Trump, Musk und die Tech-Milliardäre: Digitale Monopolmacht
Tech-Milliardäre in den USA versuchen, unsere Demokratie zu untergraben. Was dagegen hilft: eigene, nicht-kommerzielle soziale Netzwerke aufbauen.
J ahrelang gab es Warnungen vor den Gefahren globaler sozialer Netze, die von Milliardären kontrolliert werden. Diese Plattformen sind die soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft. Wie jede Infrastruktur hat ihr Zustand einen enormen Einfluss auf die Gesellschaft. Facebook etwa hat 3,07 Milliarden aktive Nutzer, das entspricht 37 Prozent der Weltbevölkerung. Die Manipulationsmöglichkeiten sind daher unfassbar und buchstäblich weltumfassend.
Für Millionen Menschen weltweit ist Facebook sogar gleichbedeutend mit dem Internet, weil die Plattform in ihren Handyverträgen inklusive ist und offene Datenverträge zu teuer für sie sind. Dieser Umstand wurde vor einigen Jahren den Rohingya in Myanmar zum Verhängnis: Auf Facebook wurde massenhaft Desinformation über diese muslimische Minderheit verbreitet, ohne dass es Überprüfungsmöglichkeiten im offenen Internet gab. Dass Facebook damit zur Vertreibung von 700.000 Menschen und massenhaftem Mord an Rohingyas beitrug, wies auch eine Untersuchung durch die UN nach.
2021 machte Meta-Whistleblowerin Frances Haugen öffentlich, wie das Unternehmen bewusst Kenntnisse über schädliche Wirkungen seiner Algorithmen ignorierte und wissentlich in Kauf nahm, dass dadurch Gewalt, Polarisierung und psychische Störungen mit schweren gesundheitlichen Folgen bei Jugendlichen zunahmen. Für mehr Werbeeinnahmen – und um damit einen unvorstellbar reichen Menschen noch reicher zu machen.
Öffentlicher und politischer Druck führte dazu, dass Meta seine Moderation verbesserte und Factchecking-Partnerschaften abschloss. All das will Milliardär Mark Zuckerberg nun wieder aufgeben. Und er macht damit klar: Völkermord, rassistische Übergriffe, Gewalt, Suizide bei Jugendlichen sind ihm schnurzpiep, solange die Kasse stimmt und sich sein Milliardenvermögen weitervermehren kann. Denn unter einer Trump-Regierung braucht er Sanktionen der US-Politik nicht zu fürchten, im Gegenteil, er rechnet sogar fest mit Schützenhilfe gegen Regulierungen der EU.
Kniefall der Tech-Milliardäre
Eine Handvoll weißer, männlicher Tech-Milliardäre macht sich lieb Kind mit einem kriminellen, rücksichtslosen, narzisstischen Milliardär, der zum zweiten Mal Präsident der USA werden wird. Donald Trump ist nicht nur ein verurteilter Straftäter, Sexist und notorischer Lügner, er verachtet auch die Demokratie, ihre Institutionen und Prozesse, er lebt in einer Welt alternativer Fakten und will sich zum Herrn einer Diktatur aufschwingen.
Vor diesem Hintergrund ist der Kniefall der Tech-Milliardäre zu betrachten: das Verbot einer Wahlempfehlung für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in der Washington Post seitens des Eigentümers Jeff Bezos, die diversen Millionenspenden für Trumps Amtseinführungszeremonie von Tech-Unternehmen wie Google, Amazon, Meta, Apple, und eben auch die aktuelle Kehrtwende von Zuckerberg.
Digitale Monopole stellen heute gewaltige Machtkonzentrationen dar, die nicht nur in einem einzelnen Land Politik und Gesellschaft beeinflussen können, sondern weltweit. Deshalb wirkt sich das Stiefellecken der US-Milliardäre bei Trump auf uns alle aus, auch in Europa. Und deshalb hängt so viel davon ab, ob wir uns gemeinsam dagegen wehren.
Offensichtlich sorgen sich Musk und Zuckerberg nur noch vor der EU als regulierender Kraft. Denn der Digital Services Act verpflichtet sehr große Online-Plattformen dazu, ihre strukturellen Risiken, wie Gewalt, Rassismus, Jugendgefährdung, zu beurteilen und diese zu minimieren. Tun die Unternehmen das nicht, kann es wegen der EU-Sanktionen sehr teuer für sie werden, oder die Plattformen könnten sogar verboten werden. Dagegen könnten sich nicht einmal Tech-Milliardäre wehren. Vermutlich deshalb gelten die neuen Regeln noch nicht für die EU.
EU-Ermittlungsverfahren gegen Plattform X
Mit ihrer Willfährigkeit gegenüber Trump und seiner kreuzgefährlichen politischen Agenda hoffen die Tech-Milliardäre aber, die EU-Regulierung ganz aushebeln zu können – durch staatliche Erpressung. So kündigte Zuckerberg an, dass er „mit Präsident Trump zusammenarbeiten“ werde, um gegen fremdstaatliche Regierungen vorzugehen. Trumps Vize J. D. Vance erklärte öffentlich, dass die US-Mitgliedschaft in der Nato davon abhänge, wie stark die EU US-Tech-Konzerne reguliere.
Laufende EU-Ermittlungsverfahren gegen die Plattform X und mehrfacher öffentlicher Schlagabtausch zwischen Elon Musk und Ex-EU-Kommissar Thierry Breton haben die Bedrohung real werden lassen. Die Erwartung, man könne sich als US-Unternehmen der Regulierung durch andere Staaten entziehen, selbst wenn man in diesen Staaten eine extreme Marktmacht besitzt, ist hanebüchen.
Möglicherweise spielt außerdem ein anderer Aspekt eine Rolle: Neid innerhalb der Tech-Milliardärs-Elite. Manche können vielleicht nicht ertragen, dass Schmuddelkind Elon eine engere Beziehung zum Weißen Haus hat als sie. Also opfern sie einer nach dem anderen ihre Werte, um gleichzuziehen. Alte weiße Männer zündeln so gemeinsam, nehmen Gewalt, Terror und Polarisierung in Kauf, weil ihnen der Rest der Welt egal ist.
Darauf gibt es nur eine angemessene Reaktion: den Beweis des Gegenteils, also den Digital Services Act der EU kompromisslos anwenden und damit zeigen, dass wir unsere europäische Unabhängigkeit, politische Stärke und unser Wertesystem nicht von US-Tech-Milliardären zerstören lassen. Es braucht künftig aber auch ein gemeinwohlorientiertes soziales Netz, eine nichtkommerzielle soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft als Teil der Daseinsvorsorge, die – europäisch getragen – die Vernetzung und Kommunikation zwischen Menschen ermöglicht. Langfristig müssen wir mit der Abhängigkeit von digitalen Monopolen brechen, denn ihr Zerstörungspotenzial ist inakzeptabel hoch.
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