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Trumps Vize-Kandidat VanceLeider gut

Kommentar von Gunnar Hinck

Trumps Vize-Kandidat J.D. Vance zog bei seiner Vorstellungsrede auf dem Parteitag alle Register. Die Schwachstellen der Demokraten kennt er genau.

Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance Foto: Carolyn Kaster/ap

D onald Trump hat gerade einen Lauf. Amtsinhaber Joe Biden ist, vorsichtig formuliert, gesundheitlich angeschlagen. Trump selbst hat seit dem fehlgeschlagenen Attentat auf ihn in seiner Anhängerschaft Märtyrer-Status erreicht. Und die Ernennung des jungen Senators aus Ohio, J. D. Vance, zum Vize-Kandidaten ist in jeglicher Hinsicht ein schlauer Schachzug.

Ja, Vance war früher ein erbitterter Gegner von Trump. Aber in einem Land, das empfänglich für archaische Erzählungen ist, passt das nur zu gut: Vance ist der Bekehrte, der nun umso loyaler zum Anführer steht. Trump kann jetzt den eher versöhnlichen Präsidentschaftskandidaten geben und seinem Vize die Rolle des jungen Radikalen überlassen.

Die Rede von J. D. Vance auf dem Parteitag der Republikaner war berechnend gut. Der eigentlich eher kühle, analytische Vance spielte virtuos auf der Emotions-Klaviatur, wie sie die Republikaner lieben: Die Geschichte seiner Mutter, die schwer drogenabhängig war, aber nun seit „zehn Jahren clean und nüchtern ist“, durfte nicht fehlen. Die verlorene Mutter, die zurück auf dem rechten Weg ist – Amerikaner, und keineswegs nur Trump-Anhänger, lieben solche Geschichten. Vance positionierte sich als Mann der kleinen Leute und verband Nationalismus mit Sozialpolitik: gegen die „billigen“ Importe aus China, für die heimische Industrie, um die eigene Working Class zu schützen. Sogar für die Gewerkschaften fand er lobende Worte – für einen Republikaner sehr ungewöhnlich.

Biden ist für die Demokraten eine Last, aber auch seine Vizepräsidentin Kamala Harris hat jetzt ein Problem. In den identitätspolitisch aufgeladenen USA tritt jetzt ein Kind der verarmten Industrieregionen mit authentischer Aufstiegsgeschichte gegen eine Frau aus „gutem Hause“ an, die sich für Sozialpolitik eher wenig interessiert – demnächst sehen sie sich zum TV-Duell. Den Vorwurf, dass die Demokraten ihre ehemalige Kernklientel vernachlässigt haben, werden die Republikaner jetzt noch genüsslicher vortragen können.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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14 Kommentare

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  • Man muss in den nächsten 100 Tagen schon auf ein Wunder hoffen, um Trump noch zu stoppen. Das Wahrscheinlichste ist noch, dass er den Sieg mit irgend einer Aktion selbst ruiniert. Vielleicht haben den Demokraten auch etwas über Trump in der Schublade, was sie erst kurz vor dem Wahltag rausholen, damit Trump nicht mehr reagieren kann. Beide Gedanken sind verzweifelte Hoffnungen. Den höchsten Preis für Trumps Sieg wird dann die Ukraine zahlen.

  • Melania scheint da ja schon eifersüchtig zu sein und tritt plötzlich wieder mit ihrem Noch-Mann auf.



    Weniger Sportberichterstattung, und ich bin doch gespannt, wen die Demokraten als personelle und inhaltliche Alternative aus dem Hut zaubern werden.



    Und angesichts dieser Programme und Personen der Republikaner wird die demokratische Seite sehr sicher die bessere Alternative stellen, meiner Meinung.

  • Wie in Europa bereitet in Amerika die "Linke" alles für einen Siegeszug für rechts vor. Es wurde sich nur halbherzig um Themen gekümmert, die die tradionelle Wählerschaft anspricht und die liberale Presse hat wohlwollend über den gesundheitlichen Verfall von Biden hinwegsehen mit der Intention sich für das "richtige" einzusetzen. All das führt leider zum genauen Gegenteil.

  • Für mich ein Punkt, den demokratischen Kandidaten zu wechseln. Sicher wird es bei den Delegierten der Demokratischen Convention für Unruhe sorgen, doch mit dem Segen von Joe Biden, würde praktisch jeder Akzeptiert. Doch die Republikaner haben zwar zu jedem Demokraten ein Dossier angelegt, doch in ihrer untersten Schublade wird wenig zu dem Unbekannten stehen. Es liegt an den Strategen im Wahlkampfteam, den Anti-Trump zu finden. Statt einem Jungen als Running-Mate, könnte der Spitzenkandidat vor Lebenskraft sprudeln. Es wäre zwar unfair Kamala Harris irgendjemand vor die Nase zu setzen, doch es könnte funktionieren.

    • @mdarge:

      Nicht Harris zu nehmen, bedeutet einen Teil der farbigen WählerInnen oder der Frauen zu verlieren. Denn esost das Gefühl aus: dafür Biden ins Weiße Haus zu bringen war sie gut genug, aber auf dem Weg zu Top Job ist da wieder diese Gläserne Decke.

  • "Trump kann jetzt den eher versöhnlichen Präsidentschaftskandidaten geben und seinem Vize die Rolle des jungen Radikalen überlassen.": Das ist nicht neu, das praktiziert (nicht nur) die CSU seit Jahrzehnten. Wer was werden will muss erstmal den Wadlbeisser geben und dem Chef den Rücken freihalten. Söder, Scheuer, Dobrint z.B., wobei es letzterer offenbar immer noch nicht geschafft hat, sich völlig von seiner Rolle als GS zu lösen. Der Rest: Geschenkt. Natürlich packt Vance alles auf den Tisch, bevor es ihm die Demokraten später um die Ohren hauen.

    • @Josef 123:

      Wenn er das Versöhnliche könnte dann könnte er. Kann er aber nicht. Mit Versöhnlichen Reden bekommt er nicht diese Jubelstürme auf den Rallies. Und die sind sein Koks.

  • "Leider gut" - vielleicht gefährlich gut?



    Trump schwätzt raus wie er denkt, ohne Rücksicht auf Verluste. J.D. Vance aber ist ein taktischer Redner, der sich jedes Wort vorher gut überlegt hat. Insofern könnte er den Demokraten gefährlicher werden als Trump, da er weniger Angriffsfläche bietet. Ansonsten kann ich ihn noch nicht beurteilen, staune aber wie exakt die Presse schon meint, dies tun zu können.

  • Das Problem ist diese alternativlose Dichotomie mit Konfrontationen der Personen statt der Ideen im Duellformat, weil es keine Koalitionen gibt und Kompromisse langweilen, was eine aufgeladene Inszenierung möglich und als Show unterhaltsam macht, was wiederum meist disneyhafte Züge ihrer politischen DNA zur Schau trägt.



    Mit Dialektik hat das rein gar nichts zu tun.



    /



    www.derpragmaticus.../dritte-partei-usa

  • J.D. Vance ist ein smarter M***********.

    Seine Autobiographie"Hillbilly Elegie" würde sogar verfilmt. Immerhin mit Glenn Close.

    Das Leben der deklassierten Bewohner des Rust Belt ist für Vance individuellem Scheitern geschuldet, natürlich bietet er keine materialistische Analyse, aber sehenswert ist der Streifen trotzdem.

    "Die Waltons auf Crack", meinte ein Kritiker.

  • Bei der Rede ist doch selbst das Publikum eingeschlafen. Der Mann wirkt sichtlich überfordert und formatlos. Denke er wird eher zum Problem,insbesondere wenn Abtreibung eines der zeantralen Themen des Wahlkampfes wird.

    • Gunnar Hinck , Autor des Artikels,
      @Harmo-Nie:

      Ich hatte einen anderen Eindruck am TV. Es war konzentriert still im Saal, als er sprach, unterbrochen von regelmäßigem Jubel. Bei der Abtreibungsfrage fährt Vance neuerdings einen moderaten Kurs - der Mann ist weder besonders gläubig noch evangelikal.

  • Hieß es nicht noch eben Trump habe seinen Vize Vance „falsch“ ausgewählt, weil der sei sowas wie sein Mini-Me?

    Militär, Working-Class, U-40. Wie viel macht das? Ungefähr 90% der bisherigen Nichtwähler?

    Dazu noch der olle Silberrücken, vom Deep State persönlich am Ohr verwundet, reckt die Faust kampfeslustig gen Himmel, über ihm weht die Fahne, unter ihm dilettieren Joes Beamte.

    Auf der anderen Seite der Greis, man hofft ja er bricht sich nichts beim Betreten des Podiums. Und Kamala. Man hofft ja sie bricht sich nichts beim Reden…

    Man denkt es sei aus Hollywood, aber es ist mehr so Tagesschau.

  • Wenn nach 4 Jahren Regierungszeit das einzige Argument, dass für Biden spricht, ist, dass er nicht Trump ist, dann ist das ziemlich dünn.



    Was hat er denn innenpolitisch erreicht für progressive Kräfte, für niedrig bis mittel bezahlte Arbeitnehmer, für Arme, für rassistisch oder sexistisch Diskriminierte? (Dies sind die Wählerschichten wo viel zu gewinnen wäre)



    Von der Außenpolitik ganz zu schweigen: Unter Biden als "mächtigstem Mann der Welt" sind die Kriege in der Ukraine und in Gaza ausgebrochen und eskalieren immer weiter ohne, dass auch nur ein Ende in Sicht wäre. Hier hätte Biden sein Gewicht als US Präsident in die Waagschale werfen können, um diese Konflikte zu beruhigen. Gelungen ist ihm das zu keinem Zeitpunkt.

    Insgesamt sind die vergangenen 4 Jahre aus progressiver Sicht komplett verloren. Das wird unter Trump nicht besser. Aber irgendwann muss man auch aktiv etwas anzubieten haben, damit man gewählt wird.