eigentlich kein Rechtsmittel gibt - nur deshalb musste das BVerfG die Überstellung ausdrücklich untersagen - war mit der Entscheidung des KG die Überstellung erlaubt, bis ca. 11:00 Uhr des folgenden Tages das BVerfG die Überstellung untersagte.

      Da hatte sie aber schon stattgefunden. Niemand hat sich über etwas hinweggesetzt.

  • >Explizit wird vor einer Diskriminierungsgefahr gewarnt, „die sich verbal oder in Form von körperlichen Belästigungen durch andere Insassen oder durch Bedienstete der Justizvollzugsanstalt äußern“ könne.<

    Ist sie nicht in Einzelhaft? Wie macht man es bei non-binären richtig? Sollen non-binäre mit äußerlich männlichen Geschlechtsteilen zu den Frauen in Haft/ zu den Männern in Haft/ in eine gesonderte non-binäre Haftgruppe/ oder doch vorsorglich - um nichts falsch zumachen - in Einzelhaft?

    Der normale Ungar ist da sicher überfordert weil schlicht das Problembewusstsein fehlt.

  • Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lässt einen etwas ratlos zurück.

    Das beginnt bei der Zuständigkeit, für die Art. 93 (1) 4a GG nicht ausreicht, setzt sich bei der materiell-rechtlichen Frage der gegenwärtigen Betroffenheit der Beschwerdeführerin fort und endet in der Frage, ob dann im Lichte von Art. 4 Grundrechtecharta auch der heimische Strafvollzug verfassungskonform ist (vgl. z.B. Chong, Gewalt im Strafvollzug, 2014).

    • @Jan Schubert:

      Die Zuständigkeit in diesem kontradiktorischen Verfahren ergibt sich aus § 13 Nr. 8a BVerfGG.

      Der Beschluss legt Art 4 auf die Haftbedingungen in Ungarn aus. Der einheimische Strafvollzug ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

  • "Vor allem aber muss klar sein, dass es kei­ne einzige weitere Auslieferung von Antifas nach Ungarn geben darf."



    Das ist eine Verdrehung der Realität ins Absurde.



    Maja T. wurde nicht an Ungarn ausgeliefert weil sie Antifa ist, sie wurde ausgeliefert weil ihr vorgeworfen wird andere Menschen brutalst überfallen und verletzt zu haben. Es wurde mit Eisenstangen und beschuhten Füßen auf Menschen eingeprügelt und eingetreten, auch als diese längst am Boden lagen.



    Das ist auf mehreren Überwachungsvideos klar zu erkennen. Auch gibt es hervorragende Aufnahmen der vermummten Personen wie sie sich einige Querstraßen weiter der Vermummung entledigen.



    Die Aufnahmen waren im ungarischen TV oftmals zu sehen. Sie kursieren auch nach wie vor im web.



    Auf derlei Taten drohen auch in Deutschland empfindlichste Freiheitsstrafen.



    Es ist völlig legitim die Haftbedinungen in Ungarn zu kritisieren und auch die Frage nach einem fairen Verfahren zu hinterfragen. Ungarns Staatsapparat ist definitiv nicht unabhängig und politisch gefärbt.



    Aber eine Story zu stricken das hier ein politisches Opfer, eine Antifa ausgeliefert wurde nur weil sie Antifa ist, ist einfach falsch.

    • @Farang:

      "Aber eine Story zu stricken das hier ein politisches Opfer, eine Antifa ausgeliefert wurde nur weil sie Antifa ist, ist einfach falsch".

      Falsch ist es nicht, nur eine von mehreren Interpretationsmöglichkeiten. Die Motivation der Berliner Justiz ist für Aussenstehende nur schwer einzusehen. Zweifellos aber hat Maja T. der Antifa Status vor Gericht keinen Bonus eingebracht. Das lässt sich schon daraus ableiten, wenn ähnlich gelagerte Fälle als Vergleich hinzugezogen werden. Verwiesen sei hier nur auf die Urteile des OLG Bremen. Und der Aufwand der von Seiten der Justiz in diesem Fall betrieben wurde trägt auch nicht gerade zur Entlastung des Argumentes bei, dass der politische Aspekt bei dem ganzen Verfahren völlig ausser Acht gelassen wurde.

      • @Sam Spade:

        Die Berliner haben behauptet, dass das schnelle Handeln vor allem dem Umstand geschuldet war, dass man Angriffe der Szene fürchtete, um den Transport zu verhindern. Das ist nicht völlig fernliegend und in der Folge kam es tatsächlich zu Bedrohungen und Autos von Justizmitarbeitern brannten.

    • @Farang:

      Auf den Punkt gebracht!

    • @Farang:

      die story ist der eifer, mit dem die berliner behoerde nachts um 3 die ausweisung organisiert hat, in einer weise, wie es nie passiert und obwohl der behoerde klar war, dass das vfg angerufen werden wuerde. die begruendung fuer diesen eifer war, den protesten der antifa-szene zuvorkommen zu wollen.



      ich gehe davon aus, dass den deutschen justizbehoerden die zustaende der ungarischen haftanstalen bekannt sind.

      • @the real günni:

        Sie geben die Begründung korrekt wieder - allerdings ist "protesten" etwas freundlich ausgedrückt.

  • Der Skandal ist, dass sie überstellt wurde, bevor das BVG seine anhängige Entscheidung getroffen hatte.

    Kein Skandal ist es, dass jemand bestraft werden soll, der sich anmaßt, in andere Länder zu fahren, um dort Leute zu verprügeln.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Als sie ausgeliefert wurde, war noch nicht mal ein Antrag gestellt, die Auslieferung zu stoppen. Das muss ich der Verteidger wohl ankreiden lassen, das ganze Wochenende gewartet zu haben.

      • @Dr. McSchreck:

        Das Thema ist ja schon länger in der Presse. Und schon in den ersten Artikeln, die ich dazu gelesen habe, stand, dass der Antrag schon gestellt war. Was soll ich jetzt glauben?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          In jedem Bericht steht, dass der Anwalt nach der Entscheidung des KG angekündigt hatte, dass er einen Antrag beim BVerfG stellen wollte (der allerdings selbst noch kein Vollstreckungshindernis ist, dies folgt erst aus einer Entscheidung des BVerG), aber diesen erst am nächste Tag gestellt hat. Auch der hier mehrfach verlinkte lto-Bericht bestätigt dies.

          "die Übergabe an die österreichischen Behörden zwecks Durchlieferung nach Ungarn erfolgte um 6.50 Uhr. Um 7.38 Uhr ging der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim BVerfG ein."

          Da eigentlich gegen den Beschluss des KG kein Rechtsmittel existiert, hatte auch der Antrag noch keine Sperrwirkung, diese folgte erst aus dem Beschluss des BVerfG vom gleichen Tage ca. 11:00 Uhr, indem die Auslieferung vorläufig untersagt werden sollte - was aber nicht mehr möglich war.

  • Dieser Fall hat zwei Aspekte, die getrennt betrachtet werden sollten:

    - Ich bin überzeugt, dass Ungarn kein Rechtsstaat mehr ist. Von daher hätten Auslieferungen grundsätzlich schon seit einigen Jahren gestoppt werden sollen, unabhängig vom Delikt. Orban ist ein Faschist, und Ungarn sollte aus der EU ausgeschlossen werden.

    - Mit Maja T. und Konsorten habe ich null Mitleid. Gemeinsam sollen sie an mehreren Tagen (vermeintlichen) Rechtsextremen aufgelauert, verfolgt und dann u.a. mit Schlagstöcken und einem Kubotan auf sie eingeschlagen haben. In einem Fall sollen sie wiederholt und gezielt auf den Kopf eines am Boden fixierten Mannes eingeschlagen haben. Ein anderer Mann soll bewusstlos am Boden gelegen haben, als einige aus der Gruppe weiter auf ihn eingeschlagen haben sollen (Quelle: lto.de)



    Man sollte sich vorher überlegen, wo man welche Straftaten begeht.



    Und ich frage, wie man solche Menschen bloss als "Antifaschisten" framen kann. Das sind für mich gewöhnliche Gewaltkriminelle und um kein Jota besser als ihre Opfer.

    • @Emmo:

      Den letzten Satz bitte nochmal überdenken.



      Die haben Gewalttaten (welche abzulehnen sind, da bin ich bei ihnen) gegen Leute vollzogen aufgrund ihrer politischen, menschenverachtenden Haltung.



      Die Opfer jedoch würden diese Gewalttaten aufgrund von äußerer Erscheinung akzeptieren.



      Das ist schon ein ziemlicher Unterschied finde ich.

      • @Das B:

        "Die Opfer jedoch würden diese Gewalttaten aufgrund von äußerer Erscheinung akzeptieren.

        Kurze Rückfrage: Wie meinen Sie das? Bzw woraus schliessen Sie das?

      • @Das B:

        Das ist nicht ganz richtig. Sie haben Gewalt gegen Leute ausgeübt, bei denen sie von einier politischen menschenverachtenden Haltung ausgingen, zum Beispiel aufgrund ihrer Kleidung. Ob die Vermutung tatsächlich immer richtig war, ist keineswegs sicher, nach meiner Erinnerung soll auch ein polnischer Tourist unter den Opfern gewesen sein (der natürlich theoretisch auch rechtsextrem gewesen sein kann, aber kann man so etwas wirklich allein aufgrund der Kleidung feststellen?)

  • Frau Baerbock, holen sie sofort Maja T. zurück!

    • @Hans Dampf:

      Das wird sie in ihrer kurzen verbleibenden Amtszeit nicht mehr schaffen.

      • @Dr. McSchreck:

        Das mag jetzt stimmen, aber vor einen Jahr wären die Aussichten darauf auch nicht besser gewesen.

  • Zitat: „tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, der weiterhin fortwirkt“

    Nun ja, aber Haft (ob nun Untersuchungs- oder Strafhaft) ist immer ein "tiefgreifender Grundrechtseingriff", der fortwirkt, solange die Haft andauert (Art. 2 Abs. 2 Satz 2GG sowie Art. 11 Abs. 1 GG). So für sich allein in den Raum gestellt, besagt das demnach gar nichts.

    • @dtx:

      Zitat: "Artikel 4 verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Strafen."



      Das stand einen Satz drunter, kommen sie schon...

    • @dtx:

      Man kann die Entscheidung nachlesen oder sich bei LTO informieren. Es geht nicht um einen legitimen Grundrechtseingriff, wie sie jede Haft darstellt, sondern um einen Verstoß gegen Art. 4 der Charta der Grundrechte der europäischen Union (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung).



      www.lto.de/recht/n...ngarn-rechtswidrig

  • Justizskandal? Trifft es wohl kaum wenn ein Kammergericht die Zustände in ungarischen Haftanstalten anders bewertet als das Bundesverfassungsgericht.

    Als skandalös könnte es bezeichnet werden, dass Deutschland überhaupt noch nach Ungarn überstellt. Die Praxis hätte schon vor vielen Jahren eingestellt werden müssen.

    Als skandalös könnte guten Gewissens auch das Verhalten der Berliner Generalstaatsanwaltschaft hinsichtlich der Nacht und Nebelaktion bezeichnet werden, zumal die Begründung dafür doch sehr dürftig ausfällt.

    Es aber einen Skandal zu nennen, weil ein Gericht sich zu sehr auf Garantiezusagen Ungarns verlassen hat statt umfangreiche Selbstprüfungen vorzunehmen, geht dann doch an der Realität vorbei.

    • @Sam Spade:

      Ich dachte das eigentlich immer eine Prüfung von Haftbedingungen, politischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen stattfindet, wenn jemand in ein anderes Land abgeschoben bzw. für das Absitzen einer Haftstrafe überführt wird. Sich da auf Aussagen des jeweiligen Landes auszuruhen finde ich nicht nur naiv, sondern fahrlässig. Vor allem wenn es dann noch ein Land ist, was ja auch schon lange vor ihrer Verhaftung öffentlich in der Kritik stand, da musste man nun wirklich keine "umfangreiche Selbstprüfung" anfertigen. Ob nun 15 oder 24 Jahre Haft darüber kann man streiten, aber Isolationshaft über einen längeren Zeitraum ist absolut inakzeptable. Ich hab gesehen was mit Menschen passiert wenn sie monatelang oder gar Jahre in Isolationshaft sind, das wünsche ich keinem.

      • @Momo Bar:

        Garantieerklärungen bei Überstellungen im Rahmen eines europäischen Haftbefehls sind allgemein üblich. Gilt für die Garantie der Rücküberführung hinsichtlich des Vollzugs im Vollstreckungsstaat bis hin zu Garantien der staatlichen Stellen für die Haftbedingungen.

        Reicht bei den meisten EU Ländern auch aus, bei Ungarn anscheinend nicht. Justiz ist nunmal nicht homogen. Gerichte in Frankreich und Italien haben anders entschieden und Überstellungen untersagt und in Deutschland bestand bisher hinsichtlich des Verstoßes ungarischer Haftbedingungen gegen die EU Charta eine unterschiedliche Auffassung, nicht nur bei den einzelnen Instanzen. Das OLG Bremen ist in einem ähnlich gelagerten Fall zum Beispiel zu einem anderen Ergebnis gekommen als das Kammergericht Berlin und hat eine Überstellung nach Ungarn untersagt.

    • @Sam Spade:

      Selbstverständlich ist ein Verstoß gegen das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 4 der Charta der Grundrechte der europäischen Union), wie ihn das BVerfG festgestellt hat, ein Justizskandal. Außerdem wirft das BVerfG dem Kammergericht nicht vor, dass es die Verhältnisse in Ungarn "anders bewertet", sondern dass es seinen Aufklärungspflichten nicht genügt hat und den Anhaltspunkten nicht nachgegangen ist, sondern die ungarischen Beteuerungen fraglos akzeptierte.



      www.lto.de/recht/n...ngarn-rechtswidrig

      • @Günter Picart:

        Das BVerG hat einen solchen Verstoß nicht festgestellt. Es hat nur festgestellt, dass das KG Berlin sich nicht ausreichend mit dem Risiko auseinandergesetzt hat, dass in Ungarn solche erniedrigenden Strafen oder unmenschliche Behandlung drohen.

        Die Gerichte, die jetzt Auslieferungen bearbeiten, werden also gründlicher arbeiten müssen - mehr nicht.

    • @Sam Spade:

      Ihr letzter Satz geht an der Realität vorbei. Das war und ist ein Skandal. Drohende bis zu 24 Jahre Haft sind ein Skandal und mit europäischen Menschenrechtsstandards nicht vereinbar. Ich hoffe, Straßburg korrigiert die ungarische Rechtsprechung.

      • @benwolf:

        "Drohende bis zu 24 Jahre Haft sind ein Skandal und mit europäischen Menschenrechtsstandards nicht vereinbar"

        Das sieht das BVerfG offenbar anders. Hier ein Auszug aus dem Beschluss 2 BvQ 49/24 v. 28.06.24 in der Angelegenheit

        "ee) Schließlich stehe entgegen dem Vorbringen des Antragstellers auch die Höhe der im Falle der Verurteilung in Ungarn drohenden Strafe der Auslieferung nicht entgegen. Zwar sei die mögliche Gesamtstrafe unter Berücksichtigung der Straferhöhungsregelungen der § 81 und § 91 Abs. 1 des ungarischen Strafgesetzbuches mit 24 Jahren höher als die nach deutschem Recht höchstmögliche Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren. Jedoch sei der damit im ungarischen Recht eröffnete Strafrahmen von demjenigen nach deutschem Recht nicht derart unterschiedlich, dass er als schlechthin unerträglich im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung angesehen werden könne."

        • @Sam Spade:

          Also kein Justizskandal, auch wenn du im zweiten Satz selbst schreibst, dass es einer ist?



          Und die "nicht ausreichende Prüfung" war doch eher ein bewusstes ignorieren der Gegebenheiten, da die Vorwürfe an Ungarn nur sehr schwer zu übersehen sind. Da muss man schon Hintergedanken haben.

  • Ich finde es wichtig, dass Sie eine gerechte Strafe erhält. Wenn die Straftaten dort begangen wurden, ist es nur logisch dass sie auch dort vor Gericht steht.

    • @Gurkenbrille:

      Sagen Sie das auch über politische Flüchtlinge, russische Homosexuelle und Frauen die mach einer Vergewaltigung einfach abgetrieben haben?



      Schlimm genug, dass ein Staat mit derart kaputten Rechtsverständnis überhaupt in der EU ist.

    • @Gurkenbrille:

      Bis zu 24 Jahre für eine Körperverletzung und die völkerrechtswidrige Isolationshaft, die international als Folter gilt da sie zu schweren Folgeschäden führt, ist für sie gerecht?

    • @Gurkenbrille:

      Nun bei jemanden der Gaulands Aussage vom "Vogelschiss" versucht zu relativieren und auch ansonsten in Kommentaren eher auf der rechten Überholspur unterwegs ist, verwundert mich gar nichts mehr.

      Nur mit Logik hat es wenig zu tun wenn jemand in einem Land vor Gericht gestellt wird, das vom Europarat Abmahnungen in Dauerschleife wegen rechtsstaatlicher Verstöße erhält.