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Thüringens RegierungskriseLieberknecht gibt CDU einen Korb

Die Ex-CDU-Ministerpräsidentin will die Verzögerungstaktik ihrer Partei nicht mitmachen. Sie habe nur für die Ramelow-Lösung bereitgestanden.

„Bin aus der Debatte raus“: Christine Lieberknecht (CDU) Foto: dpa

Berlin taz/dpa | In der Suche nach einer schnellen Lösung für die politische Krise in Thüringen gibt es eine weitere Wendung. Die ehemalige CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht steht offenbar nicht mehr für eine Interimslösung zur Verfügung. Das meldete die Thüringer Allgemeine am Mittwochmorgen.

„Ich bin aus der Debatte raus. Stand nur für Lösung von @bodoramelow zur Verfügung“, zitierte Martin Debes, Reporter der Thüringer Allgemeinen, Lieberknecht auf Twitter. Und weiter: Der Widerspruch mit ihrer Partei, die keine schnellen Neuwahlen wolle, lasse sich nicht auflösen.

Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei hatte am Montagabend vorgeschlagen, den Landtag rasch für eine Neuwahl aufzulösen und bis dahin die CDU-Politikerin und Ex-Ministerpräsidentin Lieberknecht zur Chefin einer Rumpfregierung für den Übergang zu machen. Die CDU hatte dies am Dienstag größtenteils abgelehnt. Sie forderte eine vollständig besetzte Regierung unter Lieberknecht und die Verabschiedung eines Landeshaushalts für 2021. Erst danach könne neu gewählt werden.

An dieser Pattsituation hatte sich auch nach stundenlangen Gesprächen am Dienstagabend nichts geändert, bei denen VertreterInnen von Linkspartei, Grünen, SPD, CDU und FDP nach einer Lösung gesucht hatten. Am Mittwoch wollten die Parteien weiterverhandeln, bis spätestens Freitag sollte eine Lösung gefunden sein.

„Ich hatte mich gegenüber @bodoramelow und dann auch gegenüber meiner Partei als Übergangsministerpräsidentin bereit erklärt, um den gordischen Knoten zu lösen“, wird Lieberknecht in einem weiteren Tweet von dem Reporter zitiert. „Es zeigt sich aber, dass dies nicht funktioniert, weil die Interessen diametral gegeneinanderstehen.“

Lieberknecht: CDU soll Ramelow wählen

Als möglicher Ausweg schwebt Lieberknecht eine direkte Unterstützung Ramelows durch die CDU vor. Wer jetzt keine Neuwahlen wolle, müsse Bodo Ramelow „mit verlässlicher Mehrheit zurück ins Ministerpräsidentenamt verhelfen und dann am besten mit ihm in eine Regierung gehen“, wird sie in einem dritten Tweet zitiert.

Der Nachrichtenagentur dpa sagte Lieberknecht, die CDU solle nun eine „verlässliche parlamentarische Vereinbarung mit der Linken“ schließen. Das sei ihrer Meinung nach der einzige Weg, um zu stabilen politischen Verhältnissen in Thüringen zu kommen, wenn die CDU keine schnellen Neuwahlen wolle.

Diese Vereinbarung dürfe sich nicht nur auf die Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten beziehen, sondern müsse ein „dauerhaft verlässliches Regierungshandeln ermöglichen“. Linke, SPD und Grüne fehlen im Landtag vier Stimmen für eine eigene Mehrheit.

Lieberknecht warb damit indirekt für einen Tabubruch. Sie kenne den Unvereinbarkeitsbeschluss ihrer Partei, der eine Zusammenarbeit nicht nur mit der AfD, sondern auch mit der Linken ausschließt. Aber sie sehe auch, dass die reale politische Situation in Thüringen zu berücksichtigen sei.

Mohring bedauert

Der Thüringer CDU-Landespartei- und Fraktionschef Mike Mohring bedauert Lieberknechts Entscheidung. Lieberknecht wäre eine gute Kandidatin wäre, den angestrebten „Übergang gut zu moderieren“, sagte Mohring am Mittwoch. „Es gibt unterschiedliche Auffassungen über die Zeit dieses Übergangs“, sagte Mohring.

SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee schrieb bei Twitter, die CDU habe mit ihrem Gegenvorschlag Ramelows Angebot „pervertiert und damit verantwortungslos provoziert“. Es sei verständlich und bedauerlich, dass Lieberknecht sich zurückgezogen habe. „Die CDU trägt die Verantwortung für ihren Rückzug.“

Susanne Hennig-Wellsow, Landeschefin der Thüringer Linken, schrieb auf Twitter, der Ball liege nun bei der CDU. Entweder die Union mache den Weg frei für unverzügliche Neuwahlen oder sie unterstütze eine rot-rot-grüne Regierung mit Bodo Ramelow als Ministerpräsident.

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35 Kommentare

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  • Zweischneidiges Schwert, denn bei unverzüglichen Neuwahlen, wäre die Linke eventuell bei fast 40, die AfD vermutlich aber auch bei knapp 30%. Mir drängt sich langsam auf, dass es für die Linke wohl besser gewesen wäre, den Kemmerich als stärkste Fraktion in seiner Minderheitsregierung zu kontrollieren und den Konservativen diese Schandwahl fünf Jahre lang, dreimal am Tag aufs Brot zu schmieren.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Weidle Stefan:

      Spät entdeckt.

      Es gibt mehr als nur Häme. ... Zum Beispiel Spott. :-)

  • Krass. Ihre Reaktion zweigt was für widerwärtige Gestalten im Thüringer Landtag die Strippen ziehen wollen.



    Die CDU dort möchte voll zu Höcke übertreten.



    Dann wissen wir ja jetzt bescheid.

  • Habe Fr.Lieberknecht gerade per Kontaktmail gefragt, ob sie bereit wäre, sich als >Sachkundige BürgerinExpertenregierung

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Erst eben wird mir in voller Konsequenz deutlich:

    WEIMAR liegt in Thüringen.

    Ganz schlimm, was da gerade innerhalb der CDU abgeht. Wenn das Leben nur für kurze Zeit ein Wunschkonzert wäre: ich wünsche mir Schwanengesang für die dortige CDU.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Genau! Schwanengesang und den sterbenden Schwan gratis dazu.

  • Das witzige... vor n paar Tagen haben etliche CDUler lautstark in den Medien genau die Lösung von Bodo Ramelow gefordert... eine dritte Wählbare Option + Neuwahlen und der Böse unterstützt das dann zu 100%.



    Peinlich das dann 5min später die gleichen Kräfte in der CDU anfangen rumzueiern, von wegen Ja, Aber....

    Hätte nie gedacht das man die SPD beim umfallen schlagen kann, aber die CDU sprengt grad einen Krater nach dem anderen

    Und die Goldmedalie im Niveaulimbo geht an: die Union

  • Kann man wetten annehmen, in welchen Bundesland die cdu erstmals unter 5% fällt? 😉

    • @matze38:

      Ich hoffe auf den Bund, solange die AFD noch darunter bleibt.

  • Ich fasse mal für mich zusammen: Die CDU wählt einen FDP-Mann zum MP, um einen Linken-MP zu verhindern. Der MP tritt gleich wieder zurück, und der Linke schlägt eine CDU-Frau zur MP vor. Diese CDU-Frau empfiehlt dann der CDU, den Linken zu wählen.



    Das kann man sich nicht ausdenken.

  • Wieder mal ein ganz blöder handwerklicher Fehler der Thüringer CDU. Niemals hätte diese Diskussion in der Öffentlichkeit ausgetragen werden dürfen. Was machen die da eigentlich? Wollen die im Nachhinein beweisen, dass sie wirklich dreimal blöd genug sind, um auf die Tricks der AfD reinzufallen?

    Mohring & Co. müssen schnellstens ersetzt werden. Schlage Norbert Röttgen vor. Der weiß, wie man mit klarer personeller Linie Landesverbände auf Erfolgskurs bringt...

    (...und ja, die letzten zwei Sätze waren Galgenhumor.)

    • @Normalo:

      Resterampen Röttgen? Sakasmus-Tags vergessen?

  • Es war vermutlich die einzige Lösung mit einer MPin Lieberknecht in einer kurzen Übergangsregierung und mit schnellen Neuwahlen. Das Klammern an Pöstchen und Pfründe bei der Mohring-CDu ist nicht nur einfach erbärmlich, sondern schadet dem Bundesland Thüringen und der Demokratie an jedem Tag mehr an dem es dauert..

    • @Britta68:

      ... so wie alles was die CDU/FDP/AfD macht.

  • Schade, die Überschrift könnte missverstanden werden. Korrekt wäre: Gibt der Verzögerungstaktik der CDU einen Korb. Die Machtgeilheit, und wenn es auch nur noch ein paar Monate Mandat sind, und die ideologische Verbohrtheit bis in höchste Kreise der CDU, ist unübersehbar. Profiteur ohne selbst etwas Vernünftiges auf die Reihe zu bringen, ist mal wieder die AfD. Merkel hat sie subtil groß gemacht, die CDU Thüringens macht sie offensichtlich noch größer.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Die Umschreibung, dass Merkel die AfD 'subtil' groß gemacht habe, unterstellt ihr eine Absicht und klingt verschwörungstheoretisch. Fahrlässig ist vielleicht eher der Begriff, den du gesucht hast. Groß gemacht haben die AfD aber die autoritären und faschistischen Charakterbilder unter den Wählern. Keiner ist gezwungen die AfD zu wählen oder ihre Positionen zu vertreten, Ausländer u.a. aufgrund zugewiesener negativer Merkmale zu verachten, zu hassen und deren Ausmerzung anzustreben. Es gibt nicht einmal eine Hoffnung auf mehr Wohlstand, mit der die AfD ködert. Kein Konzept außer ständiges "die sind Schuld, hasst sie".



      Die alten CDU/CSU-Riegen (Koch, Kohl, Merz, Strauß etc.) haben den Faschismus in Deutschland tatsächlich durch aktive Politik gefördert.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Was für ein Thüringen verfolgen Sie ?



      Es ist beschämend, wie es Bodo Ramelow erlaubt wird, die Demokratie zu seinen EIGENEN zwecken, durch die Manege zu führen.



      Nur durch sein stures Inszenieren , Ich bin der König, Ihr habt mich zu wählen, ist diese Pose erst möglich geworden.



      Und jetzt der CDU die Pistole auf die Brust zusetzen, ist Wahlkampf pur.

      • @Günter Witte:

        Das klingt aber sehr verschwörungstheoretisch: achten Sie mehr darauf, was gemacht wird, als sich Ziele und Gefühle anderer Menschen einzuspinnen. Ramelow übernimmt jene Verantwortung, die zu übernehmen die CDU sich weigert. Sehr schlecht für Thüringen, Hit ab vor Ramelow. Hoffentlich macht die CDU endlich einen Vorschlag, die Krise, die sie herbeiführte, zu beenden.

  • Frau Lieberknecht ist scheinbar die einzige in der CDU in Thüringen, die "Eier in der Hose hat"



    Chapeau

  • Das schlimmste an der ganzen Sache ist doch, dass die AFD der Gewinner der Krise ist. Und nach Neuwahlen würden wir hier in Thüringen ggf. noch gespaltener dastehen, ohne grüne und fdp.



    Anders als Viele, denke ich nicht, dass es Absprachen zwischen cdu/fdp und afd gab. Einen Ministerpräsidenten zur Wahl aufzustellen, auch wenn er keine Chance hat, ist nicht verwerflich und übliche Praxis kleinerer Parteien um im Gespräch zu bleiben. Mit der Finte der AFD hätte man rechnen können aber hinterher ist man halt auch immer schlauer.



    Ich finde den Vorschlag, Ramelow zu wählen, von Lieberknecht richtig. Und ganz großen Respekt für ihr Rückgrat was sie zeigt. Ich persönlich bin kein Fan der Linkspartei, aber es wäre immer noch besser als nach Neuwahlen eine gestärkte AFD zu sehen.



    An sich liegt der Ball ja nun wieder oder immer noch bei der Bundes CDU, sie müssen das Kooperationsverbot mit der Linken aufheben. Wäre das vor der Wahl geschehen, hätten wir womöglich bereits eine Rot/Schwarze stabile Mehrheitsregierung. Moring und Ramelow waren ja beide zu Gesprächen bereit.

    • @CS1984:

      Die CDUler hatten sich im ersten und im zweiten Wahlgang (wie üblich in derartigen Situationen) der Stimme enthalten.

      Plötzlich im dritten Wahlgang wählen alle CDUler den FDP-Mann, "reiner Zufall".

      Vielleicht war das wirklich Zufall, aber glauben tue ich es trotzdem nicht.

    • @CS1984:

      "Anders als Viele, denke ich nicht, dass es Absprachen zwischen cdu/fdp und afd gab. Einen Ministerpräsidenten zur Wahl aufzustellen, auch wenn er keine Chance hat, ist nicht verwerflich und übliche Praxis kleinerer Parteien um im Gespräch zu bleiben. Mit der Finte der AFD hätte man rechnen können aber hinterher ist man halt auch immer schlauer."

      Es gab ein Treffen von AFD und CDU Leuten in einem Gasthaus vor der Wahl.



      AKK und Dieter Althaus haben Mohring gewarnt vor einer Finte. (Er wusste es!)

      Mohring hat dies aber seiner Fraktion verschwiegen.

      Und Lindner und Kemmerich wussten es auch - das kann man den Interviews vom 5./6.2.2020 entnehmen.

      Dummstellen hilft nicht. Sie wussten, was passiert - ob geklüngelt oder In-Kauf-genommen: es ist ein absolut inakzeptables Verhalten. Wie ich schon sagte, zum, Fremdschämen...

  • RS
    Ria Sauter

    Frau Lieberknecht ist noch eine aufrechte Demokratin .



    RESPEKT!



    Ich liebe Thüringen. Ich schätze die Erfurter Menschen und die Stadt.

  • Endlich redet mal Jemand Klartext.



    Es ist in jeder Hinsicht verantwortungslos und eine einzige Schande, was sich die CDU in dieser Sache bisher geleistet hat.

  • offensichtlich sind teile der thüringer CDU doch sehr AFD nah ..

    • @Opossum:

      dieses problem gibt es nicht nur in thüringen.die kombination von rechtspoplismus und neoliberalismus für die die afd in westdeutschland steht gibt es auch in den unionsparteien-auch wenn sie in diesen noch nicht hegemonial ist. .wäre die afd noch die rechtspopulistische und neoliberale partei die sie zur zeit von Bernd Lucke war so könnten die unionsparteien sofort mit ihr koalieren.lediglich für den völkischen nationalismus eines Björn Höcke und seines flügels gibt es in den unionsparteien keine entsprechung.

  • Die Mohring-CDU ist so erbärmlich, es ist zum Fremdschämen!

    DANKE an Frau Lieberknecht! Jetzt werden die Thüringer erst recht Neuwahlen fordern!! Ich kann mir nach diesem Theater keine gute Regierungszusammenarbeit zwischen CDU und Linken vorstellen.

    Mohring und die CDU-Bande ist link!

    • @Elli Pirelli:

      Nun, Mohring wollte letztes Jahr mal produktiv mit den Linken kooperieren. Als er das äußerte, ist er aus der Bundes-CDU dermaßen zusammengepfiffen worden, dass er seitdem in Presseauftritten noch mehr wie ein getretener Hund erscheint.



      Die Signalwirkung der Bundes-CDU war damals also klar: Zusammenarbeit mit der Linken unter noch viel weniger Umständen als mit der AFD. Daran hat sich Mohring gehalten.



      Rückgrat hat er deswegen zwar nicht, ursächlich für das Drama in Thüringen ist aber weniger er oder irgendwelchen rechten Abweichler in der Thüringen-CDU, sondern die Bundespartei.

      • @Nifty_Monkey:

        Ich weiß, sehe es genauso. Das ist aber keine Rechtfertigung für verschlagenes und schäbiges Verhalten.

        Hans aus Jena hat Recht. Hier ist es dennoch schön. Gruß aus Jena!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Respekt. Allergrößten Respekt.

    Schön zu sehen, dass es noch Menschen gibt ... nicht nur Charaktermasken und Funktionsträger.

    Ich ziehe nach Thüringen um ...

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Na, herzlich willkommen. Kommen'se nach Jena, da gibt es 20% links und 20% grün und gutes Bier und guten Wein.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Hans aus Jena:

        Danke für die einladung. Grün ist mir am liebsten in Wald und Wiesen.

        Abber fei tröppcher ham was. Es soll ja sogar sächsischen Wein geben.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Insbesondere gibt es auch Thüringer Wein und auch Jenaer Provinzen :-)

  • Diese Frau hat Format.

    • @Doktor No:

      >"Diese Frau hat Format."



      Ja, sieht für mich auch so aus.



      Solche sind selten - in allen Parteien.



      In allen.



      Leider.