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Cem Özdemir in einem Atemzug mit einem AFD-Vertreter zu nennen, ist dann doch etwas undifferenziert.
Özdemirs Kritik war klar an einzelne Verbände gerichtet und es ging auch nicht pauschal gegen diese Verbände, sondern um deren Verhalten in dieser Sache. Es war also absolut klar, wer mit "diese Leute" gemeint ist.
Hier einen Code für ein "rassistisches Narrativ", oder gar Rassismus zu erkennen, geht wirklich zu weit.
Es ist egal wer schuld ist, es geht darum, was wir realistisch ändern können. Jetzt, sofort
Auch wenn der Fingerzeig auf die typischen, ausgrenzungsorientierten politischen Verdächtigen nachvollziehbar ist, stellt sich doch die Frage, ob der Artikel es nicht zu bequem macht mit der PR der Islam- und Muslimverbände in Deutschland.
Terror werde von ihnen relativiert. Rassismus schlägt ihnen entgegen. Das verfehlt doch das Wesentliche. Nämlich zu benennen, was die verstörenden Statements der Verbände sind -nicht nur Relativierung- sondern blanker Rassismus.
Niemand würde bei dem Attentat von Hanau oder Halle oder bei einem Amoklauf in den USA oder bei dem überfallenen Kindergarten in Russland bestreiten, dass Menschen, die das feiern, nicht zu unserer Gesellschaft gehören - sondern sich durch dieses Verhalten selbst disqualifizieren.
Warum sollte das hier anders sein, wo friedliche Festival-Besucher, Musiker, Kinder und eine demente alte Frau ermordet oder als Geisel genommen werden? Egal woher man kommt, wer so etwas feiert, grenzt sich selbst aus - nicht "wird" ausgegrenzt.
Sie können gerne argumentieren wie Sie wollen. Wer angesichts der Bilder aus Israel hier in Deutschland feiert, der möge bitte woanders leben. Das hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Rassismus zu tun. Ich will nicht mit Antisemiten und Unterstützern von Massenmörder zusammenleben. Und laut Gesetz muss ich das auch nicht.
Rassistische Kommentare helfen nicht, einverstanden! Und was konkret nochmal hilft jetzt, um der Hamas den Antisemitismus auszureden? Oder den entsprechenden Dumpfbacken in Berlin in der Sonnenallee?
Sind die Kommentare jetzt das Problem oder der Überfall auf Israel? Manchmal kommen mir da schon Prioritätsfragen auf.
Danke, Frau Sahebi, für diesen Kommentar. Statt sich als Vertreter einer der großen abrahamitischen Religionen klar an der Seite ihrer von Antisemitismus bedrohten jüdischen Mitbürger zu positionieren, eiern die Islamverbände argumentativ herum und relativieren somit den nihilistischen, mit dem Islam eben nicht zu vereinbarenden Terror der Hamas.
Das ist die eine Seite der Medaille: die andere ist, die schrecklichen Gewalttaten der Hamas sowie den neu aufkeimenden Antisemitismus hierzulande zu instrumentalisieren, um damit rassistische und islamophobe Stimmungen zu verbreiten. Leider passiert das nicht nur auf der politisch rechten Seite. Aber das eine kann nicht deshalb richtig sein, weil das andere falsch ist.
Ergänzen möchte ich zu Ihrem Kommentar, dass der Antisemitismus immer noch eine “Erfindung” der westlichen Moderne ist (also von wegen “Antisemitismusimport”) und dabei in enger Verbindung mit dem Aufstieg der ebenso westlichen Ideologien Nationalismus und Faschismus steht. Wer das als Europäer/Deutscher anders sieht, sollte einmal einen genaueren Blick in die eigenen Geschichtsbücher werfen. Und darauf schauen, was derzeit in den ach so liberalen westlichen Gesellschaften passiert.
@Abdurchdiemitte Der Antisemitismus ist eine Erfindung der westlichen Moderne?
Steile These.
Ich kann gerade nicht ins Detail gehen, aber das glauben Sie doch selbst nicht.
Werfen Sie einfach einen Blick in Wikipedia und Sie werden schnell erkennen, dass das vollkommen falsch ist.
@Jim Hawkins Jein.
Ich nehme an, dass ABDURCHDIEMITTE sich auf den gegenwärtigen Antisemitismus bezieht, für den insbesondere das biologistisch-rassistische Element prägend ist.
Antisemitismus ist zwar nciht in der Moderne "erfunden" worden, aber er wurde grundlegend transformiert.
Der Judenhass der Faschisten und der Islamisten hat seine Wurzeln im paulinischen Christentum bzw in mittelalterlichen arabischen Stammesstreitigkeiten - aber aus denen ist die heutige und konkrete Form des Hassens und Mordens *nicht* antizipierbar.
Es ist ja nicht so, dass die Nazis riefen "Brennen sollen die Jesusmörder", oder dass Daesh jeden verschissenenen Gojibusch (gharqad) ausreißt, damit sich bei der Endzeitschlacht kein Jude dahinter verstecken kann.
Und es ist ja auch nicht so, dass Hitler nicht auch unter Muslimen viele Fans hätten, und dass andererseits die Hamas nicht auch viele Apologeten unter westlich-christlich Sozialisierten hätte.
Der heutige Antisemitismus ist säkularisiert und universell. Der prämoderne war konfessionsspezifisch.
Mosse hat diese Transformation in "Geschichte des Rassismus in Europa" umfassend beschrieben.
@Jim Hawkins Okay, dann haben wir den Wikipedia-Artikel wohl unterschiedlich gelesen. Ich habe mich in meinem Kommentar natürlich auf den völkischen/biologistischen Antisemitismus bezogen, der ab 1879 als Eigenbezeichnung der Antisemiten selbst im Schwange war - heute gibt es ja angeblich keine Antisemiten mehr, schon gar nicht auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Alles wahre Philosemiten und “Juden in der AfD”! - und in Wikipedia auch als neuzeitlicher Antisemitismus bezeichnet wird.
Insofern kann es wohl auch nicht ganz falsch sein, von Antisemitismus als ein Produkt der (industriellen) westlichen Moderne zu sprechen, da alle diese Entwicklungen im Westen, konkret in Europa und den USA, stattgefunden haben.
Dass es eine zweitausendjährige christliche Tradition des Judenhasses und der Verfolgung in Europa gibt, wird von mir doch überhaupt nicht bestritten. Auch nicht die Existenz eines antizionistischen Antisemitismus in den arabischen und islamischen Ländern, wie in Wikipedia ebenfalls erläutert. Letzterer jedoch ist schon per definitionem an die Gründung des Staates Israel “gebunden” bzw. an das Auftreten der zionistischen Idee, also im Grunde eine Reaktion auf den Zionismus. Der erste Zionistenkongress fand jedoch erst 1897 in Basel statt.
Wenn Sie meinen Kommentar aufmerksam gelesen haben, wird Ihnen auch aufgefallen sein, dass ich “Erfindung” in Anführungszeichen gesetzt habe. Reduktion von Komplexität, wie Luhmann sagen würde. Das ist nicht ehrenrührig und auch kein alternativer Fakt.
Sorry, wenn ich hier etwas korinthenkackerisch daherkomme, aber Sie sind mich auch entsprechend angegangen.
Einen guten Abend noch.
Die Kernfrage ist doch:
Bin ich gegen den Islam-Verband oder gegen die Gruppieirungen, welche die Hammas auf den Straßen feiern ... wäre ich dann ein Rassist?
Unser Standard-Reflex wäre: ja, klar!
Das eine hat aber im Grunde mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Wenn wir es vermischen, dann wir man uns den Mittelfinger zeigen.
In Zeiten der Eskalation in einer Gewaltspirale werden wieder neue Zuschreibungen kreiert, auch pauschalisierende Urteile reaktiviert und der nüchterne Blick auf banale Realitäten bleibt leider oft verstellt.
Die Archive der Qualitätsmedien sind für diejenigen, die sich in Analysen vertiefen wollen, voll von Schätzen. Retrospektiv "fällt es einem oft wie Schuppen von den Augen": Ein emotionaler Abstand ist schwierig, aber das Abreißen des Dialoges mit den Widersachern der Rechtsstaatlichkeit im eigenen Land ist Wasser auf die Mühlen der Feinde der Demokratie. So schwer das auch ist: Bekenntnisse müssen in der Praxis überzeugend vorgelebt werden, reflexive Atavismen mit antisemitischen Anleihen sind absolut abscheulich, aber die grob vereinfachende fehlgeleitete und sachlich falsche allgemeine Stigmatisierung von Menschen mit Migrationshintergrund führt in ein pejoratives Schlamassel. Es braucht jetzt Dialog und keine Fanale.
@Martin Rees 90% aller Gewalttaten werden von Männern begannen. Das ist ein Faktum. Als Mann fühle ich mich davon nicht stigmatisiert. Es ist für mich Aufklärung.
Spricht man einer Gruppe ein höheres Gewaltpotenzial zu - wie etwa den rechten Zellen - ist dies für mich ebenfalls keine Stigmatisierung.
Diese grobe Vereinfachung kann auch hilfreich sein.
Man kann sich sonst jedem Dialog verwehren mit dem Hinweis einer - vermeintlichen - Stigmatisierung.
Seit Jahren beklagen Juden in Deutschland den wachsenden Antisemitismus von jungen Migranten. In Berlin oder Frankfurt mit einer Kippa vor die Tür zu gehen ist zu gefährlich. Seit Jahren wird diese Gefährdungslage vom linken Millieu köeingeredet und auf Lehrer und Souialarbeiter verwiesen die es entweder nicht gibt, überlastet sind oder von der Klientel nicht ernst nenommen werden (saß gilt im übrigen auch für Lehrer und Souialarbeiter mit Migrations und/oder BIPOC Hintergrund).
Rassismus ist natürlich immer und überall abzulehnen und zu bekämpfen.
Wenn man aber Ernst machen will mit der Bekämpfung des Antisemitismus muss man die unterschiedlichen Milieus analysieren.
Und dazu gehört auch festzuhalten, dass antisemitische Ressentiments und Auffassungen in migrantischen Milieus weiter verbreitet sind als in nicht-migrantischen.
Ich bin der Meinung, das kann man sagen, ohne sich einem Rassismus-Vorwurf aussetzen zu müssen.
@Jim Hawkins Ihre Beobachtung ist ja nicht falsch, @Jim Hawkins. Natürlich gibt es ein echtes Problem mit migrantisch-muslimischem Antisemitismus.* Das werden Sie als Hauptstadtbewohner (wie ich annehme) möglicherweise besser beurteilen können als ich in meiner ostwestfälischen Provinz. Und genau deshalb bin ich weit davon entfernt, Ihnen Rassismus oder so etwas vorzuwerfen.
Nur: ein bisschen mehr Differenzierung würde der Debatte schon gut tun … erstens sind nicht alle Migranten Muslime und zweitens nicht alle Muslime Antisemiten. Ich würde sogar sagen, die Mehrheit ist es nicht. Das gilt ja hoffentlich auch für die Autochthonen, von deren Boden schließlich Nazi-Herrschaft, Weltkrieg und Shoa ausgingen.
*Die Diskussion auf diese Spielart des Antisemitismus zu fokussieren oder zu reduzieren, kann u.U. sogar in eine analytische Sackgasse führen, die letztendlich rechten Diskursen in die Hände spielt. In früheren taz-Diskussionen zum Antisemitismusbegriff habe ich schon dargelegt, weshalb ich die „Jerusalem Declaration of Antisemitism“ unterstütze und warum ich eine (ideologisch motivierte) Vermengung von Antisemitismus, Antizionismus und (berechtigter) Israelkritik für problematisch halte.
jerusalemdeclarati...tsch-final.ok_.pdf
@Jim Hawkins Allerdings lässt sich das historisch erklären. Der Antisemitismus und insbesondere dessen offene Äußerung ist in Deutschland seit fast achtzig Jahren ganz gut in irgendwelche Hinterzimmer verbannt worden, allenfalls noch bei vielen Linken mal zu hören als Teil einer falsch verstandenen internationalen Solidarität (und natürlich bei den Burschis). In Moscheevereinen und islamischen Kulturzentren werden antisemitische Vorurteile (zumindest das) mit ziemlicher Sicherheit öfter geäußert werden, sind normaler, weil sie in den Herkunftsländern derjenigen, die sich dort eben auch treffen, mit keinem solchen Tabu belegt sind. Das ist auch schon die ganze „Analyse“ des islamischen „importierten“ Antisemitismus.
Gleichzeitig gilt es zu konstatieren, dass antimuslimische und antisemitische Ressentiments der gleichen (kultur-)rassistischen Quelle entspringen, in der durch (aus Beobachtersicht) archaische Rituale und (meistens) religiös bzw. als Tradition verbrämt eine kulturelle In-Group geschaffen und die „Anderen“ dämonisiert und entmenschlicht werden. Im Unterschied zum harten Kern der Rechtsextremen haben aber die meisten gläubigen Muslime kein gefestigtes rechtsextremes Weltbild (so die Mitte-Studie). Mit denen kann man reden.
Zudem ist gewalttätiger Hass auf Andersgläubige kein notwendiger Bestandteil irgendeiner Weltreligion; das kann man den Islamverbänden, Moscheevereinen, Kulturzentren klarmachen. Oder man geht selbst den oben beschriebenen Weg und erklärt alle Muslime für nicht zu „uns“ gehörig und nährt damit selbst ein kultur-rassistisches Narrativ.
@Zangler Danke. Sehr gut analysiert.
Man sollte sich jedoch davor hüten, islamistischen Antisemitismus/Antizionismus, der sich auf unseren Straßen lautstark Gehör verschafft, als Popanz abzutun, wenn jüdische Mitbürger sich dadurch ganz konkret bedroht fühlen.
Ich sehe in Aufklärung und Dialog jedoch das weitaus bessere Gegenmittel als in hysterischen Verbotsforderungen.
@Jim Hawkins Dieser Antisemitismus ist aber oft nur eine Folge von Antizionismus, und zu oft wird bereits normaler Antizionismus als Antisemitismus betitelt
@Karim Abidi Weshalb soll man etwas gegen den Staat Israel haben, wenn man den Juden positiv gegenüber steht ?
Nein Nein, Antizionismus ist untrennbar mit Antisemitismus verbunden. Und bei der Hamas, die sowieso eine völlige Vernichtung des Staates Israel anstrebt, sowieso. Denn einen Staat kann man nur vernichten wenn man auch gleichzeitig dessen Bewohner vertreibt und/oder physisch vernichtet. Schon allein deswegen damit sie nicht nochmal einen Staat gründen.
Würde die Hamas so können wie sie wollte hätten wir im Nahen Osten ein großes neue "Karthago".
@Karim Abidi "Normaler Antizionismus", wie apart.
Zionismus ist das Bestreben nach einem jüdischen Staat, zum Schutz von Juden vor eliminatorischem Antisemitismus.
Antizionismus ist die Ablehnung dieses Anliegens. Ich kann den Unterschied zum Antisemitismus nicht erkennen.
War das Massaker der Hamas antisemitisch oder antizionistisch? Und wen interessiert diese perverse Semantik?
@Jim Hawkins Nein, natürlich ist Antizionismus nicht „normal“ und die Grenzen zum Antisemitismus sind fließend. Aus dem Kontext der pro-palästinensischen Kundgebungen, die Ihnen wahrscheinlich vor Augen stehen, bedeuten „Tod Israel“-Rufe nichts anderes als „Tod den Juden“. Das ist doch sonnen(allee)klar.
Andererseits würden Sie jüdische Intellektuelle wie Martin Buber oder Hannah Arendt wohl kaum als antisemitisch titulieren, bloß weil sie sich kritisch zur zionistischen Ideologie äußerten. Dabei war der Zionismus jener Zeit eher noch mit freiheitlich-sozialistischen Ideen konnotiert, nicht mit dieser faschistisch-siedlernationalistischen Ideologie Netanyahus & Konsorten. An letzterem wollen Sie als bekennender Antifaschist keine Kritik zulassen?
Die Debatte um die Grenzen Deutschlands erinnern an historische Debatten um nationale Souveränität – und zeigt: Grenzen sind soziale Konstrukte.
Terror verharmlosen in Deutschland: Rassismus ist kein Gegenmittel
Auch in Deutschland wird der Terror verharmlost und gefeiert. Doch rassistische Kommentare helfen nicht bei der Bekämpfung von Antisemitismus.
Zurückgelassene Gegenstände der Festivalbesucher nach dem Massaker in Israel nahe Grenze zu Gaza Foto: Ronen Zvulun/reuters
Es sind unvorstellbare Dinge, die sich seit Samstagmorgen in Israel abspielen. Ein nicht endender Terroranschlag; ein Kampf gegen jüdische Zivilist*innen, gegen Frauen, Kinder, ganze Familien, gegen junge Menschen, die glaubten, unbeschwert auf einem Festival zu feiern und stattdessen massakriert wurden. Allein auf dem Festival wurden 260 Menschen ermordet. Insgesamt sind seit Samstag mindestens 900 Menschen von den Terroristen der Hamas getötet worden. Der Plan der Terrorgruppe hatte genau ein Ziel: Jüd*innen zu töten.
Im Vergleich auf die Bevölkerung Deutschlands gerechnet, ist es so, als wären 10.000 Menschen bei einem Terroranschlag ermordet worden. Zudem haben die Terroristen mindestens 100 Israelis als Geiseln genommen. Ein Land trauert, und mit ihm Jüdinnen und Juden weltweit. Auch in Deutschland.
Trotzdem gibt es hierzulande Menschen, die den Terror, den Tod von Menschen nicht nur relativieren, sondern ihn sogar feiern. So äußerte sich der Vorsitzende des Islam-Verbandes IGMG (İslam Toplumu Millî Görüş), Kemal Ergün, auf X, redet von einer „Gewaltspirale“ und relativiert die grausamen Terrorattacken mit „Angriffen von Siedlern“. Der Zentralrat der Muslime gibt ein ähnlich relativierendes Statement ab. Die Verurteilung des Terrors ist wertlos, wenn er im nächsten Satz gerechtfertigt wird. Wer den Tod von Israelis mit dem Tod oder Leid von Palästinenser*innen „erklärt“, offenbart vor allem eines: die eigene Menschenverachtung.
Auf den Straßen Berlin-Neuköllns gab es weitere Szenen der Menschenverachtung. Dort feierte eine Gruppe die Terrorattacke in Israel. Sie riefen „Yallah Intifada“, „Free Palestine“ und „From the river to the sea“ – oder anders: Tötet noch mehr Jüd*innen. Dass Massaker lange vor 1967 Teil der palästinensischen Kriegsführung waren, interessiert jene, die Terror relativieren, nicht. Es zählt nur die eigene antisemitische Sicht.
Klare Ansagen
Der grüne baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz schrieb auf X, dass Solidarität mit Israel nicht relativierbar sei. Und an den Zentralrat der Muslime gerichtet: „Ihr seid lost!“ Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang schrieb, es brauche einen „innenpolitischen Kurs gegenüber allen, die Antisemitismus und Islamismus bejubeln“. Klare Ansagen.
Andere Politiker*innen entschieden sich hingegen, sich nicht klar zu äußern. Sondern spaltend. Die CDU-Politikerin Julia Klöckner schrieb auf X über die Islamverbände: „Wer Teil unseres Landes sein will, muss sich zum Existenzrecht Israels bekennen.“ Der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai sagte: „Diese Leute lehnen unsere Werte ab, und diese Leute haben einfach hier nichts zu suchen.“ Der AfD-Politiker Bernd Baumann: „Das ist auch ein Schlag ins Gesicht dieser verfehlten Migrationspolitik, vor der wir immer gewarnt haben.“ Bei Anne Will sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir über die Islamverbände, alle Parteien zeigten eine „unglaubliche Naivität“, weil „wir die falschen Leute belohnen, die, die unserem Land den Mittelfinger zeigen“.
„Unser Land“, „hier nichts zu suchen“, „diese Leute“, „falsche Leute“ – Codes für ein eingängiges, rassistisches Narrativ: Menschen anderer Herkunft gehören in Deutschland nie wirklich dazu. Für sie gilt eine lebenslange Probezeit. Es gibt „die Deutschen“ und „die anderen“. Wenn sie kriminell werden oder Terrorismus feiern, dann wird nicht deren Tat verurteilt, sondern deren Zugehörigkeit zum Land in Frage gestellt. Egal, wie lange sie schon hier leben, ob sie einen deutschen Pass haben, ob sie hier geboren sind oder nicht.
Auch die Story vom „importierten“ Antisemitismus lebt von diesem rassistischen Narrativ. Der Antisemitismus ist nicht „importiert“; diese Menschen sind „unser Land“. Nur dass das vielen eben nicht gefällt. Das kann natürlich eine Position sein, ist aber die Definition von Rassismus: Menschen sind nicht Teil des „Volkes“, wenn sie keine deutsche Herkunft haben.
Antisemitismus lässt sich nicht mit Rassismus bekämpfen. Wer den Kampf gegen Antisemitismus ernst nimmt, verschiebt den Diskurs nicht, sondern kümmert sich um die Probleme. Die sind, das zeigen die Statements der Islamverbände und die Szenen in Neukölln, groß.
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Kommentar von
Gilda Sahebi
Autorin
Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.
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