piwik no script img

Ungerechtes BildungssystemLasst Schulkinder länger zusammen lernen

Gastkommentar von Milena Feldmann

Unsere Schulen folgen einem sehr alten Prinzip. Die frühe Trennung nach der Grundschule sollte abgeschafft werden.

Klassenfoto einer Mädchenschule in Kiel, 1917: die Trennung nach wenigen Jahren Grundschule ist ein Relikt aus dem Kaiserreich Foto: H. Tschanz-Hoffmann/imago

D ieser Tage werden in Deutschland Zeugnisse verteilt. Insbesondere für Kinder am Ende der Grundschulzeit ist das ein kritischer Moment: Die Übergangszeugnisse entscheiden über ihre weiteren Lebenschancen. Die frühe Separierung der Kinder ist nicht nur aus sozialen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen falsch.

Die Trennung nach wenigen Jahren Grundschule ist ein Relikt aus dem Kaiserreich. Schon damals wurde die frühe Separierung mit Verweis auf die Gefahr einer „sozialistischen Einheitsschule“ von konservativen Kreisen durchgesetzt. Begabte müssten früh gefördert werden, um Deutschland voran­zu­bringen.

Dass die begabten Kinder fast immer auch die gut betuchten waren – kein Zufall. Aber die Argumentation hält sich hartnäckig. Die Schule dürfe kein „Pseudoschonraum“ unter Laborbedingungen sein, meint etwa Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer.

Dabei ist es vor allem die Herkunft, die über die Schulform entscheidet: Die Wahrscheinlichkeit, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, ist für Kinder von Akademikerinnen oder Unternehmern viermal so hoch wie für (Fach)arbeiterkinder. Selbst bei vergleichbaren Lesekompetenzen schätzen Lehrkräfte die Gymnasialtauglichkeit von Schü­le­r:in­nen aus akademischen Haushalten deutlich höher ein.

Milena Feldmann

Milena Feldmann promoviert im Fach Erziehungs­wissenschaft und ist derzeit Schülerin der Deutschen Journalistenschule in München.

Fair ist das nicht.

Die Debatte über Deutschlands Schulsystem ist ermüdend, aber sie darf nicht ad acta gelegt werden. Wer weiß schon, ob ein zehnjähriges Kind sich noch zum Mathe- oder Sprachgenie entwickeln oder bei „Jugend forscht“ brillieren würde, wenn es die Chance dazu hätte?

Nicht nur der Fachkräftemangel erfordert es, alle gleichermaßen zu fördern. Eine gemeinsame Schulerfahrung und diverse Freundeskreise wirken gegen die Fragmentierung unserer Gesellschaft. Trotzdem spielt das Schulsystem in den Wahlprogrammen der großen Parteien keine Rolle. Daher ein Zwischenruf: Lasst die Kinder länger zusammen lernen!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

46 Kommentare

 / 
  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • eigentlich wird doch an den Gymnasium viel mehr unnützes Zeug unterrichtet als an den Realschulen.



    Latein und Musik, aber kein Schreibmaschine schreiben und kaum Physik. Eigentlich sollte die Realschule eine ernst zu nehmend Konkurrenz für das Gymnasium sein. Warum ist sie das nicht?

  • Dass das Bildungssystem gerechter werden muss, vor allem, solange es noch eher ein Chancenverteilungssystem als ein Bildungssystem ist. Ja.



    Dass man die Binnendifferenzierung lernen muss, das auch.



    Dann versteht A 3+4, während B vielleicht schon quadriert oder auch mal A 13+4 erklärt.



    Nicht der Zufall der Geburt mag entscheiden, am besten gar nicht gegeneinander setzen, sondern jede und jeden nach Fähigkeiten, Neigungen, vorhandenen Möglichkeiten maximal fördern. Nicht nur ökonomisch, sondern auch humanistisch gedacht eine sehr wertvolle Lösung.

  • Das Schulsystem tut doch genau was es soll.

    Es sichert den Eliten einen Platz am Futtertrog.



    Nicht mehr und nicht weniger.

    Darum bleibt es auch so wie es ist.

    Ach so, ja, heute kann ein jeder studieren. Stimmt ja.

    Aber entscheidend ist ja wer letztlich die besten Plätze an den Futtertrögen hat und das ist fast aussschliesslich von der sozialen Kaste abhängig.

  • Grundsätzlich und fachlich stimme ich dem Kommentar aus ganzem Herzen zu.

    Allerdings brauchen die Schulen auch die passenden Rahmenbedingungen:

    Kleine Klassen, ausreichend qualifizierte Lehrkräfte und Sozialpädagog*innen, passende Räumlichkeiten, etc.

    Sonst gelingt es nicht, allen Kindern mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden und alle bestmöglich zu fördern. Und dann schicken die Ressourcen-stärkeren Eltern ihre Kinder doch auf das Gymnasium...

  • Das Problem ist durch zahllose Studien belegt, die Lösung überzeugt dennoch nicht. Immerhin gibt es ja überall Gesamtschulen .

    Zudem zeigt sich die Problematik auch schon in den ersten 4-6 Jahren, wo die Schule noch gemeinsam besucht wird, je nach Bundesland. Kinder aus Akademikerfamilien sind schon Bücher gewöhnt, können oft schon etwas lesen und rechnen - Kinder aus "abgehängten Milieus" (sagt man wohl so), sprechen kaum 1000 Wörter auf Deutsch und können besser ein Handy bedienen als einen Stift halten.

    Viel sinnvoller wäre es als, die vorschulische Förderung auszubauen, um solche Unterschiede zu minimieren und in den Schulen Förderunterricht anzubieten, damit Rückstände aufgeholt werden können. Es ist ja nicht die Intelligenz, sondern die Förderung, die den Kindern fehlt, die schon mit Rückstand zum ersten Schultag erscheinen.

  • Das gegliederte Schulsystem gibt gerade in Quartieren mit hohem Anteil von Schülern aus bildungsfernen Elternhäusern den begabteren Kindern ein Chance, die sie gerade nicht hätten, wenn sie in einer Einheitsschule bleiben müssten, die strukturell anders ist als in einem Villenviertel. Das Gymnasium wird im sozialen Brennpunkt zwar von weniger Schülern besucht, ist aber dem Gymnasium in der gehobenen Wohngegend, wo die Grundschulklassen fast komplett wechseln, ähnlicher als die jeweilige Grundschule.

    Dadurch hängt in Deutschland die Bildungschance weniger vom Wohnort ab (und indirekt vom Einkommen) als z.B. in den USA.

  • Im Kaiserreich haben die meisten länger zusammen gelernt, weil nur sehr wenige auf das Gymnasium gewechselt sind. Schon aus Kostengründen.

    Versteht man die Begabungsverteilung als Glockenkurve, macht es auch Sinn, die besten 10% oder die besten 25% getrennt zu Schulen, weil sie sich deutlicher vom Durchschnitt absetzen. Eine Teilung gerade in der Mitte der Verteilung, am höchsten Punkt der Glockenkurve mit der Hälfte der Schüler im Gymnasium, trennt grosse Schülergruppen, die sich mit z.B. einem IQ von 90 bzw 110 nur wenig unterscheiden.

  • Zustimmung!



    Doch leider feiert die Ständegesellschaft wieder fröhliche Urständ!

  • (1) Ein gegliedertes Schulsystem heißt doch nicht, dass man nach der 4.Klasse lebenslang einsortiert wäre. Natürlich kann man nach der Haupt- bzw. Oberschule über BOS, FOS auf die FH und weiter auf die Uni. Es dauert nur ein wenig länger als das Gymnasium, und dieser langsame Weg ist genau das, was manche Spätzünder brauchen. Hier wird nur die Ausbildungsdauer optimiert, um möglichst vielen eine Chance zu geben.

    (2) Schule kostet Geld; Effizienz ist wichtig. Deshalb bildet man ja Schulklassen und unterrichtet nicht jeden einzeln; woraus auch folgt: je homogener die Klassen sind, desto besser funktioniert der Gruppen-Unterricht, desto besser für alle. Schüler mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen und Potential in eine Klasse zu zwingen schadet allen und befriedigt nur einen unsinnigen politischen Gleichmachertrieb.

    • @Descartes:

      "Natürlich kann man nach der Haupt- bzw. Oberschule über BOS, FOS auf die FH und weiter auf die Uni. "

      Ja, als Spender für den Anatomieunterricht.

      "Der langsame Weg ..."

      Mit vierzig dann als Ersti oder wie ?

    • @Descartes:

      Die Erfolge der skandinavischen Schulsysteme widersprechen Ihrer Hypothese. Sie zeigen, dass auch lernstärkere Kinder von inklusiverem Unterricht profitieren können.



      Aber, da haben Sie Recht: Das kostet Geld.



      Ein Schulsystem, dass alle Kinder bestmöglich fördert, kostet immer Geld, egal ob getrennt oder nicht. Zur Zeit gelingt das in Deutschland nicht gut genug.

      Ein selektives Schulsystem, dass einen Teil der Schüler*innen nicht mitnimmt, kostet mehr - spätestens im Sozialsystem und im Gesundheitswesen. Dazu kommen die nicht monetären, gesellschaftlichen Aspekte, die im Kommentar genannt werden.

      • @J. H.:

        Nennen Sie doch mal eine Studie aus Skandinavien die mit harten Fakten belegt wie lernstärkere Kinder denn konkret profitieren. Da finde ich immer nur sehr viel Blümerantes. Die Kehrseite des schwedischen integrativen Modells ist ja, dass dort Eltern versuchen wie inzwischen auch hier ihre Kinder auf Privatschulen vor der Integration an staatlichen Schulen in Sicherheit zu bringen. Im Endeffekt sind inzwischen fast 30% der Schulen privat (9% bei uns).

  • Einfach zu sagen „wir wollen die Chancen von Kindern aus bildungsfernen steigern, also Gesamtschule“ geht immer zu Kosten einer anderen Gruppe: Es gibt genug Menschen, deren Kindheit kein Alptraum wurde, gerade weil sie auf der weiterführenden Schulen endlich nicht mehr terrorisiert wurden.

    • @Wolfgang Schwach:

      Vor allem löst es kein einziges Problem. Wenn Kinder schon von der ersten Klasse an hinterherhängen, reicht es nicht, dass alle auf die Gesamtschule gehen - sondern man muss denen, die Rückstand haben, Unterstützung anbieten.

    • @Wolfgang Schwach:

      Es gibt andererseits auch genug Beispiele, wo der Terror auf der weiterführenden Schule erst richtig losging.

      • @rero:

        Wolfgang Schwach meinte vermutlich Terror der Mitschüler, rero meint vermutlich Überlastung durch Schulanforderungen.

        • @meerwind7:

          Nein.



          Ich meine auch den Terror der Mitschüler.

          Zumindest meine Kinder hatten in der Grundschule tendenziell die netteren Klassen.

          Natürlich würde ich nie behaupten, die Erfahrungen seien verallgemeinerbar.

  • Ich widerspreche der Autorin ausdrücklich. Unterschiedliche Begabungsprofile bedürfen eines differenzierten Schulsystems. Eigentlich müsste schon nach der 3. Klasse getrennt werden. Dass selbst Berlin in rot-roten Regierungszeiten an seinen 30 grundständigen Gymnasien ab Klasse 5 festgehalten hat, ist doch bezeichnend. Ziel muss sein, bundesweit zum neunjährigen Gymnasium zurückzukehren. Und den Zugang allein von der Leistung abhängig zu machen. Ergo: Auch die Integrierte Gesamtschule ist und bleibt damit ein Relikt linker Bildungsphantastereien der 1970er Jahre.

    Dr. Benedikt Vallendar, Bonn

    • @Dr. Benedikt Vallendar:

      Deutlich erfolgreichere und inklusivere Schulsysteme, z.B. in Schweden und Norwegen, widersprechen Ihrer Hypothese.



      MfG

      • @J. H.:

        Und die Vergangenheit zeigt das unser Schulsystem, siehe Ausbildungsstand in den Schulen 60er 70er 80er doch nicht so schlecht ist.



        Denn seltsamerweise sind die Boomer zwar "böse", aber oft sehr gut ausgebildet.



        Auch ist es nicht immer zielführend, Länder als Beispiel zu nehmen, die zusammen weniger Einwohner als NRW haben.

    • @Dr. Benedikt Vallendar:

      Vielen Dank, genauso ist es. Es ist ja auch kein "zusammen lernen", wenn es das denn wenigstens wäre, sondern es wird kollektiv so gut wie nichts mehr gelernt.

    • @Dr. Benedikt Vallendar:

      Relikt klingt sehr überzeugend. Aber warum bestimmt im deutschen Bildungssystem das Elternhaus so stark den Schulerfolg? Und spricht das für die Qualität des Bildungssystems? Sollen nicht alle bestmöglichst gefördert werden?

    • @Dr. Benedikt Vallendar:

      Die grundständigen Klassen in den Gymnasien Berlins wurden meist erst nach der Wende überhaupt eingerichtet.

      "Festhalten" trifft es also nicht so richtig.

      Oft bieten die Gymnasien beides an.

      Bezeichnend ist da gar nichts.

      Berlin taugt eher als Gegenbeispiel.

      Die sechsjährige Grundschule bietet mehr Leistungsgerechtigkeit, weil einfach manche Kinder Spätentwickler sind.

      Wenn dann noch Startschwierigkeiten dazukommen, weil beispielsweise das pädagogische Konzept nichts taugt, bleiben Kinder unter ihren Möglichkeiten.

      • @rero:

        "Die sechsjährige Grundschule bietet mehr Leistungsgerechtigkeit, weil einfach manche Kinder Spätentwickler sind."



        Es kann aber auch nicht sein, das diese Leistungsschwachen und auch die Leistungsunwilligen andere Kinder ausbremsen und hindern sich zu entfalten. Nicht der schwächste darf das Tempo bestimmen. es gibt nämlich durchaus Kinder, die Lernen wollen, die jede Art von Wissen aufsaugen. Diese werden aber durch das langsame lernen und ständige wiederholen bis auch der Letzte mitgekommen ist, nur ausgebremst, und verlieren ebenfalls die Lust an der Schule. Inklusion hat und muß auch ihre Grenzen haben. Dies kann ich schreiben als Vater eines, mittlerweile erwachsenen, behinderten Kindes, welches auf einer "normalen" Schule physisch und psychisch untergegangen wäre.

        • @Oleg Fedotov:

          Wie Sie es beschreiben, läuft doch Schule überhaupt nicht (mehr).

          Kein Lehrer wiederholt, bis auch der Letzte mitkommt.

          Eine gute Pädagogin kann gerade in der Grundschule den Hochbegabten Futter und den Schlechten Unterstützung geben.

          Meine eine Tochter hatte ein hochbegabtes Mädchen in der Klasse, dass am Ende der 1. Klasse bereits mit dem Stoff der 2. Klasse zu Dreiviertel durch war.

          Es blieb bis zur 6. Klasse.

          Die Eltern schätzten ihre tolle soziale Einbindung, obwohl sie offensichtlich anders war.

          Die Leistungsgerechtigkeit kommt nicht zustande, weil Lehrer auf den Letzten warten.

          Sie entsteht, weil pädagogische Fehler der ersten beiden Klassen besser ausgemerzt werden können.

          Wenn Sie erstmal in einer Schublade drin sitzen, passiert wenig.

          Nach dem, was ich gesehen habe, würde ich mein behindertes Kind auch nicht unbedingt auf eine "normale" Schule schicken.

          Manchen bekam es gut, vielen nicht. Die sind untergegangen.

      • @rero:

        Die einen sind Spätentwickler und holen zwischen 10 und 12 Jahren auf, andere sind früh in der Pubertät und dadurch mit 12 eher gebremst. Das Argument kann nicht begründen, warum gerade nach der sechsten Klasse der beste Zeitpunkt wäre.



        Es geht auch darum, in der Grundschule einen Schutzraum vor den älteren zu schaffen.

        • @meerwind7:

          Es muss nicht gerade die 6. Klasse sein.

          Aber die 4. ist zu früh.

          Da ist noch zuviel Entwicklung drin.

  • Ich halte von der PISA-Studie nicht sonderlich viel, weil Vergleiche verschiedenster Schulsysteme immer etwas hinken. Und inwieweit die erhobenen Ergebnisse der einzelnen Länder immer objektiv waren, stelle ich auch mal in Frage.



    Es ist aber folgendes festzustellen. In jenen Ländern, die in der PISA-Studie vorne zu finden sind (Estland, Finnland, Japan, Korea...), geht die Grundschule mindestens bis zur 6. oder gar 9.Klasse, erst danach entscheidet sich der weitere Bildungsweg.



    Das bedeutet, dass die Schüler zwischen 12 und 15 Jahre alt sind, wenn sie weiterführende Schulen besuchen, bei uns sind die Kids gerade mal 10 Jahre alt. Es gibt genügend Kinder, die einfach etwas länger benötigen, ein 'guter' Schüler zu werden, sei es aufgrund der biologischen Entwicklung, sei es aufgrund kognitiver Fähigkeiten oder einfach auch aus Gründen der Selbstmotivation. Gemeinsames, längeres Lernen in der frühen Jugend, kann meines Erachtens etliche Defizite ausgleichen, die dann weniger Schulversager, Schulabbrecher etc. hervorbringen.

    • @Klaus Waldhans:

      Diese Spitzenländer der PISA-Studie zeichnen sich v.a. durch sehr geringe Einwanderung aus bildungsfernen Schichten aus. Klassen mit vielen nicht-Muttersprachlern gibt es in Japan und Korea nicht. Sinnvoller ist der Vergleich zwischen Bundesländern innerhalb Deutschlands. Top 3: Sachsen, Bayern, BaWü, alle mit gegliedertem Schulsystem.

      • @Descartes:

        Jeder liest aus Statistiken, was er möchte. Unsere Gesellschaft ist anders als die japanische oder koreanische. Ich weiss nicht, wer in 30 Jahren mehr Probleme haben wird. Ich würde bildungsfern nicht mit Einwanderung gleichsetzen. Es stimmt allerdings, dass D es nicht geschafft hat, eine vernünftige Einwanderungspolitik zu betreiben.

        Bayern leistet sich den Luxus einer harten Selektion. Bei gleichzeitig bescheidener Pädagogik. D.h. die Familie muss sehr viel leisten. Wer das richtige Elternhaus hat, kommt bis zum Abi, die anderen sind eben zu dumm.

  • Das Problem ist weniger die Einheitsschule. Die Gestaltung der Lehrpläne ist derartig katastrophal, dass viele Kinder nicht mehr lesen und schreiben lernen. Die Klassengesellschaft tut das Ihrige. Die guten Zensuren kommen oft nicht durch Leistung, sondern durch Niveausenkung zustande. Abiturienten versagen dann an der Uni gerade in den naturwissenschaftlichen Bereichen. Bildung insgesamt muss wieder als Ausbildung gedacht werden. Was die momentane Berliner Grundschule hinbekommt, zeigt sich in den Problemen, die immer häufiger auftreten. (Ich hatte übrigens einen 4.-Klässler als Schulschwänzer - zum Geigenunterricht und zur Zusatz-Mathe-AG ist er gefahren, seine Zeit hat er sonst mit Lesen verbracht - in der Schule wurde er geschnitten - nach Lehrer-Meinung zurecht - wir waren arm, sahen südländisch aus und waren damit klar "bildungsfern" - heute studiert der Knabe erfolgreich Physik)

    • @Niemals:

      Die Berliner Grundschule ist ein besonderes Kapitel.

      Da wurden mal mehrere Stellschrauben gleichzeitig verändert, so dass keiner mehr weiß, warum es schlecht läuft.

      Zudem gibt es keine richtige Evaluierung.

      Aber Grundschulen zu allen möglichen pädagogischen Konzepten.

      Grausam.

  • Gegenthese:



    Das Schulsystem ist viel zu wenig differenziert.



    Die Klassen sind in ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft viel zu heterogen.

    Wer wirklich etwas für die Zukunft tun will (nicht nur gegen den "Fachkräftemangel"), der muss das Ziel haben, dass der Output der Schulen möglichst hoch ist, sprich dass die Schülerinnen und Schüler hinterher viel können.



    Das erreicht man nicht, indem man die Standards für alle absenkt.

    Dass es bei der Differenzierung allein um Leistungsfähigkeit bzw. Förderbedarf der Kinder und Jugendlichen und nicht um Ehrgeiz oder Status der Eltern gehen darf, versteht sich von selbst.



    Dass es jedoch immer mehr so ist, liegt auch an der Pädagogik der Leistungsfeindlichkeit:



    Den Schülerinnen und Schülern wird suggeriert, dass sie nicht viel tun müssen. Es ist klar, welche Elternhäuser da am ehesten dagegen halten (können).

    Würde die Schule von allen verlangen, was sie können, fällt diese Bevorzugung automatisch weg. Mit anderen Worten: Lehrerinnen und Lehrer, die "nett" sein wollen, Ministerialbeamte, die es "einfacher" machen wollen, vernachlässigen besonders die Kinder aus weniger gebildeten Familien und rauben ihnen Chancen.

    • @Frauke Z:

      Ich gebe Ihnen Recht und widerspreche zu gleich.



      Das Schulsystem differenziert zu stark, die einzelnen Lehrer zu wenig.



      Ein modernerer Unterricht würde heterogenere Klassen mit individuelleren Fördermöglichkeiten für die einzelnen Schüler ermöglichen.



      Das ist kein Vorwurf an die einzelnen Lehrer, die meisten wissen sehr gut, dass sie nicht die ganze Klasse über einen Kamm scheren dürfen. Viele verzeifeln aber an den Anforderungen, die das System an sie stellt, sodass für individuelle Förderung innerhalb der Schule kein Platz mehr bleibt.



      Individuelle Förderung ist übrigens das Gegenteil von Leistung absenken. Indem ich als Lehrer nicht für die ganze Klasse eine Prüfung abhalten muss, sondern die Zeit bekomme, die Leistungen jedes Schülers im Laufe des Unterrichts zu beurteilen, kann ich jedem Schüler die Hürden genau so hoch legen, wie es nötig ist, um das Beste zu wecken.



      Geht natürlich nicht in Klassen mit 35 Schülern, die auch noch von zu Hause ihr Päckchen zu schleppen haben.



      Geht aber durchaus in Schulen, die Kinder nicht nach angenommener Leistungsfähigkeit mit zehn voneinander trennt.

  • Hätte mir mit meinem ADHS, das ich erst mit 42 erkannt habe obwohl die Symptome in jedem Schulzeugnis von 1988 weg standen, auch nichts geholfen. Ich finde es braucht nach der Grundschule, oder schon in der Grundschule, Unterricht in denen auch die 5~10% die anders ticken gefordert sind ohne sich zu langweilen oder überfordert zu sein. Ich war stur genug um's bis zum Abitur durchzuhalten, aber Dinge wie gemeinsame Schulerfahrung oder Freundeskreis sind an mir vorbeigegangen.



    Es braucht ein besseres Schulsystem vorallem aber das Verständnis dass die Schulezeit die beste Investition in die nächste Generation ist die wir machen können. Es braucht mehr und zufriedenere Lehrer (warum es manche Lehrer akzeptieren in den Ferien in die Arbeitslosigkeit geschickt zu werden ist mir ein Rätsel) und nachdem wir Kinder aus bildungsfernen Familien fördern müssen, braucht es auch mehr Sozialarbeit damit sich die Lehrer auf die Wissensvermittlung konzentrieren können.

    • @Thomas Koll:

      Vielleicht hätte es Ihnen doch geholfen, wenn Sie an einer echten integrativen Schule auch als angehender Abiturient Kontakt zu Sonderpädagogen gehabt hätten, die Ihre Schwierigkeiten anders hätten einordnen können, als Fachlehrer.

  • "Wer weiß schon, ob ein zehnjähriges Kind sich noch zum Mathe- oder Sprachgenie entwickeln oder bei „Jugend forscht“ brillieren würde, wenn es die Chance dazu hätte?" - Eins ist gewiss: Auf der Einheitsschule wird weder das eine noch das andere geschehen.

    • @Carsten Bittner:

      Doch.

      Zu Ostzeiten war es Standard, dass die Kinder bis zur 10. Klasse zusammenblieben.

      Mathe- und Sprachgenies entwickelten sich trotzdem.

    • @Carsten Bittner:

      Das ist die Angst, die viele haben.



      Aber die wenigen Gesamtschulen, die es bereits gibt, belegen das Gegenteil.



      Es kann Kinder sehr beflügeln, wenn sie in jedem Fach ihrem eigenen Niveau gemäß unterrichtet werden. Und das Kind mit Faible für Physik, das aber mit Sprache und Grundrechenarten nicht klarkommt, findet an der Einheitsschule viel wahrscheinlicher Gleichgesinnte und Lehrer, die bei dem Projekt für Jugend forscht mitknobeln und Hilfestellung leisten, als an einer Schule, an der sich alle Schüler für den ausgesiebten Dreck halten.



      Ob das Kind danach auch zur Uni geht, sollte erstmal zweitrangig sein. Dass es seine eigenen Stärken kennenlernt, ist viel wichtiger.

      • @Herma Huhn:

        "das Kind mit Faible für Physik, das aber mit Sprache und Grundrechenarten nicht klarkommt, " oh mein Gott ... da zeigt es sich wieder ... Da Sie vom Fach sind: Sie schaffen es kaum, in einer Klasse, in der viele Kinder nicht einmal mit den Grundvoraussetzungen zum Lesen lernen starten, eine Binnendifferenzierung durchzuführen.

        Und, man staune, Physiker können in der Regel auch rechnen, sie lernen nämlich, wie alle anderen kleinen Kinder, bevor sie sich für Physik entscheiden, erst die Grundrechenarten. Was Sprachen betrifft, wenn weiter geschummelt wird und angeblich bilingualer Unterricht eben nicht in echtem bilingualem Unterricht besteht, gibt es ein Problem. Dann revoltieren gerade die Knaben. Was gebraucht wird, sind einfach klare Strukturen, echte Lernziele und eine Orientierung an tatsächlich erbrachten Leistungen. Es ist eben nicht sozial, Leistungsspitzen, statt sie zu fördern, permanent als unsozial zu stigmatisieren. Lassen Sie einfach Spezialschulen, wie es sie im Osten einmal gab, wieder zu. Die Kinder haben dann alle Möglichkeiten, sich zu entwickeln und sind auch sozial gut aufgehoben. Verändert sich ihr Interesse, kann die Schule immer noch gewechselt werden.

      • @Herma Huhn:

        Ob das Kind danach auch zur Uni geht, sollte erstmal zweitrangig sein. Dass es seine eigenen Stärken kennenlernt, ist viel wichtiger.

        Und genau deshalb wird heutzutage das Abitur, die Abschlussprüfung in vielen Berufen verschenkt.



        Nur keine Leistung mehr fordern.

      • @Herma Huhn:

        So isses.

      • @Herma Huhn:

        Ein Kind, das mit Physik, aber nicht mit Grundrechnung klar kommt, habe ich in 30 Jahren als Lehrer noch nie getroffen.

        • @Reiner Wadel:

          Es gibt sogar Mathematiker, die Probleme mit den Grundrechenarten haben.



          Wenn Ihnen das als Lehrer nicht begegnet, könnte das mit dem aktuellen Schulsystem zu tun haben.