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Türkische Regierung gegen OppositionErdoğan-Rivale İmamoğlu festgenommen

Unter dem Vorwand, er unterstütze die PKK, wird Istanbuls Oberbürgermeister am Morgen verhaftet. Soziale Medien werden gesperrt, Versammlungen verboten.

Es regt sich Protest gegen die Verhaftung: ein Mann in Istanbul mit dem Konterfrei İmamoğlus auf dem Rücken Foto: Francisco Seco/ap

Berlin taz | Am Mittwochmorgen wurde der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu in seinem Privathaus verhaftet. Hunderte Polizisten hatten in den frühen Morgenstunden sein Haus umstellt, insgesamt waren 3.000 Polizisten im Einsatz. Außer İmamoğlu wurden mehr als hundert weitere Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verhaftet, darunter zwei weitere Bezirksbürgermeister Istanbuls, der bekannte Journalist Ismail Saymaz und einer der engsten Mitarbeiter İmamoğlus, sein Medienberater Murat Ongun. Die Staatsanwaltschaft wirft İmamoğlu die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (PKK) vor, die Bildung einer kriminellen Vereinigung und etliche weitere angebliche Vergehen vor.

Aus Angst vor Protesten hat der Gouverneur von Istanbul für die kommenden vier Tage jegliche Demonstrationen, Kundgebungen und Versammlungen verboten. Die wichtigsten U-Bahn-Stationen wurden gesperrt, große Straßen sind ebenfalls dicht. Außerdem wurden die sozialen Medien eingeschränkt und verlangsamt. Das betrifft Instagramm, X, Youtube und Whatsapp. Die kasernierte Anti-Aufstands-Polizei wurde derweil von dem Busunternehmen Kamil Koc, das einem deutschem Unternehmen gehört, an die Brennpunkte der Stadt gefahren. Als Reaktion auf die Festnahme İmamoğlu verlor die türkische Lira erheblich an Wert gegenüber Dollar und Euro. Auch die türkische Börse machte große Verluste, bevor sie vorübergehend geschlossen wurde.

Kurz vor seiner Festnahme veröffentlichte İmamoğlu noch ein Video, in dem er versicherte, er werde nicht aufgeben. „Eine Handvoll Leute, die den Willen der Nation missachten, haben die Polizei instrumentalisiert, um das Böse durchzusetzen. Ich werde nicht aufgeben, ich werde weiterhin dagegen ankämpfen. Ab heute sind alle Rechte in Gefahr, ich vertraue auch den Gerichten nicht mehr.“ Um 10 Uhr türkischer Zeit wurde Imamoglu in die Zentrale der Sicherheitspolizei in Istanbul eingeliefert. Er wird heute noch einem Haftrichter vorgeführt und verschwindet dann im Untersuchungsgefängnis.

Obwohl die nächsten Präsidentschaftswahlen regulär erst im Frühjahr 2028 anstehen, gibt es seit längerem Gerüchte, dass Erdoğan die Wahlen vorziehen könnte

Die Festnahme am Mittwochmorgen ist der Höhepunkt eines Kesseltreibens gegen İmamoğlu, das seit mehreren Monaten im Gange ist. In schneller Folge wurden gegen den Oberbürgermeister seit Ende letzten Jahres insgesamt vier neue Ermittlungsverfahren eingeleitet, zwei waren bereits in Gange. Nachdem er vor einigen Wochen offiziell erklärt hatte, er werde sich in der parteiinternen Wahl um die Kandidatur für den Präsidentschaftskandidaten seiner Partei bewerben, begannen Erdoğans Anhänger die Istanbuler Universität unter Druck zu setzen, damit sein Uni-Diplom annuliert wird. In der Türkei können nur Akademiker für die Präsidentschaft kandidieren. Am Dienstagnachmittag gab die Universität unter massivem Druck nach und widerrief İmamoğlus Diplom in Volkswirtschaft.

İmamoğlu ist der populärste Politiker der Türkei

Ekrem İmamoğlu, der im letzten Jahr mit großer Mehrheit zum Oberbürgermeister von Istanbul wiedergewählt worden war, gehört seit Jahren zu den wichtigsten Konkurrenten von Präsident Erdoğan. Der Zeitpunkt der Verhaftung am Mittwoch hängt damit zusammen, dass seine Partei, die sozialdemokratisch-kemalistische Volkspartei CHP, ihn am kommenden Sonntag als ihren Präsidentschaftskandidaten küren wollte. Laut Parteichef Özgür Özel will man an diesem Plan festhalten und İmamoğlu trotz seiner Festnahme am Sonntag nominieren. Özel nannte die Festnahme İmamoğlus einen De-facto-Putsch. İmamoğlu hatte in den letzten Wochen eine Wahlkampftour durch die gesamte Türkei absolviert. Obwohl die Regierung dafür gesorgt hatte, dass er kaum eine Halle mieten konnte, kamen seine Anhänger in Massen auch zu Kundgebungen im Freien.

Istanbuls Oberbürgermeister in seinem Büro in der Metropole Foto: Murad Sezer

Nach etlichen Umfragen ist Ekrem İmamoğlu derzeit der populärste Politiker der Türkei. In Umfragen liegt er weit vor Erdoğan, und auch die CHP führt in Umfragen vor der AKP, der Partei des Präsidenten. Der Grund dafür ist, dass Erdoğan die massiven Wirtschaftsprobleme, die hohe Inflation und den damit verbundenen Kaufkraftverlust für die Bevölkerung nicht in den Griff bekommt. Schon bei der letzten Präsidentenwahl im Mai 2022 sollte İmamoğlu eigentlich als gemeinsamer Kandidat für insgesamt sechs Oppositionsparteien antreten. Er musste allerdings seine Kandidatur zurückziehen, nachdem er schon damals in einem politisch motivierten Verfahren in erster Instanz verurteilt worden war.

Obwohl die nächsten Präsidentschaftswahlen regulär erst im Frühjahr 2028 anstehen, gibt es seit längerem Gerüchte, dass Erdoğan die Wahlen vorziehen könnte. Laut Verfassung darf er nicht mehr antreten, es sei denn, das Parlament wird vorzeitig aufgelöst. Eine andere Möglichkeit für Erdoğan wäre eine Verfassungsänderung, doch dazu fehlt ihm noch die Mehrheit. Viele Beobachter sehen die möglichen Friedensverhandlungen mit der PKK auch in diesem Zusammenhang, weil Erdoğan hofft, dann die kurdischen Abgeordneten im Parlament für eine Verfassungsänderung gewinnen zu können.

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15 Kommentare

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  • Erdogan ist inzwischen in seiner 5. Dikatatorphase. Trump und Putin werden Beifall spenden.

  • Ganz übel für die türkische Opposition. Hat der Autokrat vom Bosporus also noch Mittel und Wege gefunden, seinen ärgsten Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.



    Der Vorwurf der PKK-Unterstützung ist natürlich haltlos und lächerlich, aber hinsichtlich der Korruptionsvorwürfe wird sicherlich bis zu den nächsten Wahlen was hängenbleiben.



    Dass die AKP dort, wo sie in der Türkei regional und kommunal das Sagen hat, genau so wie die CHP in den Korruptionsfilz verstrickt ist, ficht die gläubigen Erdogan-Getreuen nicht an.

  • Erdogan, der Musterdemokrat im NATO Mitgliedstaat Türkei, der den Migrationszustrom kontrolliert, zeigt, was er kann. Und erzeigt der EU, was er von ihr hält, nichts.

    Erst hat er unter dem Jubel der westlichen Ignoranten die Reste laizistischer Kontrolle beseitigt, dann mit einem getürkten Putsch die Rechtfertigung für die Beseitigung kritischer Elemente aus Justiz, Arme und Verwaltung geschaffen. Er hat die Türkei und Türken islamisiert, in Syrien einen islamischen Ableger installiert, Kurden und Alawiten unterdrückt, sogar seine alten Kameraden entsorgt und dies alles mit Billigung des Westens.



    Seine Erfolge haben mit dem unterirdischen Niveau unseres politischen Personals zu tun.

    Was soll ihm passieren, ein letzter Besuch der feministischen Außenpolitikerin? Eine weitere Unterwerfungsgeste der EU?

  • Zeit für eine liberale EU-Revolution in der Türkei. Nieder mit der Erdogan-Tyrannei!

  • Hola. NACHTIGAL - IK HÖR DIR TRUMP ELN •



    Der Lange schleimt sich beim 💨💨💨 - ein!



    Tja Erdi - 🦨 you‘r late!



    “Ich wollt dem 💨💨💨 in den kıç, göt kriechen!



    Doch da saßen schon lauter Prominente drin!

  • Solange Erdogans Diktatur besteht, sollte jeder türkische Waren boykottieren, um seine Wirtschaft nicht zu unterstützen !

  • "Als Reaktion auf die Festnahme İmamoğlu verlor die türkische Lira erheblich an Wert gegenüber Dollar und Euro. Auch die türkische Börse machte große Verluste, bevor sie vorübergehend geschlossen wurde."



    Autokraten-Disruption hatten wir bei Trump auch schon. Weg mit der Opposition, das einigt sie auch im Ton.



    "Von allen Seiten unter Druck



    Stand: 10.08.2024 20:35 Uhr



    /



    Seit langem die Vorzeichen:



    Außenpolitische Muskelspiele, rigoroses Vorgehen im Inneren: Was den türkischen Präsidenten Erdogan und seine AKP lange populär machte, kommt bei den Menschen immer schlechter an. Zu groß sind die wirtschaftlichen Sorgen."



    Bei tagesschau.de 8/24



    Sicherheitspolitisch keine guten Aussichten buten un binnen.

    • @Martin Rees:

      Schaffen die TürkInnEn einen Generalstreik? Zeit wär's.

  • Das ist derselbe Erdogan, der der EU jüngst wieder ein Angebot gemacht hat, dass er beitreten will. Schnell.

    Hintergrund ist die durchaus starke militärische Seite der Türkei. Strategisch und tatsächlich würde es die EU stärken, wenn die Türkei inkludiert wäre.

    Das es die EU sprengt, wenn Ungarn, Türkei und ggf. andere auf einmal in eine komplett andere Richtung läuft als der Rest... mag da sogar systeminharent sein. Wir leben in interessanten Zeiten...

    • @Dr. Idiotas:

      Sofortiges Importverbot von Waren aus der Türkei.

    • @Dr. Idiotas:

      Tja - einen zivilgesellschaftlich grundierten Beitritt - haben spätestens so Lichtgestalten wie Angie & taz-Buddy Briefumschläge Mielke auf Rädern in vermessener Dumm- & Ahnungslosigkeit con Arrroganz vergeigt!



      Hatte einstmals Angie - Crossing the Bridge -



      www.youtube.com/pl...PL52C4D9AF169301FF



      The Sound of Istanbul



      Dokumentarfilm von by Fatih Akın (2005) -



      Von Fatih Akin - empfohlen - damit sie vllt eine Ahnung bekäme - über was zu reden ist.



      de.wikipedia.org/w..._Sound_of_Istanbul



      “Protagonist des dokumentarischen Werkes ist der Berliner Musiker Alexander Hacke, bekannt als Bassist der Einstürzenden Neubauten, den Akin bei einer musikalischen Entdeckungsreise durch die türkische Metropole Istanbul begleitet. Vom Straßenmusiker bis zum türkischen Megastar fängt Hacke die vielfältigen multikulturell beeinflussten Klänge Istanbuls mit einem ständig bei sich geführten mobilen Tonstudio ein, bisweilen musiziert er auch spontan mit den türkischen Musikern zusammen.



      …Das spannende Mosaik begründet seine transkulturellen Thesen zwar nur oberflächlich, macht aber durch eine eine ausgefeilte Soundspur und exzellente Musiker …ff

  • Und die EU schweigt, wie immer halt.

    • @Hans Dampf:

      Dummerweise ist die EU mehr auf die Türkei angewiesen als andersherum.

  • Wie lange lässt sich die türkische Bevölkerung in Geiselhaft nehmen?



    So dumm kann man doch nicht sein!



    Man redet immer von Ehre und Repekt.



    Erdogan hat seine Ehre längst vertan und zieht das Volk bewusst in den Abgrund.



    Wie lange lässt sich dieses Land gefallen, von diesem Despoten drangsaliert zu werden?