piwik no script img

Trump und Gazas ZukunftWaffen oder Wohlstand

Kommentar von Susanne Knaul

Rund 80 Prozent der Bauten im Gazastreifen sind zerstört. Doch theoretisch wären die Zukunftschancen des Gebiets gar nicht übel – wenn nur die Hamas nicht wäre.

Ein zerstörter Schutzraum in Gaza City Foto: Dawoud Abu Alkas/reuters

R und 80 Prozent der Bauten im Gazastreifen sind zerstört, und Donald Trump spricht von der „phänomenalen Lage am Meer“. Der frisch vereidigte US-Präsident ignoriert die Not der Menschen, die auf absehbare Zeit kein festes Dach über dem Kopf haben werden. Stattdessen gibt er sich als Visionär. Man könne „einige schöne“ und „fantastische“ Dinge dort anfangen. Das mag angesichts der Bilder aus dem Kriegsgebiet wie blanker Zynismus klingen, doch so falsch liegt Trump am Ende nicht.

Das Potenzial des Gazastreifens ist enorm. Da sind nicht nur die endlos langen Sandstrände, die in friedlicheren Zeiten vor allem arabische TouristInnen in die zahlreichen Luxushotels am Mittelmeer lockten. Der Gazastreifen verfügt über riesige Gasfelder. Ägypten würde sehr gern an den Profiten teilhaben, und auch der britische Ölkonzern BP und das Unternehmen Adnoc aus Abu Dhabi hatten bereits ihr Interesse an Bohrungen kundgetan, das Projekt infolge von Gewalt und Krieg dann allerdings auf Eis gelegt.

Voraussetzung für die dringend notwendigen Investitionen in Wiederaufbau und Wirtschaft ist natürlich, dass die Waffenruhe hält, dass die israelischen Truppen abziehen und dass eine andere Macht als die Hamas die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt.

Den Gazastreifen zum wirtschaftlichen Blühen bringen wollten Fatah-Politiker schon, als Israel im August 2005 die Siedlungen auflöste und den PalästinenserInnen den Küstenstreifen – mitsamt der Grenzregion zu Ägypten – so überließ, wie sie es immer gefordert hatten: ohne Zionisten. Doch anstelle des Wirtschaftsaufschwungs kam die Hamas wenige Monate später an die Macht und mit ihr die Angriffe gegen Israel.

Nicht in Entsalzungsanlagen für Frischwasser oder Solarzellen für die wiederholt unter Stromsperrungen leidenden Menschen investierten die islamistischen Machthaber, sondern sie kauften Waffen und bauten Tunnel. Die PalästinenserInnen haben sich vor 20 Jahren selbst eine tolle Chance verbaut, als sie die Hamas an die Macht wählten. Sie sind imstande, es wieder zu tun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Die Lebenschancen der Menschen auf dem Boden des Meeres wären gar nicht schlecht, wenn da nicht das Wasser wäre.

  • Die Hamas ist natürlich eine Terroristenbande, aber um in Gaza an die Macht zu kommen und sich seit über 20 Jahre dort zu halten, war nicht übermäßig viel Terror notwendig.



    Man muß sich nur die Bilder von dort anschauen, um zu erahnen, daß immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung hinter der Hamas steht.



    Angesicht der Gelder, die in die Region geflossen sind, könnte Gaza ein arabisches Singapur am Mittelmehr sein.



    Die Leute haben sich für etwas anderes entschieden.



    Wie sagte einst Shaw:



    "Demokratie ist die beste aller Regierungsformen. Sie stellt sicher, daß niemand besser regiert wird, als er es verdient."

    • @Don Geraldo:

      Dieses „Arabische Singapur“ war immer schon ein Fata Morgana.

      Im Gazastreifen mangelt es so ziemlich an allem, was es für wirtschaftliche Entwicklung braucht: Energie, Ackerland, Wasser, Rohstoffe. All dies muss importiert werden. Das einzige, was im Überfluss vorhanden ist, sind Menschen. Selbst wenn es von heute auf morgen Frieden gäbe und ein Aufheben der Blockade, bleiben die Probleme gewaltig, und sie wachsen: jede Frau bringt dort im Schnitt 4 Kinder zur Welt, somit ist jede Generation doppelt so groß, wie die vorherige, und bräuchte Wohnraum, Wasser, Lebensmittel, Arbeit. Um dieser Menschenmasse eine Einkommensquelle zu schaffen, müsste sie in den globalen Wirtschaftskreislauf eingebunden werden, damit die einzige Ressource – Arbeitskräfte – auf dem Weltmarkt angeboten werden kann. Aber der Gazastreifen hat noch nicht mal einen ordentlichen Hafen, in dem Handelsschiffe anlegen könnten, nur einen Fischereihafen! So gesehen hat jeder andere Ort im Mittelmeer, wo es bereits einen ordentlichen Hafen gibt, einen Wettbewerbsvorteil, der dem Gazastreifen fehlt. Insgesamt ein bodenloses Fass der Entwicklungshilfe.

    • @Don Geraldo:

      Die Mär vom arabischen Singapur wird nicht besser, wenn sie wiederholt und dabei unbeirrt ausblendet, dass Gaza auch nach der Auflösung der Siedlungen dort von Israel so weit kontrolliert war, dass sogar das deutsche AA weiterhin von einer Besatzung gesprochen hat (zumal Gaza auch nicht separat vom Rest der Palästinenser-Gebiete betrachtet werden kann). Dass Menschen nicht unbedingt zu friedlichen Demokraten werden, wenn man sie in gefängnisartigen Umständen dahinvegetieren lässt, sollte nicht überraschen. Es ist zynisch, den Palästinensern einen eigenen Staat zu verweigern und ihnen dann die politische Misere zum Vorwurf zu machen. Pauschalurteile wie "Die Leute haben sich für etwas anderes entschieden" grenzen ohnehin an Rassismus.

      • @O.F.:

        Danke für Ihren Kommentar. Der so wichtig ist.

  • Bei der Beurteilung der Entwicklungschancen die Bedingungen der Besatzung wegzulassen, ist naiv und unseriös. Genauso unseriös ist es, den Kindern in Gaza ständig eine Wahl vorzuhalten, die vor ihrer Geburt stattgefunden hat. Fossile Industrie soll also die Lösung sein? Urlaub im Konfliktgebiet? Mit dem verlässlichen Partner Israel unter Netanjahu als Nachbar?! Was würde wohl Prof. Finkelstein dazu sagen?

  • Ich bin mir nicht sicher, ob riesige Gasfelder im Jahr 2025 noch für enormes wirtschaftliches Potential stehen.

    Sobald der Krieg beendet ist, muss es unbedingt ein zügiger Wiederaufbau Gazas samt Marshall-Plan für Palästina folgen. Sonst nimmt das Morden nie ein Ende.

  • Die Blockade des Gazastreifens gibt es meines Wissens nicht erst seit dem Wahlsieg der Hamas, sondern im Wesentlichen schon seit dem Aufstand von 1988. Die Tunnel dienten ursprünglich dazu, Waren des täglichen Bedarfs einzuschmuggeln.

  • Mich lassen solche Artikel wirklich ratlos zurück. Sogar das deutsche AA hat Gaza weiterhin als besetzt gewertet (zumal es ohnehin nicht unabhängig von OJ/WJL betrachtet werden kann - das sind allesamt Gebiete, die für EINEN palästinensischen Staat vorgesehen sind). Und die Folgen der israelischen Besatzung auch und gerade für Gaza sind hinlänglich bekannt (ich rate wieder einmal dazu, AI-Berichte nicht zur lesen, um Argumente gegen Russland und China zu finden). Wer die Verantwortung für die elenden Umstände dort (schon vor dem gegenwärtigen Krieg) allein bei Hamas sucht, verschliesst die Augen vor offenkundigem Unrecht. Das allerdings passt nahtlos ins Weltbild des deutschen Mittelstandsliberalismus: man hält den eigenen Opfern Moralpredigten.

    • @O.F.:

      Dieser Standpunkt des AA ist seit dem Rückzug Isr. aus dem Gazastreifen veraltet. 2024 gab es eine IGH Stellungnahme, die dies klarstellte. Entgegen der Behauptungen die (immer noch) im Internet geistern, hat der IGH sich nicht auf den Standpunkt gesetzt, dass Isr. trotz des Abzuges 2005 weiterhin vollumfänglich Besatzungsmacht des Gazastreifens war. Standpunkt des IGH ist, dass bei dem Rückzug in Teilbereichen Kontrolle behalten wurde, und damit auch Verantwortung für diese Teilbereiche verblieb – aber eben nur für diese, und nur in dem Verhältnis, wie tatsächliche Kontrolle ausgeübt werden kann.



      www.icj-cij.org/si...9-adv-01-00-en.pdf



      (Absätze 90-94)

      Keiner bestreitet, dass die Besatzung die Situation der Pal. verschlechtert; man darf aber nicht ausblenden, dass der Grund hierfür der permanente Kriegszustand, das fehlen eines Friedensvertrages ist. Kein vernünftiger Mensch kann erwarten, dass Isr. ohne Friedensvertrag ungehinderten Warenfluss (inkl. Waffen), Bewegungsfreiheit (auch für Militante) und Bauaktivität (auch für Tunnel, Bunker und Raketenstellungen) zulässt – im Rahmen eines Krieges ist all dies kein Unrecht.

      • @Socrates:

        P.S. Das von Ihnen verlinkte Urteil beantwortet die Frage nach dem rechtlichen Status Gazas übrigens explizit nicht (p. 29), haelt aber fest, dass die rechtlichen Verpflichtungen als Besatzungsmacht weiterhin in dem Grad gelten, in dem es Gaza weiterhin de facto kontrolliert (p. 31) – was also kein Widerspruch zur Haltung des AAs ist, dass es sich um eine Besatzung sui generis handelt.

      • @Socrates:

        Das AA hat Gaza durchgehend als besetzt betrachtet, auch nach dem „Rückzug“ (der ja die weitreichende Kontrolle über Gaza nicht aufgehoben hat) – eine Einschätzung, mit der das AA übrigens keineswegs allein stand. Die offizielle Bewertung durch die meisten Regierungen auf dieser Welt ist eine politische Realität, an der die Meinungen in Leserforen nichts ändert. Im Übrigen: die Terminologie ändert an den Umständen nichts. Selbst wenn man den Terminus „Besatzung“ nicht verwenden will, bleibt es dabei, dass Israel Gaza kontrolliert und blockiert hat und die Gründung eines tatsächlichen Palästinenserstaates (zu dem Gaza genauso wie die zweifellos besetzten Gebiete in OJ/WJL gehören) verhindert. Menschen einen Staat zu verweigern und ihnen dann schlechte Regierungsführung vorzuwerfen, ist wenig ehrlich, finden Sie nicht? Sie haben ja sogar Recht: die fehlende Friedenslösung ist das Grundproblem hinter all diesen Details – aber das rechtfertigt weder jeden Exzess der Besatzungspolitik noch ist daran allein die palästinensische Seite schuld.

        • @O.F.:

          „eine Einschätzung, mit der das AA übrigens keineswegs allein stand“

          Das zeigt, dass nur weil eine Mehrheit einer bestimmten Auffassung ist, diese noch lange nicht richtig sein muss. Diese Art Trugschluss wonach ein Standpunkt richtig ist, nur weil die Mehrheit diesen Teilt, wird Argumentum ad populum genannt.



          de.wikipedia.org/w...umentum_ad_populum

          Der Standpunkt Gaza als vollständig besetztes Gebiet zu betrachten (und dass Isr. deswegen in allen Belangen verantwortlich sei) ist jedenfalls falsch; richtig müsste es in etwa heißen „teilweise besetzt, unbesetzte Teile unter Blockade“.

          „Menschen einen Staat zu verweigern und ihnen dann schlechte Regierungsführung vorzuwerfen, ist wenig ehrlich, finden Sie nicht?“

          Finde ich nicht. Kritik an Regierungsführung ist immer eine Kritik an Entscheidungen, die getroffen wurden. Der Entscheidungsspielraum hat immer Einschränkungen, (und kann durch einen fehlenden eigenen Staat besonders eingeschränkt sein), aber innerhalb des Spielraumes kann man richtige und falsche Entscheidungen treffen – und letztere kann man durchaus vorwerfen.

  • "Das Potenzial des Gazastreifens ist enorm (...) Der Gazastreifen verfügt über riesige Gasfelder."



    Das in der taz anno 2025 die Erschließung neuer Gasfelder als 'enormes Potential' bezeichnet wird hätt ich nicht erwartet... 😅



    Touché

  • So ein Blödsinn. Solange Israel die Besatzung und Blockade nicht aufhebt, ist es egal ob Fatah oder Hamas die Macht ausüben. Sonst wäre ja auch das Westjordanland eine blühende Landschaft.

  • Es klingt nach selbst verschuldeter Unmündigkeit. Wann lässt sich die Aufklärung mal sehen?

  • Das Problem ist, dass nach diesem Krieg der Status Quo mit sehr viel mehr toten Menschen und sehr viel zerstörter Infrastruktur wiederhergestellt wird. Ein solcher Waffenstillstand ohne Friedensplan ist eine Katastrophe, denn die nächste Eskalation ist so vorprogrammiert. Es wurde anscheinend nicht mal ein Versuch unternommen, die Hamas durch eine andere Machtstruktur zu ersetzen, wie auch immer diese aussehen sollte. Das ist ein Fehler. Solange die Hamas an der Macht ist, ist ein Frieden nicht möglich.