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Umstrittenes Pestizid GlyphosatBayer nutzt Greenpeace-Methode

Glyphosat ist EU-weit nur noch bis Mitte Dezember zugelassen. Der Leverkusener Agrarchemiekonzern wirbt für die Neuzulassung – mit einer Petition.

Manche finden Glyphosat effektiv und billig, andere umweltschädlich und krebserregend, Acker im Nordharz Foto: Martin Wagner/imago

Berlin taz | Grundsätzlich kann jede und jeder sich mit einer Petition, mit einer Bitte oder Beschwerde direkt an den Bundestag wenden und Mitstreitende dafür finden. Das ist ein Bürgerrecht, verbrieft im Grundgesetz. Aber nun bittet der Leverkusener Chemiekonzern Bayer die Parlamentarier um Hilfe – wegen des Unkrautvernichters Glyphosat. Die Unterschriftenaktion dazu läuft jetzt an. Wer gedacht hat, der Kampf gegen das berühmte Ackergift sei beendet, irrt. Er beginnt spätestens jetzt wieder, in neuer Form.

Das Herbizid darf in der EU nur noch bis zum 15. Dezember dieses Jahres gespritzt werden. In den kommenden Wochen müssen die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten entscheiden, ob die Zulassung verlängert wird. Das Mittel steht in Verdacht, krebserregend zu sein. Die maßgebliche Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Efsa, hat vor Kurzem allerdings erst bekräftigt, dass sie keine inakzeptablen Gefahren sieht.

In seiner Petition „Glyphosat: Kein Verbot ohne Alternative“ ruft Bayer die Abgeordneten dazu auf, sich für eine Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat einzusetzen: „Sorgen Sie für klare rechtliche Rahmenbedingungen und Planbarkeit, verhindern Sie Handelsbarrieren und ermöglichen Sie, dass Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat auch in Zukunft weiterhin sachgerecht angewendet werden können.“ Denn es gebe „in vielen Anwendungsgebieten keine wirtschaftliche Alternative zu Glyphosat“.

Für ein einzelnes Unternehmen ist es ungewöhnlich, sich politisch so offen einzumischen. Christina Deckwirth von der Organisation Lobbycontrol beobachtet, wie Firmen Politik beeinflussen: „Zur alten Schule des Lobbyismus der Wirtschaft gehört es eher, Abgeordnete zu Hintergrundgesprächen einzuladen, persönliche Kontakte zur Politik zu nutzen.“ Eine Petition zu starten, das sei eher ein „klassisches Ding von Nichtregierungsorganisationen, von NGOs“.

Bayer ahmt NGO nach

Auch Lobbycontrol macht das. Berühmt für Petitionen ist die Kampag­nen­orga­nisa­tion Campact, die sich damit in alle möglichen Debatten einklinkt, etwa zum Klimaschutz oder zur Kindergrundsicherung, manchen darum auch als Em­pö­rungs- und Protestmaschine gilt. Beim Umweltverband Green­peace läuft gerade auch eine Petition: „Glyphosat-Verbot jetzt!“ heißt sie. Bayer ahmt die Methode Greenpeace, also die der NGOs, nach und kämpft so gegen sie? „Verwerflich ist das nicht“, sagt Deckwirth, „aber es zeigt, wie wichtig Bayer Glyphosat ist.“ Der Druck: hoch.

„Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“, haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag geschrieben. Die Efsa-Einschätzung ist umstritten. Umweltverbände wie der BUND beklagen Datenlücken im Efsa-Bericht, wie die Behörde auch selbst zugibt. Da geht es unter anderem um etwaige Risiken für die Ernährung der Verbraucher oder für die Artenvielfalt. Bis zu 40 Prozent der deutschen Äcker werden mit Glyphosat gespritzt, es zerstört alle störenden Gräser und Kräuter.

Seit 2019 ist der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger Cheflobbyist beim Bayer-Konzern. In der Petition heißt es weiter, ein generelles Verbot ab 2024 stelle „nicht nur Landwirtinnen und Landwirte sowie Winzerinnen und Winzer in Deutschland vor große Probleme. Auch würde es die Erzeugung heimischer Lebensmittel auf unseren Feldern einschränken. Wir fordern eine nichtideologische und evidenzbasierte Politik.“

Die Deutsche Bahn, die einst der größte Abnehmer von Glyphosat in Deutschland war, bekämpft die Pflanzen, die zwischen den Gleisen wachsen, mittlerweile auch anders: mit Mähermaschinen und der als umweltschonender geltenden Pelargonsäure, hergestellt etwa aus Rapsöl. Ökobauern kommen ganz ohne diese Ackerchemie aus. Bayer hält dagegen, Glyphosat gestatte eine Bodenbearbeitung ohne Pflug, was die Äcker vor Erosion schütze, das Bodenleben schone und die CO2-Speicherkapazität des Bodenreichs erhalte.

Bayer übernahm 2018 Monsanto

Der Agrarchemie-Konzern hat große Hoffnungen in den Stoff gesetzt. Er übernahm 2018 den US-Saatguthersteller Monsanto und damit auch den Unkrautvernichter für sagenhafte 63 Milliarden Dollar, erntete bisher aber vor allem Ärger. So schrieben Zehntausende in den USA ihre Krebserkrankung Glyphosat zu und klagten. Und auch wenn Bayer stets bestritten hat, dass Glyphosat krebserregend ist, hat das Unternehmen schon mehrere Milliarden Euro für Vergleiche ausgegeben.

Viele Landwirte dürfte Bayer aber auf seiner Seite haben, weil Glyphosat auch als effektiv und günstig gilt. Bayer hat die Petition nicht direkt beim Parlament eingereicht, sondern sammelt die Unterschriften auf einer eigenen Internetseite. So machen es die Nichtregierungsorganisationen zumeist auch. Die gesammelten Unterschriften würden dann öffentlichkeitswirksam an Bundestagsabgeordnete übergeben, sagt Deckwirth von Lobbycontrol. „Das schafft mehr Aufmerksamkeit, auch in der Öffentlichkeit.“

Hinweis: Eine frühere Version dieses Artikels war mit einem Foto bebildert, das zeigte, wie ein Landwirt in Niedersachsen Pflanzenschutzmittel auf blühenden Raps ausgebracht hat. Dabei handelte es sich nicht um Glyphosat. Um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir das Foto geändert.

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17 Kommentare

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  • Ich bin immer wieder fasziniert, dass für Glyphosatartikel Bilder zur Illustration gezeigt werden, bei denen gar kein Glyphosat ausgebracht wird. Ein Bauer, der Glyphosat in die Rapsblüte spritzt, könnte auch genausogut seinen Acker abfackeln. Der Raps wäre nämlich hin.



    Spannender als Glyphosat wären in dem Kontext übrigens die Insektizide (Insekten tötende Mittel), die hier auf dem Bild ausgebracht werden...

    • @Ringsle:

      Auf den Punkt gebracht



      Der Landwirt würde/könnte sein eigenes Grab Schaufel würde er auf dem gezeigten Bild Glyphosat ausbringen.

  • Die Entwicklung dieser Diskussion ist hoch interessant. Früher hieß es ja, dass Glyphosat Bienen (oder allg. Insekten) schädigt. Da diese Argumentation nicht zu halten war, haben selbst die Umweltverbände ihre Argumentation anpassen müssen. Heute heißt es deshalb, dass Glyphosat die Pflanzen abtötet und somit die Nahrungsgrundlage der Insekten. Dies kann nicht mal in Frage gestellt werden. Trotzdem ist dieses Argument absurd, da der Pflug ja (vielleicht sogar noch mehr, wenn man "ordentlich" arbeitet) die Pflanzen unter die Erde befördert. Dies wird von Herrn Bernhard Hellweg beschrieben. Um meinen Beitrag nicht redundant werden zu lassen, vielleicht eine kurze Beschreibung wann in Deutschland (i.d.R.) Glyphosat eingesetzt wird: Nach der Ernte werden mit einer ersten flachen Bodenbearbeitung sämtliche Samen von Unkräuter/Ungräsern und ausgefallenes Getreide zum "Auflaufen" gebracht (zum Keimen). Das Feld wird also "grün" und Insekten finden Nahrung im Überfluss. Vor der nächsten Aussaat gibt es 2 Möglichkeiten: Pflügen (= ALLE Pflanzen werden in den Boden eingearbeitet). Ergebnis = schwarzer Boden / keine Pflanzen. Als zweite Möglichkeit bietet sich der Einsatz von Glyphosat an. Wenige Tage später werden die absterbenden Pflanzen mit einer weiteren Bodenbearbeitung (kein Pflug, sondern Grubber) eingearbeitet. Auch hier ist das Ergebnis: Keine Pflanzen mehr auf dem Feld.

  • Ein ehemaliger Grünenpolitiker ist Cheflobbyist bei Bayer.



    Da verstehe ich die grüne Politik endlich.Dorthin soll es nach der politischen Karriere gehen. Ist nur die Eintrittskarte.

    Das ist ja nicht der einzige Übertreter.

  • "Viele Landwirte dürfte Bayer aber auf seiner Seite haben, weil Glyphosat auch als effektiv und günstig gilt." Ein Argument, dass ich aus der Berichterstattung über das Dritte Reich im übelsten Zusammenhang kenne.



    Dazu ein ehemaliger "Grüner" als Bayer-Cheflobbyist.



    Es kann einem schlecht werden.

    Der Schwund an Schmetterlingen und Hummeln, im Vergleich zum Vorjahr, ist unglaublich drastisch. Viele nutzen Gift scheinbar auch immer noch privat, zum Sauberhalten von Garten und Gehwegfugen.



    Sauber, anständig und ordentlich. Bis alles tot ist.

    • @Woodbine:

      Tatsächlich, das sehe ich auch so.

      Wir sind viel in Oberbayern zum Wandern unterwegs.

      Kaum noch Insekten, kaum noch Vögel.

      Und tatsächlich nochmal weniger als im Vorjahr.

      Und Özdemir ist so eine krasse Enttäuschung, da war ja Klöckner noch besser.

      Nun, die Grünen interessieren sich eh schon lange nicht mehr für Tier- und Naturschutz.

      Obwohl eine kleine, aber sehr effektive Partei, geht meine Stimme eindeutig an die ÖDP.

    • @Woodbine:

      Was genau hat Glyphosat mit dem Schwund an Schmetterlingen und Hummeln zu tun? Glyphosat wird als Pflugersatz verwendet. Der Pflug schädigt das Bodenleben und die Biodiversität viel mehr als Glyphosat. Die Menschheit ist lange auf Agrarchemie angewiesen.

      • @Bernhard Hellweg:

        ...ist dieser Beitrag ironisch gemeint?

      • @Bernhard Hellweg:

        Wie bitte? Glyphosat tötet die sogenannten "Beikräuter" an den Randstreifen ab und somit die Pflanzen, auf die Wildbienen und andere Insekten angewiesen sind. Übrigens, Wildbienen leisten hauptsächlich die Bestäubung bei vielen Pflanzen, deren Früchte wir essen. Aber wir können diese Pflanzen ja auch per Hand bestäuben, oder?

        • @sedeum:

          Wann und wo wird mit Glyphosat ein Randstreifen gespritzt? Haben Sie das in Deutschland schon einmal gesehen? Es ist nicht erlaubt und auch nicht üblich.



          Ich finde es interessant, wie leichtfertig hier geschrieben und Stimmung gemacht wird. Ich bin übrigens kein Freund oder Nutzer von Glyphosat.

        • @sedeum:

          Nicht über Herrn Hellwig aufregen. Er postet nur, wenn es um solche Dinge geht. Für Pestizide und für Gentechnik.



          Ist wohl auch ein ehemaliger Grüner;-)

        • @sedeum:

          Das "Behandeln" von Randstreifen ist absolut verboten. Landwirt mulchen Randstreifen.

        • @sedeum:

          Wenn der Randstreifen nicht behandelt wird, stirbt dort auch nichts ab. Die Alternative zum Glyphosat, der Pflug und die mechanische Bodenbearbeitung zerstören Wildbienennester im Boden. Glyphosat tut das nicht.