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Unwetterkatastrophe in SpanienVorbote auf Schlimmeres

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Der Klimawandel ist die Ursache der Unwetterkatastrophe in Spanien. Aber Sparmaßnahmen und ein neoliberaler Geist haben sie verschlimmert.

Bei den Überschwemmungen in Spanien starben mindestens 150 Menschen Foto: Rober Solsona/dpa

D ass es viel stärker regnete als je zuvor, dafür kann die konservative Regionalregierung Valencias, die sich von der rechtsextremen Vox unterstützen lässt, nichts. Aber sie kann sehr wohl etwas für das fehlende – auch unbedingt vorbeugende – Handeln angesichts der latenten Gefahren.

Carlos Mazón, dem konservativen Chef der Regionalregierung in Valencia, fiel nach seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr nichts Besseres ein, als die Behörde, die eben die Antwort auf Naturkatastrophen wie Waldbrände und Überschwemmungen durch Starkregen verantwortlich ist, zu schließen. Es war seine Art, das neoliberale und populistische Wahlprogramm, mit dem er angetreten war, umzusetzen.

Für Vox ist alles, was mit Klimawandel zu tun hat, „Umweltfanatismus“. Die konservative Partido Popular in Spanien, die PP, hat sich dies zum großen Teil zu eigen gemacht. Mazón wies damals selbstgefällig alle Kritik von sich, wie auch jetzt wieder nach der erschreckenden vorläufigen Bilanz von über 150 Todesopfern. Die Rettungskräfte wurden erst ordentlich koordiniert, als der zentrale Krisenstab in Madrid eingriff. Dabei ist Katastrophenschutz eigentlich Sache der Regionalregierungen. Viele der Opfer hätten vermieden werden können, doch die Warnung auf den Handys kamen bis zu 13 Stunden zu spät.

Was nicht zu spät kam, war die Kampagne von Trolls in den Netzwerken, die sich über das Wetteramt lustig machten, als dieses bereits morgens vor der heraufziehenden Gefahr warnte. Die Interessen der Wirtschaft über den Klimaschutz und den Schutz der Bevölkerung zu stellen, tötet und wird in der Zukunft immer mehr töten.

Denn was derzeit in Spanien passiert, ist sicher das verheerendste Unwetter, das das Land in den vergangenen 100 Jahren gesehen hat. Aber wenn der Katastrophenschutz nicht ausgebaut und vor allem wenn keine ernsthafte Klimapolitik gemacht wird, könnte es bald schon eine der kleineren Katastrophen gewesen sein, im Vergleich mit dem, was uns dann erwartet.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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27 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in
    vor 4 Stunden schrieb Perkele:

    Dies ist eine Frage an die TAZ-Redaktion.

    Wenn Sam Spade das auch möchte und mit einem Kommentar bestätigt, schreib uns eine Email an post@taz.de mit Nummer & Screenshot der Einverständnis und wir leiten beides weiter.

  • Es gibt immer Katastrophen und es gibt den Neoliberalismus, der spart, um reiche Schichten nicht voll zu besteuern, koste es, was es wolle. Die Konsequenzen hier sind fatal, aber das war und ist dieser Regierung wohl egal. Man kann nur hoffen, dass die Bevölkerung diesen Fehler nicht noch einmal macht.

    • @Andreas_2020:

      Katastrophen werden von Menschen verursacht.

      Es gibt Ereignisse. Wettererignisse oder ein Erdbeben / ein Vulkanausbruch.

      Welche Vorkehrungen getroffen werden, wie Behörden reagieren und weitere von Menschen beeinflussbare Faktoren entscheiden über das Ausmaß der Katastrophe.

      Ich würde daher eher sagen "es wird immer mal Ausnahmesituationen geben, Neoliberalismus und damit verbundene Sparmasmahmen machen aus diesen Katastrophen und menschliche Tragödien."

  • Sollten in der Verwaltung Doppelstrukturen bestehen ist es sinnvoll diese aufzulösen. Denn z.B. im Ahrtal hätte man den Krisenstab die ganze Katastrophe lang im Dienst, gehandelt haben die aber auch nicht. Es ist deshalb nach einem solchen Geschehen wichtig die Sache detailliert aufzuarbeiten, sich die Informations- und Entscheidungsketten anzusehenund dann daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen das Krisenmanagement bei solchen Ereignissen, die ja noch zunehmen werden zu verbessern.



    Desweiteren muss man sagen, dass die gewaltige Wasserbaumaßnahme nach der letzten Jahrhundertflut der 50er in Valencia ausgezeichnet funktioniert hat, abgesoffen ist der Teil an einem unreguliertem Wasserlauf. Hier ist dann eben entweder vor Ortschaften mit Dämmen oder in den Orten mit wasserbaulichen Maßnahmen einzugreifen. Auch das muss analysiert werden, europaweit.

  • Dieser Artikel sowie vorherige zum Thema legen mal wieder Zeugnis ab von der hervorragenden Recherchearbeit der TAZ! Besten Dank! Andere Medien äußern sich, besonders was die Verantwortung für unterlassene Hilfeleistungen anbetrifft, viel zu vage.

  • Das 1,5 Grad-Ziel ist längst gerissen. Exemplarisch für eine falsche Politik ist u.a. die Nichteinführung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen.



    Die Lebensgrundlage ist die Umwelt, die Biologie nicht die Digitalisierung nicht die Autos.



    Es sind drastische Maßnahmen zum Hitzeschutz notwendig - wenn überhaupt möglich.

    • @OhneNamen:

      Möglich aber verschlimmert die Lage nur. Klimaanlagen im Haus, spezielle Anzüge, Fahrten nur noch mit einem dauerlaufenden, vorklimatisierten E-Auto, weil der Fußweg zur Bahnstation bereits gefährlich ist. Alles, damit der Mensch bei 50°C im Schatten und vielleicht 40° im Regenwald nicht eingeht.



      Mehr Elektrizität, mehr CO2. Hoffen wir mal, dass die sintflutartigen Regenfälle, die dann immer öfters auftreten, nur auf unbewohntes Gebiet fallen.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Hitzeschutz geht auch ganz ohne Strom mit begrünung der Innenstädte.

        Ein Baum senkt die Umgebungstemperatur deutlich insb. im Schatten.

        Die Begrünung kann auch dabei helfen besser mit den Wassermassen klar zu kommen.

        2 Fliegen mit einer klappe.

        Die aklimatisierung der Wohnungen durch Klimaanlagen wird jedoch tatsächlich ein ernormes Problem werden, siehe China.

  • Es geht absolut über meinen Horizont, wieso es Menschen gibt, die glauben, solche Politiker zu wählen, wäre eine gute Idee. Ich wohne derzeit etwa 80 Kilometer von Valencia entfernt und uns haben hier glücklicherweise nur die Ausläufer dieses verheerenden Unwetters erwischt. Die Bilder und Videos von der Katastrophe machen sprachlos.

  • Mein Beileid den Familien die ein Angehörigen verloren haben, die in dieser für sie sehr schlimmen Zeit so sehr getroffen wurden, und vor dem nichts stehen.

    Jetzt hat Spanien Ihr Ahrtal Moment zu spüren bekommen, ich bin sehr gespannt wen es als nächstes und wie schwer trifft, ob jene versuchen werden die Probleme zu negieren.

    Das passiert alles mit Ansage, die Wissenschaftler warnen seit 40 Jahren davor, genau vor dem was wir rund um den Globus an Naturkatastrophen gerade erleben.

    Wer nicht hören will, der muss leider fühlen.

    • @taz.manien:

      Leider zieht wohl die Mehrheit keine Schlüsse daraus; andernfalls würden hierzulande nicht immer noch alle auf die Grünen hetzen . Solange nicht flächendeckend etwas passiert, ist es immer nur "woanders", and man selbst ist natürlich nicht betroffen und muß sein Verhalten nicht verändern...

      We're doomed.

      • @Oliver Mason:

        selbst Menschen, die von Naturkatastrophen direkt betroffen sind, wählen nicht langfristig % häufiger eine grüne Partei oder überdenken Ihr Handeln.

        Wir sind einfach zu gut darin die Realität zu verblenden.

        Nicht nur in socialen Medien lebt jeder in seiner/ihrere Bubble, auch in der Realität werden immer nur Fakten wahregenommen, oder liegen im Fokus, die der eigenen Überzeugung entsprechen. Alles andere wird vom Gehirn gefiltert.

        Sociale Medien verstärken diese natürliche Tendenz.

        Und so wird die Gesellschaft immer weiter polarisiert.

        Das erklärt auch ganz gut die Wahlen in den USA.

  • Unsere Rechtssprechung und Systeme funktionieren so, dass diejenigen, die sich mithilfe abstrakt erfundener "Personengesellschaften" (also verantwortungslose Profit-Systeme ohne private Verantwortung für die Folgen des eigenen Handelns") Vernichtung die Taschen vollschlagen, anschließend neue Perosnengesellschaften gründen, die anschließend wieder vom Aufräumen profitieren. Drecksäcke haben genug Geld, um Neues zu bauen und nicht nur von der eigenen Vernichtung zerneut zu profitieren, sondern ihre nicht vorhandenen Gewissen reinzuwaschen.

  • Es ist immer noch äußerst bemerkenswert, wieviel passieren muss, ehe wirklich ein Umdenken stattfindet. Und ich fürchte, wir sind hier noch nicht am Ende angelangt.

    • @Markus Schäfer:

      Wir werden auch kein Umdenken erreichen. Der Mensch ist die einzige Spezies, die Intelligenz besitzt und die letztlich dafür nutzt, sich selbst zu vernichten. Unser Hirn ist eine Fehlkonstruktion der Evolution: wir wissen um die Folgen unseres Handelns und - machen es trotzdem.

      • @Perkele:

        Das Menschliche Gehirn ist absolut faszinierend.

        In seiner Außenwahrnehmung ist jeder Mensch in der Lage die Außenwelt absolut individuell wahrzunehmen und dabei beliebige Fakten auszublenden.

        Wir leben praktisch jeder in unserer eigenen Matrix oder besser gesagt in Gruppenmatrixen. Die Zugehörigkeit zu einer politischen Überzeugung, oder sonstigen sozialen Gruppe, bestimmt größtenteils darüber, was am Ende als "wichtige" Information das graue Stübchen erreicht.

      • @Perkele:

        Keine Fehlkonstruktion sondern eine Frage der Kognition. Im übrigen gibt es noch sehr viele andere Arten die Intelligenz besitzen und sich generell auch intelligenter verhalten als die Menschen.

        • @Sam Spade:

          Das ist ein Thema über welches ich sehr gerne ausführlicher diskutieren würde. Doch in diesem Forum würde es den Rahmen sprengen. Gibt es eine Möglichkeit, telefonisch Kontakt aufzunehmen? Dies ist eine Frage an die TAZ-Redaktion. Ich hätte nichts dagegen Sam Spade meine Telefonnummer zukommen zu lassen unter Bezugnahme auf diese Zeilen.

  • Vorbote des Vorboten: September 2012 in Spanien mit glimpflicherem Ausgang!



    www.spiegel.de/pan...nien-a-858685.html



    Die regionalen Machtverhältnisse hatten offensichtlich aber eher zur Schwächung als zur Stärkung des Katastrophenschutzes beigetragen, auch durch Neubesetzung von Ämtern in entscheidenden Behörden nach Wahlen: Nicht nach Expertise, sondern nach Parteibuch. Hier macht sich der Rechtsruck exemplarisch bemerkbar.



    So etwas muss ein Warnung für alle vergleichbaren Verhältnisse sein, nicht nur regional.

  • Danke für den Hintergrund. Jetzt kämpfen wir nicht nur ggn. den Klimawandel, sondern auch noch ggn. leugnende Faschos und Trolle (!)



    Hat Aiwanger nicht auch Überflutungswiesen genau dort verhindert, wo dieses Jahr in Bayern das Hochwasser erhebliche Schäden angerichtet hat?



    Wie soll man das seinen Enkeln erklären ...

  • Ja, die Neoliberalen und die Rechten ... Aber es sind wir, die Menschen, die Bevölkerung, die sie gewählt haben und die nichts dazu lernen wollen.

    • @shitstormcowboy:

      Ich finde es immer verstörend, wenn WIR für Wahlergebnisse verantwortlich gemacht werden und UNS dann auch noch mangelnder Lernwille unterstellt wird.

      • @0 Substanz:

        Warum, wenn ein Partei gewählt wird, regiert die Ihnen gefällt, haben Sie dann auch nichts mit dem Wahlausgang zu tun?

        • @weather2018:

          Mein Beitrag läge so oder so im ppm-Bereich.

  • Mich interessiert, wie die Konservativen und Vox sich aus diesem Desaster herauslügen werden. Bitte bleibt am Ball.

  • Moin,



    Ich finde es interessant dass viele Medien die aufgetürmten Autos zeigen und es thematisieren.



    Mich würde eher interessieren ob irgendwelche Mülldeponien oder Industrieparks von den Wassermassen mitgerissen wurden. Oder wo die tausenden von Quadratkilometer Planen von den Plantage gelandet sind.

    Nun ja, vielleicht hat das Auto einfach mehr Symbolkraft.

    Gruß Roberto

  • Neoliberalismus bringt Verheerungen in das Leben von Einzelnen oder Gemeinschaften, zerstört Leben und Neoliberalismus tötet.

    Es ist vollkommen offensichtlich und die, die ihn immer noch propagieren und vorantreiben, sollten zumindest für die Folgen verantwortlich gemacht werden.

    Leider hat sich die politische Linke, hat sich die Sozialdemokratie oft so sehr selbst diskreditiert, dass eine neoliberale nationalistische Rechte als Alternative erscheint.