Ungleichheit im Bildungssystem: Illusion Chancengleichheit

Der Begriff Klassismus findet zu wenig Beachtung. Veränderung setzt das Sichtbarmachen von Diskriminierung voraus.

Studentin sitzt im Hörsaal und verdeckt ihr Gesicht mit Laptop

Im Hörsaal starten nicht alle mit den gleichen Ausgangsvoraussetzungen Foto: Sarbach/ap

2004: Ich sitze mit meiner Freundin in einem Park neben der Gesamtschule. Wieder einmal unterrichtsfrei. Ich befinde mich im zweiten Halbjahr der 8. Klasse und kenne Physik, Biologie und Geschichte nur aus Dokumentationen aus dem Fernsehen. Es herrscht Leh­rer*in­nen­mangel. Es werden kaum Klassenarbeiten geschrieben. Wo kein Wissen vermittelt wird, kann auch keines geprüft werden. Wir werden hauptsächlich stillgehalten.

Trotz dieser Bedingungen war es Glück, dass ich hier war. Ich konnte in der Grundschule der Schulempfehlung für eine Sonderschule knapp entkommen. Mit viel Hoffnung begann mein Weg auf der Gesamtschule. Am Ende der Schulzeit hatte ich immerhin gelernt, wie Hartz-IV-Anträge ausgefüllt werden, und von der Hoffnung war kaum noch etwas zu spüren.

2014: Über den zweiten Bildungsweg bekomme ich doch noch die Qualifikation, ein Studium der Biologie zu beginnen. Schnell wird klar, dass der Unterschied zu der Schulbildung der anderen Kom­mi­li­to­n*in­nen größer ist, als ich vorher dachte. Die Folge ist wieder Frust. Während ich in der Vergangenheit den Frust immer teilen konnte, bin ich diesmal damit allein.

2019 stoße ich auf den Begriff Klassismus. Nun kann ich das, was ich erlebt und beobachtet habe, greifen. Klassismus, die Diskriminierung aufgrund der Klassenherkunft oder der Klassenzugehörigkeit. Nur wenigen ist dies an der Universität bewusst, obgleich viele ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Deshalb gründete ich mit anderen Studierenden ein Referat für antiklassistisches Empowerment an der Universität zu Köln (fakE).

Es ist wichtig, eine reale Ungleichheit im Bildungssystem sichtbar zu machen und zu skandalisieren. Gleichzeitig wollen wir betroffenen Personen den Zugang zu Bildung ermöglichen. Uns geht es nicht darum, Betroffene mit Hochschulabschluss als Erfolgsgeschichten vorzuführen, denn weder leben wir in einem System, wo Chancengleichheit existiert, noch bedeutet heute ein Hochschulabschluss automatisch materielle Sicherheit.

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ist 1990 im Ruhrgebiet geboren und begann 2014 nach einer Ausbildung zur Friseurin ein Studium der Biologie. Heute arbeitet sie im Zoologischen Institut Köln und ist aktiv im antiklassistischen Referat fakE sowie in den Vereinen zum Abbau von Bildungsbarrieren und Kölner Erwerbslose in Aktion (KEAs).

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