Terror verharmlosen in Deutschland: Rassismus ist kein Gegenmittel

Auch in Deutschland wird der Terror verharmlost und gefeiert. Doch rassistische Kommentare helfen nicht bei der Bekämpfung von Antisemitismus.

Ein offener Koffer und verschieden Gegenstände.

Zurückgelassene Gegenstände der Festivalbesucher nach dem Massaker in Israel nahe Grenze zu Gaza Foto: Ronen Zvulun/reuters

Es sind unvorstellbare Dinge, die sich seit Samstagmorgen in Israel abspielen. Ein nicht endender Terroranschlag; ein Kampf gegen jüdische Zivilist*innen, gegen Frauen, Kinder, ganze Familien, gegen junge Menschen, die glaubten, unbeschwert auf einem Festival zu feiern und stattdessen massakriert wurden. Allein auf dem Festival wurden 260 Menschen ermordet. Insgesamt sind seit Samstag mindestens 900 Menschen von den Terroristen der Hamas getötet worden. Der Plan der Terrorgruppe hatte genau ein Ziel: Jü­d*in­nen zu töten.

Im Vergleich auf die Bevölkerung Deutschlands gerechnet, ist es so, als wären 10.000 Menschen bei einem Terroranschlag ermordet worden. Zudem haben die Terroristen mindestens 100 Israelis als Geiseln genommen. Ein Land trauert, und mit ihm Jüdinnen und Juden weltweit. Auch in Deutschland.

Trotzdem gibt es hierzulande Menschen, die den Terror, den Tod von Menschen nicht nur relativieren, sondern ihn sogar feiern. So äußerte sich der Vorsitzende des Islam-Verbandes IGMG (İslam Toplumu Millî Görüş), Kemal Ergün, auf X, redet von einer „Gewaltspirale“ und relativiert die grausamen Terrorattacken mit „Angriffen von Siedlern“. Der Zentralrat der Muslime gibt ein ähnlich relativierendes Statement ab. Die Verurteilung des Terrors ist wertlos, wenn er im nächsten Satz gerechtfertigt wird. Wer den Tod von Israelis mit dem Tod oder Leid von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen „erklärt“, offenbart vor allem eines: die eigene Menschenverachtung.

Auf den Straßen Berlin-Neuköllns gab es weitere Szenen der Menschenverachtung. Dort feierte eine Gruppe die Terrorattacke in Israel. Sie riefen „Yallah Intifada“, „Free Palestine“ und „From the river to the sea“ – oder anders: Tötet noch mehr Jüd*innen. Dass Massaker lange vor 1967 Teil der palästinensischen Kriegsführung waren, interessiert jene, die Terror relativieren, nicht. Es zählt nur die eigene antisemitische Sicht.

Klare Ansagen

Der grüne baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz schrieb auf X, dass Solidarität mit Israel nicht relativierbar sei. Und an den Zentralrat der Muslime gerichtet: „Ihr seid lost!“ Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang schrieb, es brauche einen „innenpolitischen Kurs gegenüber allen, die Antisemitismus und Islamismus bejubeln“. Klare Ansagen.

Andere Po­li­ti­ke­r*in­nen entschieden sich hingegen, sich nicht klar zu äußern. Sondern spaltend. Die CDU-Politikerin Julia Klöckner schrieb auf X über die Islamverbände: „Wer Teil unseres Landes sein will, muss sich zum Existenzrecht Israels bekennen.“ Der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai sagte: „Diese Leute lehnen unsere Werte ab, und diese Leute haben einfach hier nichts zu suchen.“ Der AfD-Politiker Bernd Baumann: „Das ist auch ein Schlag ins Gesicht dieser verfehlten Migrationspolitik, vor der wir immer gewarnt haben.“ Bei Anne Will sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir über die Islamverbände, alle Parteien zeigten eine „unglaubliche Naivität“, weil „wir die falschen Leute belohnen, die, die unserem Land den Mittelfinger zeigen“.

„Unser Land“, „hier nichts zu suchen“, „diese Leute“, „falsche Leute“ – Codes für ein eingängiges, rassistisches Narrativ: Menschen anderer Herkunft gehören in Deutschland nie wirklich dazu. Für sie gilt eine lebenslange Probezeit. Es gibt „die Deutschen“ und „die anderen“. Wenn sie kriminell werden oder Terrorismus feiern, dann wird nicht deren Tat verurteilt, sondern deren Zugehörigkeit zum Land in Frage gestellt. Egal, wie lange sie schon hier leben, ob sie einen deutschen Pass haben, ob sie hier geboren sind oder nicht.

Auch die Story vom „importierten“ Antisemitismus lebt von diesem rassistischen Narrativ. Der Antisemitismus ist nicht „importiert“; diese Menschen sind „unser Land“. Nur dass das vielen eben nicht gefällt. Das kann natürlich eine Position sein, ist aber die Definition von Rassismus: Menschen sind nicht Teil des „Volkes“, wenn sie keine deutsche Herkunft haben.

Antisemitismus lässt sich nicht mit Rassismus bekämpfen. Wer den Kampf gegen Antisemitismus ernst nimmt, verschiebt den Diskurs nicht, sondern kümmert sich um die Probleme. Die sind, das zeigen die Statements der Islamverbände und die Szenen in Neukölln, groß.

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Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.

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