piwik no script img

Umweltfreundlichere LandwirtschaftEin historischer Kompromiss

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Bauernverband und KritikerInnen sind sich einig über eine umweltfreundlichere Landwirtschaft – eine riesige Chance für mehr Klimaschutz nach der Wahl.

Die Kommission empfiehlt außerdem eine Tierhaltung, die eher den ethischen Vorstellungen der VerbraucherInnen entspricht Foto: Frederik von Erichsen/dpa

D ie Landwirtschaft liefert oft schlechte Nachrichten: Die Branche ist einer der größten Treiber des Klimawandels, viele Schweine werden erbärmlich gehalten, auf dem Land sterben immer mehr Vogelarten aus. Doch nun gibt es eine realistische Möglichkeit, der Lösung solcher Probleme bedeutend näher zu kommen. Denn zwischen fast allen wichtigen Umwelt- und Bauernorganisationen herrscht seit kurzem eine überraschende Harmonie: Allen voran der Deutsche Bauernverband und der Naturschutzbund haben sich in der vom Bundeskabinett gegründeten Zukunftskommission Landwirtschaft auf einen Plan geeinigt, wie die Branche künftig klima- und umweltfreundlicher und trotzdem rentabel produzieren kann.

Hoffen lässt vor allem die Tatsache, dass der Bauernverband erstmals wichtige Forderungen der UmweltschützerInnen unterschrieben hat. Dass er unter dem lang anhaltenden Druck der Gesellschaft seinen Widerstand in diesen Punkten aufgibt, ist eine riesige Chance, die die neue Regierung nach der Bundestagswahl nutzen kann – und muss. Fiel der Bauernverband bisher durch Kleinreden der Probleme auf, trägt er nun die schonungslose Analyse der Kommission mit.

Demnach verursachte die Landwirtschaft 2020 rund 13 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Dass ein gutes Drittel der Grundwasserkörper in einem „schlechten chemischen Zustand“ seien, werde zu knapp 80 Prozent durch Nitrat aus Düngern verursacht. Diese Stickstoffverbindung ist potenziell gesundheitsschädlich; aus Grundwasser wird aber das meiste Trinkwasser gewonnen. Während viele LandwirtInnen das Artensterben einfach nicht wahrhaben wollen, stimmt ihr größter Verband nun beeindruckenderweise dem Gegenteil zu.

Als negativ bewertet die Kommission, Tiere durch Operationen wie das Kürzen von Schnäbeln oder Schwänzen an reizarme und enge Ställe anzupassen. Dabei rechtfertigen viele Bauern diese brutale Praxis zynisch als Tierwohlmaßnahme.

Geradezu historisch ist ebenfalls, dass die A­grarlobby sogar der These ihrer ärgsten KritikerInnen zustimmte, die heutige Landwirtschaft halse der Gesellschaft hohe „externe Kosten“ etwa durch Verschmutzung von Luft und Wasser auf. Dabei gehe es jährlich um „einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag“. Allein dieses Eingeständnis hat die Arbeit in der Kommission gelohnt.

Weniger Fleisch- und Milchkonsum

Damit lassen sich nun überzeugend Reformen begründen, die das Gremium empfiehlt. Es rät zu Recht, den Konsum tierischer Lebensmittel wie Fleisch und Milch zu senken. Schließlich entstehen vor allem für ihre Produktion die Treibhausgase der Branche. Dieses Ziel haben der Bauernverband und die mit ihr traditionell eng verbundene CDU/CSU-Fraktion immer abgelehnt.

Die Kommission empfiehlt außerdem eine Tierhaltung, die eher den ethischen Vorstellungen der VerbraucherInnen entspricht. Also mit mehr Platz, Zugang zum Außenklima und teils sogar zum Freien. Der Abschlussbericht des Gremiums rät auch, auf Operationen wie das Schweineschwanzkürzen zu verzichten.

All das würde nicht nur die Akzeptanz der Tierhaltung in der Gesellschaft steigern. Es würde auch Fleisch verteuern, sodass die Nachfrage sinkt und das Klima entlastet wird. Die Kommission rät zwar, im Gegenzug etwa Hartz-IV-Empfängern mehr fürs Essen zu zahlen. Aber dieser soziale Ausgleich betrifft nur eine kleine Gruppe und würde den Umwelteffekt kaum schmälern.

Sinnvoll ist auch die Empfehlung der Kommission, die Moore weitgehend wieder zu vernässen, die für die Landwirtschaft trockengelegt worden sind. Schließlich geben diese Flächen im trockenen Zustand einen Großteil der Treibhausgase ab, für die die Branche verantwortlich ist.

Dem Klima nützen könnte auch, wenn sich Politik und Landwirtschaft an die Kommissionsempfehlung halten, 10 Prozent der Agrarlandschaft etwa für Brachen, Hecken oder Baumreihen zu reservieren. Das nützt Pflanzen- und Tierarten, die dort leben können. Ihnen wäre auch geholfen, falls die Landwirtschaft, wie von der Kommission empfohlen, den Einsatz von Pestiziden reduziert.

Wer etwas für Umwelt und Tiere in der Landwirtschaft erreichen will, muss auch auf die Branche zugehen

Es ist vernünftig, dass die Bauern für diese Maßnahmen bezahlt werden sollen – nicht nur mit den EU-Agrarsubventionen, die künftig für gesellschaftlich gewünschte Leistungen gezahlt werden sollen, sondern auch mit zusätzlichem Geld etwa aus einer Tierwohlabgabe auf Fleisch. Klar: Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Tiere nicht unter qualvollen Bedingungen gehalten oder Grundwasservorkommen verschmutzt werden. Man könnte fragen: Warum sollten die LandwirtInnen für diese Selbstverständlichkeiten Geld erhalten?

Aber ohne finanziellen Ausgleich werden viele Bauern pleite gehen, denn mehr Natur- und Tierschutz erhöht die Kosten. Deshalb hat die immer noch einflussreiche Agrarlobby über die CDU/CSU bisher erfolgreich Fortschritte blockiert oder lange hinausgezögert. Dass die Bauern für diese Strategie jetzt sozusagen noch belohnt werden sollen, ist nicht gerecht – aber schlicht notwendig. Wer etwas für Umwelt und Tiere in der Landwirtschaft erreichen will, muss die Branche fordern, aber auch auf sie zugehen. Sonst erreicht man am Ende fast nichts.

KritikerInnen haben der Kommission vorgeworfen, der Kompromiss sei an manchen Stellen vage und teils sogar schwach. Dies gilt zum Beispiel für die Passage über die schädlichen Effekte von Pestiziden, die viel deutlicher hätte ausfallen können. Aber: Eine Grundsatzkommission kann nur die grobe Richtung festlegen. Um wie viel zum Beispiel die Zahl der Tiere reduziert werden muss, kann erst nach weiteren Verhandlungen konkret über dieses Thema festgelegt werden.

Da jetzt selbst der Bauernverband eingeräumt hat, dass in Deutschland zu viel Vieh gehalten wird, können CDU und CSU auf diesen Kurs einschwenken. Und das erhöht die Chance auf Verwirklichung dieser richtigen Forderungen ungemein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • In der Tat, ein Lichtblick! Kooperation ist alle mal zielführender als Konfrontation, daher volle Zustimmung zu Herrn Maurins Artikel! Mir fiel dabei auch auf, dass selbst Herrn Maurins Rhetorik bereits den neuen Geist atmet, entweder nolens volens oder bewusst, jedenfalls wurde für Schädlingsbekämpfungsmittel das entsprechende Synonym Pestizid benutzt und nicht Ackergift, dessen Erwähnung bei in der Landwirtschaft tätigen Menschen regelmässig Kopfschütteln hervorruft.

    Ziel jeglicher landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit ist das Heimfahren der Ernte und die Ertragssicherung. Wer also würde absichtlich seine oder ihre Äcker vergiften? Man müsste schön blöd sein, so etwas zu tun, entzöge man sich dadurch doch selbst der Erwerbsgrundlage - ein Fall für den Darwin Award!

    Auch Öko-Winzer vergiften ihre Böden nicht, sie dürfen zwar bei Peronospora-Ausbrüchen Bordeaux-Brühe spritzen und das elementare Kupfer verbleibt ein paar tausend Jahre im Boden, es ist aber nachweislich nicht toxisch, so gesehen handelt es sich bei Cu um ein bergmännisch abbaubares Pestizid, aber ebenfalls nicht um ein Ackergift.

    Man darf gespannt sein, welche Dynamik die neue Konstellation ab September unter der neuen Bundesregierung entwickeln wird.

    • @Magic Theo:

      Pestizide ist genauso ein polemisches Schimpfwort wie Ackergifte. Es geht um Pflanzenschutzmittel. Bei korrekter Beschreibung müsste man die Mittel nach ihrer Wirkung (gegen ) in



      Herbizide = Pflanzen



      Fungizide = Pilze



      Insektizide = Insekten



      benennen. Aber wer möchte sich schon in die Materie vertiefen, wenn man pauschal verurteilen kann.

      • @Günter Witte:

        Interessanterweise beobachtet man vorwiegend im deutschen Sprachraum, dass Pestizid auch als polemisches Schimpfwort aufgefasst werden kann, die Briten sind da z.B. wesentlich entspannter.

        Das mag damit zusammenhängen, dass man bei uns leicht die Assoziation mit der Krankheit bzw. mit dem gleichnamigen Buch von Albert Camus 'Die Pest' vor dem geistigen Auge hat. In England handelt es sich bei pests hingegen um Schädlinge, weshalb pesticides dort nicht negativ konnotiert sind. Man müsste schon mit plague ankommen, was im Englischen tatsächlich die Pest bedeutet.

        Umgekehrt verhält es sich freilich bei oil seed rape, bei dessen Erwähnung im Hintergrund leicht eine Vergewaltigung mitschwingen kann, was bei unserem Raps hingegen nicht der Fall ist.

  • "Während viele LandwirtInnen das Artensterben einfach nicht wahrhaben wollen, stimmt ihr größter Verband nun beeindruckenderweise dem Gegenteil zu."

    Der Bauernverband ist in erster Linie ein Lebensmittelindustrie-Verband, dem sich viele Landwirte angeschlossen haben, um sich Vorteile zu sichern. Es geht mitnichten um die Interessen von Bauern, sondern um die Interessen der dahinterstehenden verwertenden Industrie.

  • Weniger Tierkonsum ist besser für uns alle. Es wäre gut wenn auch die anderen Akteure der Nahrungsmittelindustrie und des Lebensmitteleinzelhandels mitzögen und der Bevölkerung ein reicheres Angebot an tierfreien Produkten und oder biologischen Produkten anbieten könnten. Insofern ist die Kooperation von Lidl mit Bioland auch gar nicht so schlecht.



    Wenn vegane Produkte weniger kosten und besser schmecken, steigt der Verbraucher automatisch auf weniger Tierkonsum um und die Bauern erhalten dann auch gute und bessere Preise, wenn die Erzeugnisse aus dem Pflanzenanbau direkt höher veredelt werden.

  • Grundsätzlich freue ich mich auch, dass hier jetzt gemeinsam gesprochen und Pläne entworfen wurden. Der erste Schritt ist gemacht. Ich habe mich jetzt durch gut die Hälfte des Papiers gekämpft, dass man wirklich hätte eindampfen müssen. Hier zwei Absätze, die darin zu lesen sind, und wo ich denn mein altes Haupt schüttle:

    „Die Natürlichkeitspräferenz (vgl. Kapitel A) vieler Verbraucher:innen birgt Marktchancen für Premiumprodukte und bildet gleichzeitig ein Spannungsfeld zu verschiedenen technischen Innovationsperspektiven. Wie in der Nachhaltigkeitspolitik generell gilt es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Effizienz, Suffizienz und Konsistenz zu finden.“

    „Im Agrar- und Ernährungssystem spielt methodisch gewonnenes, systematisch expliziertes, fachspezifisches, zunehmend spezialisiertes und komplizierteres Wissen eine immer wichtigere Rolle; diesbezüglich steht der Sektor der rasanten Entwicklung in anderen gesellschaftliche …...“

    Solche Sätze finde ich schon frech in einem solchen Papier.

    Was auffällt ist, und weshalb der Bauernverband auch gut zustimmen kann, wie oft von zusätzlicher Beratung, coaching, networking etc. die Rede ist. Das wird natürlich alles der Steuerzahler bezahlen müssen, nachdem die staatliche Beratung über Jahrzehnte zurückgefahren wurde. Das Papier ist also auch ein Wunschtüte und es bleibt spannend was nach einer Wahl übrigbleibt. Ich habe leider auch Beratung erlebt die ihr Geld nicht wert war. Und die Aufgabe und das Verständnis von natürlichen Prozessen, die jetzt optimiert werden sollen, ist schon recht umfangreich. Es gibt nicht einen wissenschaftlichen Ansatz, in den sich die Berater einlesen müssten, es gibt viele.

    Aber es könnte eine neue Chance kommen den Karren aus dem Dreck zu ziehen.