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Ukraine-Konferenz in Saudi-Arabien40 Länder für ein Ende des Krieges

Von der Friedenskonferenz in Saudi-Arabien waren keine konkreten Ergebnisse zu erwarten. Warum das Treffen in Dschidda trotzdem wichtig war.

Die Ukraine-Konferenz in Dschidda war für Kronprinz Mohammed bin Salman auch eine PR-Veranstaltung in eigener Sache Foto: Ludovic Marin/reuters

Kairo taz | Ein Treffen in Saudi-Arabien, bei dem es um einen Krieg in Europa geht? Es ist ein Zeichen, dass sich die Welt verändert. Denn hier saßen nicht nur die üblichen Verdächtigen am Tisch. Es waren 40 Länder, die am Wochenende zur Ukraine-Konferenz in der saudischen Hafenstadt Dschidda zusammenkamen. Zwar war von den Kriegsparteien nur die Ukraine vertreten. Man habe aber ein wachsames Auge auf die Konferenz, hieß es im Vorfeld aus Russland – keine vollständige Ablehnung also.

Bis Sonntagnachmittag lag kein konkretes Ergebnis vor. Vonseiten der ukrainischen Delegation hieß es, dass der vorgelegte Zehnpunkteplan der Ukrai­ne, der die vollkommene Wiederherstellung der territo­ria­len Integrität der Ukraine und den Rückzug aller russischen Truppen fordert, von weiteren Ländern als Friedensplan angenommen wurde, ohne aber spezifische Länder zu nennen. In russische Medien wird dies verneint. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski twitterte, dass während des Treffens viele wichtige bilaterale Gespräche geführt worden seien. Alle Seiten versuchten der saudischen Zusammenkunft ihren Spin zu verleihen.

Doch die Bedeutung der Gespräche in Dschidda liegt weniger im Ergebnis, sondern darin, wer hier erstmals in Sachen Ukrainekrieg zusammentraf. Denn hier redeten eben nicht nur die Ukrainer und deren Unterstützer, die Europäer, die USA und Kanada miteinander. Auch die Schwergewichte des Globalen Südens saßen mit am Tisch: Indien, Brasilien und Südafrika.

Und in allerletzter Minute kam auch noch China dazu. Vielleicht war allein das schon der größte Erfolg dieser Konferenz.

Ein Testballon

Unter den Ländern des Globalen Südens waren allesamt Länder, die die russische Aggression nicht automatisch bei den Vereinten Nationen verurteilt haben, die sich nicht an Russlandsanktionen beteiligt haben, die sich meist ihrer Stimme in der Generalversammlung enthalten haben.

Das hat zahlreiche Gründe: Sie wollten sich nicht auf eine der beiden Seiten, Russland oder der Westen, schlagen. Manche sind Moskau in ihren einstigen antikolonialen Kämpfen verbunden, oder sie haben einfach beschlossen, dass es für ihre jeweiligen nationalen Interessen besser sei, sich nicht festzulegen. Es ist gerade diese Mixtur, die das Treffen in Dschidda so ungewöhnlich machte.

Für Saudi-Arabien war es sicherlich auch eine PR-Veranstaltung für sich selbst. Kronprinz Mohammed bin Salman galt wegen der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Kha­shog­gi im Jahr 2018 lange als internationaler Paria. Nun sind diese Zeiten vorbei, und seitdem haben alle europäischen Staaten und auch die USA in Saudi-Arabien bereits wieder die Klinken geputzt. Aber Saudi-Arabien geht es inzwischen um mehr. Es ist bereits ein wichtiger regionaler Player und ist da auch in letzter Zeit immer wieder als Vermittler aufgetreten, etwa jüngst im Krieg in Sudan, wenngleich ohne Erfolg.

Saudi-Arabien war dieses Jahr auch bereits Gastgeber des Gipfeltreffens der Arabischen Liga, wo auch der ukrainische Präsident als Sondergast auftrat. Ein erster Hinweis, dass Kronprinz bin Salman bei der Suche nach einem Ende des Ukrainekriegs stärker mitmischen will. Jetzt möchte das Land, von dessen Öl die ganze Welt abhängt, vor allem von dessen Preisgestaltung, sich als globaler politischer Player und hier als Vermittler etablieren; als einer, der sowohl zu Russland als auch zu den USA und Europa einen Draht hat.

Das Treffen in Dschidda war dabei so etwas wie ein Testballon. Die Ukraine ist hier mit ihrer Maximalforderung ins Rennen gegangen: die vollkommene Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukrai­ne und der Rückzug aller russischen Truppen. Diese Forderung wurde in Saudi-Arabien nun auf der Weltbühne getestet.

Ein Durchbruch zu einem Ende des Krieges war da ohnehin nicht zu erwarten. Ein Vorläufertreffen in Kopenhagen vor zwei Monaten, damals ohne China, ging auch ohne irgendeine Abschlusserklärung aus­einander. Entscheidend aber ist, was in Saudi-Arabien hinter den Kulissen passiert ist. Fest steht zudem: Die Suche nach einer Lösung im Krieg zwischen der Ukraine und Russland ist eine Aufgabe, die inzwischen ein Großteil der Weltgemeinschaft auf dem Radar hat.

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12 Kommentare

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  • Man muss sich nicht automatisch auf eine Seite schlagen, wenn man einen Angriffskrieg als das benennt was er ist und das völkerrechtliche Primat der territorialen Integrität als selbstverständlich bezeichnet.

    Dafür muss man aber halt mit der persönlichen Dissonanz leben…

  • Solange man Russland nicht in die Gespräche einbezieht, wird es keinen Frieden geben.

    • @Solnyshko:

      "Solange man Russland nicht in die Gespräche einbezieht, wird es keinen Frieden geben."



      Über die Konferenz von Dschidda hat Dimitrij Medwedjew gesagt: "Noch ist nicht die Zeit für Friedensgespräche, die ist erst dann, wenn die Ukrainer auf Knien darum betteln".

  • Kashoggi ist vergessen, nun ist alles gut?

    Leider nein, weiterhin finden beinahe wöchentlich Hinrichtungen statt, da schließen wir gerne beide Auge zu.

    Die Saudis kaufen ihre Waffen von uns und den Amerikanern, würden sie die Waffen von den Russen kaufen wären sie die ganz Bösen.

    Manche dürfen, manche nicht, die Frage ist auf welcher Seite sie stehen.

  • Bitte keine Fotos von grinsenden Mördern. Nee unser Schwert ist nicht Liebe.

  • Die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine ist, rein vom völkerrechtlichen Standpunkt aus betrachtet, eine Selbstverständlichkeit und eigentlich gar nicht verhandelbar. Also sicher keine Maximalforderung, auch wenn man das in Russland anders sehen mag.

    Bestandteil der Maximalforderung ist die (IMHO berechtigte) Forderung, mit Russland und den Verbrechern in der russischen Regierung ähnlich zu verfahren wie mit Deutschland und den Verbrechern in der deutschen Regierung nach dem 2. Weltkrieg. Also Auslieferung an ein Kriegsverbrechertribunal und militärische Schwächung Russlands so weit, dass kein Krieg mehr von ihm ausgehen kann. Manche gehen noch weiter und fordern die Zerschlagung des russischen Imperiums, um die Unterdrückung der diversen Völker dort durch die Zentralregierung zu beenden.

    Wünschenswert ist all das wohl. Ob man es auch ohne einen zu hohen Preis bekommen kann, ist eine andere Frage.

    Die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine ist jedenfalls keine Maximalforderung, sondern eher die Minimalforderung.

    • @malamut:

      Das völkerrecht ist ohne jede Relevanz, weil dessen Durchsetzung allein von die Willkür der Nationalstaaten abhängig ist.

      Es ist unmöglich USA, China oder Indien aufgrund des völkerrechts zu etwas zu zwingen

    • @malamut:

      Völkerrecht ist im Zweifelsfall noch immer mit dem, der die stärkere Armee hat. Hat die Ukraine das? Nein.

      Damit ist ohne dass jemand weiteres das für die Ukraine durchsetzt das Völkerrecht ein Papiertiger und nutzlos.

      Bedeutet: es ist Sache der Ukraine zu entscheiden, wie lange sie noch bereit sind, für besetzte Landflächen eigene Bürger in den sicheren Tod zu schicken.

  • "Für Saudi-Arabien war es sicherlich auch eine PR-Veranstaltung für sich selbst. Kronprinz Mohammed bin Salman galt wegen der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Kha­shog­gi im Jahr 2018 lange als internationaler Paria. "

    Könnte man mal aufhören, das Wort "Paria" abwertend zu benutzen?

  • " im Jahr 2018 lange als internationaler Paria. Nun sind diese Zeiten vorbei,"



    Nun ist Jamal Kha­shog­gi wieder lebendig geworden?



    Die Mächtigen bemächtigen sich weiter. Das ist das einzige was ich aus diesen "Konferenzen" sehe. Mit Assad, noch und am allermassenmörderischsten, Hauptsache sich profilieren.



    Die "vollkommene Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukrai­ne und der Rückzug aller russischen Truppen" ist keine Maximalforderung, sondern selbstverständlich für jeden souveränen Staat.



    Eine Maximalforderung wäre Putin in Russland zu besiegen und den Kreml abzuschaffen und durch eine völlige Neuordnung Russlands zu ersetzen.

    • @Land of plenty:

      Volle Zustimmung. Die Formulierung taucht jetzt öfter auf und es ist unsäglich da von Maximalforderungen zu sprechen, natürlich auch dann, wenn man sich nicht nur einen Punkt aus zehn herausgreift. Die bisher nicht mal z.B. Reparationen oder Kompensation enthalten; vermutlich auch deshalb nicht, weil's niemand taxieren kann, solange die Aggression anhält und das nach oben hin offen ist. Wir sollten alle froh sein, dass die Ukraine keineswegs und zu keinem Zeitpunkt maximal reagierte oder dies beabsichtigte, das entspräche in der Tat einem Gegenangriff und zumindest der retributiven Besetzung rechtmäßig russ. Landesteile. (Hypothetisch zukünftig übrigens auch der eigenen Wiederbewaffnung mit Kernwaffen..) Der bloße Existenzkampf hingegen ist immer maximal, es geht schließlich um Maximales und kein souveräner Staat kann sich hierbei zurücknehmen, er würde sich selbst negieren. Was die Aussichten solcher Konferenzen m.E. schmälert ist, dass auch im Kreml aufgrund dessen eigener Macht- und Selbsterhaltungslogiken gar nicht die Spielräume bestehen, die Optimisten dafür voraussetzen müssen. Ich sehe das Dilemma und auch deshalb Kyjiw weder in der "Bringschuld" noch in der Lage etwas zu ändern, darin dass sie (Westen wie "Dritte") das Ende Putins besiegeln müssten, aber genau das nicht wollen.

    • @Land of plenty:

      Glücklicherweise sind Sie (wahrscheinlich) nicht in der Diplomatie tätig.

      Ein demokratischer Neuanfang in Russland wäre natürlich ein Traum, aber derzeit sehe ich da keine Chance, schon gar nicht in Form eines Regime Change von außen. Insofern stimme ich beim Thema Maximalforderung eher dem Artikel zu. Kriege und auch ihr Ende sind leider nie gerecht.