Ukraine und Russland: Kiew bläst zum Wirtschaftskrieg
Grenzblockade gegen Separatisten, Sanktionen gegen russische Banken: Poroschenko sucht eine nicht militärische Form der Eskalation.
Zuvor hatten nationalistische ukrainische Freiwillige mehrere Wochen den Güterverkehr auf der Schiene blockiert. Damit, so die nationalistischen Aktivisten, habe man den „blutigen Handel“ unterbinden wollen, der den prorussischen Separatisten das für ihre Kriegsführung benötigte Geld verschaffe.
Die ukrainische Regierung hatte die Blockade abgelehnt, war gegen die Blockierer mit Warnschüssen vorgegangen, hatte mehrere Dutzend Aktivisten vorübergehend in Gewahrsam genommen. Mit der Blockade, so ihre ursprüngliche Argumentation, gingen dem Land Lieferungen der für die ukrainischen Kohlekraftwerke unentbehrlichen Anthrazitkohle verloren und nehme die Arbeitslosigkeit insbesondere in der Stahlindustrie zu.
Mit ihrer Entscheidung vom Mittwoch vollzieht die ukrainische Regierung nun eine Wendung um 180 Grad. Sie geht sogar noch weiter als die Blockierer, die bisher lediglich den Zugverkehr zum Erliegen gebracht hatten. Doch das Kalkül der Regierung, mit einer verschärften eigenen Blockade den Aktivisten das Heft des Handelns aus der Hand zu nehmen, scheint nicht aufzugehen.
Vor laufender Kamera zerriss am Donnerstag der Abgeordnete Wladimir Parasjuk, einer der Sprecher der Blockierer, eine Vorladung der Generalstaatsanwaltschaft. Gegenüber dem Fernsehsender „112“ kündigte Anatolij Winogrodskij vom Blockadestab eine Ausweitung der Blockade an. „Wir werden nun alle Lieferungen, auch Strom, Wasser und so weiter, in die besetzten Gebiete blockieren“, so Winogrodskij.
Sberbank sperrt alle Kreditkarten
Derweil berichtete die Freiwilligenorganisation Asow, ukrainische „Patrioten“ hätten Dutzende von Bankautomaten russischer Banken zerstört. Anfang der Woche hatten Asow-Aktivisten den Haupteingang der russischen Sberbank in Kiew zugemauert.
Am Donnerstag bestätigte Präsident Poroschenko die vom Nationalen Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen russische Banken in der Ukraine. Nun dürfen staatliche ukrainische Institutionen keine Gelder mehr in russischen Banken einlegen, Tochterbanken von russischen Banken ist es nun verboten, Gelder ins Ausland zu transferieren.
Sofort nach Bekanntgabe dieser Entscheidung sperrte die in der Ukraine tätige russische Sberbank alle von ihr ausgehändigten Kreditkarten. Bereits am Mittwoch hatte sie aus Angst vor einem Run auf die Konten eine Obergrenze für Abhebungen von maximal 700 Euro pro Tag verfügt.
Am meisten dürfte dieser Konflikt Ukrainer betreffen, die in Russland arbeiten: Erst kürzlich hat die russische Regierung verfügt, dass Gelder in die Ukraine nur über russische Banken transferiert werden dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben