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Umsetzbarkeit der Energiewende-PläneWer soll das alles machen?

Die Energiewende soll schnell kommen. Windräder und Solarpaneele gibt’s genug. Es fehlen Stromtrassen, Geschäftsmodelle und Arbeitskräfte.

Industriekletterer am Rotorblatt Foto: Paul Langrock

„Das ist das größte energiepolitische Gesamtpaket der letzten zwei Jahrzehnte“, sagte Robert Habeck im April bei der Vorstellung des „Osterpakets“. Das Signal des grünen Wirtschafts- und Klimaministers: Vorbei die Zeiten, wo Energiewende und Klimaschutz von einer zögerlichen Politik ausgebremst wurden. Jetzt, so der Grüne, würden Gesetze geändert, Gelder bewilligt, die „Bremsklötze beseitigt“. Dieser Linie folgte in dieser Woche der Bundestag und stimmte für das Oster- und das Sommerpaket.

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Wenn es jetzt also noch klemmt, so die Regierung, hat das andere Gründe als bisher: „Die Probleme werden wir nicht bei den Gesetzen haben“, so Habeck, „sondern bei der Produktion und der Bautätigkeit.“

Denn vor Deutschland liegt ein gewaltiger Ausbau der Öko-Infrastruktur. Da trifft die Theorie des Klimaschutzes auf die Realität der Baustellen: Nach langem Dornröschenschlaf sollen die Erneuerbaren, vor allem Wind- und Solarenergie, jetzt in Deutschland mit einem Kaltstart hochgefahren werden. Aber es ist unklar, wie und von wem die großen Pläne überhaupt in der gewünschten Windeseile umgesetzt werden können. Woher sollen all die Wind- und Solaranlagen kommen? Wer soll sie planen, finanzieren und montieren?

Für die Umsetzung seiner Pläne ist das Ministerium auf viele Akteure und günstige Entwicklungen angewiesen. Habeck sagt: „Die Industrie muss sich darauf einstellen, ihre Kapazitäten enorm zu steigern.“

Die Ausbaupläne sind ehrgeizig: Der Anteil des Ökostroms am Gesamtaufkommen soll bis 2030 von etwa 45 Prozent (2021) auf 80 Prozent hochgeschraubt werden. Gleichzeitig soll insgesamt mehr Strom produziert werden. Dafür braucht es laut Habeck jedes Jahr zusätzlich 10 Gigawatt Leistung bei Wind an Land – etwa 5-mal so viel, wie 2021 installiert wurden. Bei Photovoltaik (PV) muss es 4-mal so schnell gehen wie jetzt und die Kapazität auf jährliche 22 Gigawatt steigen. Die Windkraft im Meer soll von derzeit 8 auf enorme 30 Gigawatt bis 2030 steigen.

„Dieser Ausbau ist zu schaffen“

Auch wenn manche in der Branche hinter vorgehaltener Hand meinen, das sei alles nicht machbar, sagt Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Dachverbands VDMA Power Systems: „Dieser Ausbau ist von den industriellen Kapazitäten her zu schaffen.“ Der Dachverband vertritt die Herstellerfirmen von Energieanlagen. Der globale Windmarkt gebe diese Mengen her, ist Rendschmidt überzeugt. Ähnlich schätzt das der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) ein. Der Weltmarkt produziere inzwischen jährlich PV-Anlagen mit einer Kapazität von 150 Gigawatt, ein Vielfaches des deutschen Bedarfs. Weil die Fabriken hochautomatisiert sind, lasse sich das Produktionsvolumen leicht anpassen.

Allerdings hapere es oft an scheinbar kleinen Logistikfragen, warnen die Branchen. Dennis Rendschmidt kritisiert, dass die Genehmigungsprozesse derzeit zu starr und kompliziert sind. So seien für die Errichtung einer Windenergieanlage in Deutschland bis zu 120 Genehmigungen notwendig. Und „europaweit fehlt es zum Beispiel an Spe­zial­kränen, mit denen man die riesigen Anlagen aufstellen kann“, sagt Rendschmidt.

Am wichtigsten sei aber, dass sich die Unternehmen – anders als beim Auf und Ab der Vergangenheit – auf die langfristigen Rahmenbedingungen verlassen können. Erst wenn klar sei, dass Fragen wie Flächenbedarf, Bürokratie oder Artenschutz geklärt sind, werde die Industrie in neue Werke investieren, um langfristig die gewünschten Mengen herzustellen.

„Für den nötigen erhöhten Ausbau nach 2030 müssen die Signale jetzt kommen“, sagt Rendschmidt. Und der Industrievertreter wünscht sich höhere Preise für die Windanlagen: „Der Stahl für eine Windenergie­anlage ist in den letzten Jahren viermal so teuer geworden wie vorher.“

Kompromisse beim Vogelschutz und den Abstandsregeln

Das Wirtschaftsministerium ist dabei, zumindest die bürokratischen Hürden abzubauen: Inzwischen gibt es Kompromisse beim Vogelschutz, bei der Flugsicherung und bei der Bereitstellung von zwei Prozent der Landesfläche für Wind. Der Bundesverband WindEnergie rechnet damit, dass sich die Zahl der jetzt in Deutschland stehenden 28.300 Anlagen auf 35.000 erhöhen wird, wenn die Ampel ihre Pläne durchsetzt. Zwei Prozent der Landesfläche brauche man trotzdem, weil höhere Windräder weitere Abstände zu Wohngebieten erfordern.

Auch bei der Photovoltaik soll geklotzt werden: Von Anlagen, die jetzt 60 Gigawatt leisten, auf 215 Gigawatt Leistung im Jahr 2030. Der Dachverband BSW geht davon aus, dass sich die Zahl der PV-Anlagen dafür verdoppelt. Das Umweltbundesamt rechnet mit „Millionen von neuen Anlagen“, jeweils zur Hälfte auf Hausdächern und auf Freiflächen wie Äckern, Seen, Parkplätzen. Die Anlagen herzustellen ist nicht das Problem – eher, sie auf die Dächer zu schrauben: Arbeitskräfte sind knapp, auch bei der Energiewende. „Bei der Umsetzung der Investitionen für ein klimaneutrales Deutschland könnte es zu Engpässen bei Arbeitskräften kommen“, warnt ein Gutachten, das die grüne Bundestagsfraktion bereits im Mai 2021 erstellen ließ.

Studien für die Industrie gehen davon aus, dass jährlich 70 Mil­liarden Euro investiert werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Um diese zusätzlichen Investitionen umzusetzen, seien 2035 mehr als 760.000 Stellen nötig, heißt es. Heute beschäftigt die Branche Klima/Umwelt bereits etwa 2 Millio­nen Menschen. Für die neuen Jobs werden zum großen Teil Fachkräfte gesucht. „Ein erheblicher Teil, rund 40 Prozent des Arbeitskräftebedarfs für Klimaneutralität im Jahr 2035 entfällt auf Berufsgruppen, in denen die Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2019 einen Mangel an Fachkräften, Spezialisten oder Experten identifiziert hat“, warnen die Autoren des Gutachtens.

Es braucht mehr Berufswechsler

Dazu kommt: In den Rechnungen werden Jobs nicht berücksichtigt, die durch mehr Exporte entstehen könnten. Der Bedarf an Arbeitskräften könnte also im Exportland Deutschland sogar noch deutlich höher sein.

taz am wochenende

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Um die Klimaziele nicht an fehlenden HandwerkerInnen scheitern zu lassen, brauche es mehr Branchen- und Berufswechsel, bessere Qualifizierung und höhere Bezahlung für diese Berufe, heißt es in dem Papier der Umweltökonomen Jürgen Blazejczak und Dietmar Edler. Auch müsse man mehr Frauen und Ältere beschäftigen sowie jedes Jahr etwa 200.000 ZuwandererInnen aus der EU und Drittstaaten. Schließlich seien „besondere Maßnahmen zur Aufwertung des sozialen Status von Ausbildungsberufen notwendig“. Alle diese Potenziale zu erschließen erfordere „große politische Anstrengungen“.

Auch bei den Unternehmen lasse sich noch viel verbessern, meint der BSW Solar. Bisher arbeiten in Deutschland etwa 25.000 Menschen in 5.000 Betrieben an der Solarwende – diese Zahl müsse sich verdoppeln. Aber das Potenzial sei da. Denn bisher kümmern sich laut Branchenverband nur etwa ein Zehntel der Elektrounternehmen und ein Zwanzigstel der ElektrikerInnen um die Solartechnik. Das werde nun ausgeweitet.

Unklar ist bisher auch, wie die nötige Infrastruktur ausgebaut wird: Weiter fehlen Hunderte von Kilometern an Stromtrassen. Ladestellen für E-Autos sowie Terminals und Elektrolyse-Anlagen für grünen Wasserstoff sind erst in der Planung. Für die Sanierung von Gebäuden fehlen HandwerkerInnen und elektrische Wärmepumpen. Zumindest deren Produktion soll jetzt ab 2024 auf mindestens 500.000 im Jahr gesteigert werden.

Und schließlich gilt die Abhängigkeit von Rohstoffen wie Kobalt, Lithium oder seltenen Erden als Achillesferse der Erneuerbaren. Eine aktuelle Untersuchung des Öko-Instituts relativiert dies jedoch: Die größte Nachfrage komme hier bislang aus den Sektoren Digitalisierung, Verteidigung und Stahlindustrie. Da brauche es Kriterien für einen „nachhaltigen Bergbau“ und ein EU-weites Recyclingsystem.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Windräder und Solarpaneele gibt’s genug.". Nein, gibt es nicht. Nach der EEG-Auktion hat man 24 Monate, die bezugschlagte WEA zu errichten und in Betrieb zu nehmen. Die Lieferzeiten von WEA liegen mit mittlerweile 15-20 Monaten schon gefährlich dicht an dieser Frist.

    Und dann muss es noch zur Jahreszeit passen: Im Sommer keine Bäume fällen (Baumbrüter), im Winter keine Büsche (Haselmäuse). Im Frühling/Sommer keine Tiefbauarbeiten (Bodenbrüter), im Winter keine Tiefbauarbeiten (Bodenschutz). Und wehe dem Planer, der für eine Abfahrt von einer Landstraße mehr als 2 Bäume am Stück fällen will, um mit dem 80m-langen Rotorblatt in den Feldweg zur Baustelle einzubiegen.

    Machbarkeit? "Auch wenn manche in der Branche hinter vorgehaltener Hand meinen, das sei alles nicht machbar"? Nicht hinter vorgehaltener Hand! Das sagt Ihnen jeder, der in der Windindustrie arbeitet, auch ganz direkt. Wegen all dem vorgenannten (d.h. Lieferschwierigkeiten und Genehmigungswahnsinn) wird das nie im Leben funktionieren.

    Die Handbremse muss los! Es muss für die kommenden 20 Jahre genehmigungsfrei möglich sein, Transportstrecken für WEA freizuschneiden. Es muss ganzjährig gebaut werden dürfen. Zauneidechsen hin, Haselmäuse her. Eine Genehmigung muss ein einziges Mal nach Erteilung beklagt werden dürfen, das Verfahren muss schnell (

  • Gähn, und was ist mit der Regelenergie? Ende letten Jahres hatte Scholz noch gesagt dass 25 bis 40 GW an neuen Gaskraftwerken notwedig sein werden. Das ist jetzt wohl vom Tisch. Wie soll also das Netz stabil gehalten werden bzw wo ko9mmt der Strom her wenn es dunkel, kalt und windstill ist?



    Ausserdem, wie sieht denn die Preisentwicklung aus? Die Kosten für Rohmaterial gehen hoch, und wenn die Regierung viel auf einmal will dann werden die Presie nochmal steigen. Die Solarpanels kommen aus China und werden also mit Hilfe von Kohlestrom und russischem Gas hergestellt. Und auch die werden gerade sehr viel teurer.



    Und wie sieht es aus mit der Förderung der Forshcung auf den Gebiet erneuerbarer Energien in D aus, da haben Habeck und Scholz noch garnichts gesagt, Die scheinen zu glauben dass das alles irgendwie von selbst passiert.



    Der Artikel klingt stark nach Wunschdenken und schönreden.

    • @Gerald Müller:

      Die Speicherkapazitäten müssten wohl weitaus schneller aufgebaut werden. Ob das klappt, wird sich zeigen.

      Die Preise steigen ja u. a. durch die hohen Kosten fossiler Energieimporte. Der Ausbau der Erneuerbaren wird das langfristig abmildern und Abhängigkeiten von Despoten reduzieren.

      Da sowohl Solarpanels als auch WKA eine deutlich positive Energiebilanz über die Gesamtlaufzeit haben, werden die Preise dadurch stabilisiert und der ökologische Nutzen ist ebenfalls gegeben. Aber Sie haben natürlich recht, dass es eines der größten wirtschaftspolitischen Fehler der vergangenen 20 Jahre war, die Solar- und momentan auch die Windindustrie in Deutschland zu zerstören (Solardeckel, Abstandsregeln, ...).

    • @Gerald Müller:

      Tja, die Gaskraftwerke sind nun wohl out und ein Auslaufmodell. Vermutlich dauert es noch ein paar Monate bis die Regelenergie von Quartierspeichern ausgehen wird. Da warten wir noch auf die neuen Akkuhersteller Made in Germany, die dann nicht nur für die Fahrzeuge ihre Speicher verkaufen werden. Aber auch Redox-Speicher werden die Regelenergie übernehmen.



      Na und die Preisentwicklung ist mit steigenden Preisen normal wenn die Nachfrage steigt, abgesehen von den Lieferkettenproblemen bei den Herstellern von wo auch immer kommend. Forschungsgelder sind wohl ausgelobt und vergeben. Doch leider sind diese auch in den üblichen bekannten Händen der großen Forschungszusammenhängen in unserem Land. Das ist eben ein Markt für sich, wo regierungsnahe Institute die größte Unterstützung bekommen - Netzwerke eben.



      Passieren maß das alles von selbst, denn wer soll uns das sonst vor die Türe stellen. also ran an die Arbeit und nicht jammern, das nix vorwärts geht.

      • @Sonnenhaus:

        "Tja, die Gaskraftwerke sind nun wohl out und ein Auslaufmodell."



        Ja, anstelle des G-Worts gibt es eine neue modische Bezeichnung: "Wasserstoffturbinen" :-)



        Siehe z.B. www.diw.de/de/diw_...ung_notwendig.html