Unwort des Jahres „Klimahysterie“: Selbstverliebte Männer

„Klimahysterie“ ist das Unwort des Jahres. Es spiegelt die rechte Verzweiflung über die vorwiegend weibliche Klimabewegung.

Graffiti mit dem Kopf von Greta Thunberg.

Wer wird denn da „hysterisch“ werden? Graffiti einer Ikone Foto: Christian Spicker/imago

Es ist für Rechte zum Verzweifeln, aber es gibt einfach keine rechte Jugendbewegung, die mehr als eine Handvoll Hanseln und Greteln mobilisiert. Seit geraumer Zeit versucht eine gewisse Identitäre Bewegung so etwas zu sein, verharrt aber inhaltlich und von der Zahl der Mitglieder (und sehr vereinzelter Mitgliederinnen) her auf dem Niveau einer durchgeknallten Sekte.

Das Jahr 2019 muss für Rechte also die Hölle gewesen sein: Ganz Deutschland redet über Fridays for Future, ständig diese Bilder von jungen Frauen, die in Talkshows sitzen, mit Ministern streiten, weit und breit keine begeisterten jungen Massen, die AfD-Fahnen schwenken und vom Umsturz träumen. Knallharte Merkel-Mediendiktatur.

Ein Symptom dieses Jahres ist deshalb die „KLIMAHYSTERIE, jetzt zum Unwort 2019 gekürt. Auch FDP-Neoliberale, CDU-Konservative und diverse Journalisten nutzten es, denn sie eint mit den Rechtspopulisten das dumpfe Gefühl, dass ihnen da jemand die argumentative Lufthoheit geraubt hat. „Hysterie“ als Kampfbegriff gegen eine größtenteils weibliche Klimabewegung lag da auf der Hand.

„Hysterie“ wertet traditionell das Verhalten von Frauen ab als irrational, undurchdacht, übertrieben emotional. Versteht Mann sofort. Muss Mann nicht weiter erklären, warum man es hysterisch findet, wenn die Jugend dagegen demonstriert, dass sie ihren Lebensabend nach gegenwärtigem Stand der Politik in einer Welt im Chaos verbringen wird. Weil dicht besiedelte Gebiete des Planeten unbewohnbar geworden sind.

Lieber Panik

Wer „Klimahysterie“ sagt, der kaschiert die eigene Irrationalität, die Unfähigkeit, rationale Argumente gegen eine wirksame Klimapolitik zu finden. Was bleibt, ist, vor imaginären Gelbwesten zu warnen oder vor Arbeitsplatzverlusten, der „Arbeitsplatzverlust“ ist die Hysterie des selbstverliebten Mannes. Oder man findet, die ganze Klimawissenschaft sei Unfug, weil CO2 gab es doch schon immer. Und verhöhnt damit die gesamte Kultur empirischer Wissenschaft jenes Abendlandes, das man doch vermeintlich verteidigen will.

Also soll man jetzt „Klimapanik“ sagen? Ja, warum nicht. Das Begriffspaar hat Greta Thunberg gekapert, die von uns verlangt, endlich Panik zu bekommen. Ob Panik als Ratgeber sinnvoll ist, darüber lässt sich streiten. Aber bitte auf der Basis, einfach mal anzuerkennen, dass Thunbergs Panik eine absolut rationale Grundlage hat.

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