Über 80.000 Menschen gegen Rechts: Anti-Nazi-Demo läuft über
Bei einer Demonstration am Jungfernstieg in Hamburg kamen über acht Mal so viele Menschen wie angemeldet. Versammlung wegen Überfüllung abgebrochen.
Anlass der Demonstration waren die Enthüllungen des Recherchenetzwerk Correctiv über ein geheimes Treffen von AfD-Politiker*innen mit Neonazis. Bei dem Treffen waren Deportationspläne unter anderem für ausländisch gelesene Menschen besprochen worden.
Die Demo fand am Jungfernstieg statt, nicht wie geplant auf dem Rathausmarkt. Die AfD erreichte durch eine spontane Fraktionssitzung, dass die Demo um etwa 350 Meter verschoben wird: Das Hamburger Bannkreisgesetz verbietet Versammlungen und Demos im Umkreis von 350 Meter um das Rathaus herum. Dadurch soll die Arbeitsfähigkeit der Bürgerschaft geschützt werden.
Die Organisator*innen zeigten sich davon unbeeindruckt. „Die Attacke auf unsere Kundgebung überrascht uns nicht“, erklärten sie gestern in einem Statement. „Sie zeigt einmal mehr, dass die AfD die Demokratie verachtet.“
Senat zeigt Flagge
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprach davon, dass die Freiheit aller Hamburger*innen gefährdet sei. „Hier steht die Mitte der Gesellschaft“, sagte er. „Wir haben den Punkt erreicht, wo alle rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürger aufstehen müssen.“ Der ganze Senat sei hier anwesend, sagte Tschentscher.
Die meisten Menschen jubelten dem Bürgermeister zu. Die Chefin des DGB Hamburg, Tanja Chawla, sprach davon, dass eine faschistische Regierung zu einem „Abbau von Arbeits- und Schutzrechten führen würde“. Die AfD strebe nach faschistischen Verhältnissen, warnte die Gewerkschaftsvorsitzende. Damit löste sie weitere Buh-Rufe in Richtung Rathaus und die dort tagende AfD aus.
Eine Demonstrantin, die anonym bleiben will, ist mit ihrem acht Monate alten Sohn zur Demo gekommen. „Man braucht heute schon einen sehr guten Grund, nicht zu kommen“, sagt die 36-jährige PR-Managerin. Sie fühle sich seit der Geburt ihres Kindes in einer Vorbildfunktion. „Ich will mir später nicht von ihm sagen lassen, dass ich nicht alles versucht hätte, ihm eine gute Zukunft zu schenken.“
Aus der U-Bahn-Station am Jungfernstieg kamen zeitweise Menschen weder hinaus noch hinein. Auf dem Abschnitt zwischen Jungfernstieg und Rathaus, wo die Polizei Absperrungen zur Einhaltung der Bannmeile aufgestellt hatte, skandierten Demonstrierende fast durchgängig Parolen wie „Ganz Hamburg hasst die AfD“. Gegen 16:40 Uhr brachen die Veranstalter die Demo aus eigener Initiative ab, da die Lage für die weiter zuströmenden Demonstrierenden zu unsicher wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“