Taliban und Bildung in Afghanistan: Für Mädchen verboten
Afghanistans Taliban verschließen Mädchen nun auch den Zugang zu religiösen Schulen. Damit bleibt ihnen nur noch der Besuch von Grundschulen offen.
taz | Die Führung der Taliban in Afghanistan hat angeordnet, Mädchen künftig auch nicht mehr an religiösen Schulen (Madrassas) zuzulassen. Hebatullah Achundsada, Staatschef und religiöser Führer des Taliban-Emirats, habe dies in der Vorwoche in einer Kabinettssitzung in Kandahar angeordnet, berichtete der saudische Sender al-Arabiya am Donnerstag. Im ersten Schritt sollen jene Mädchen, die gegenwärtig solche Schulen besuchen, keine Abschlusszeugnisse mehr erhalten. Ob das Verbot für alle oder nur für die Älteren gilt, blieb bisher unklar.
Die Anordnung sei erfolgt, weil viele Madrassas nicht nur religiöse Fächer unterrichten, sondern auch Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen und somit nur noch „dem Namen nach“ religiöse Einrichtungen seien. Dass Frauen Madrassas besuchten, habe „keine religiöse Legitimität“, zitierte ein afghanisches Exilmedium den Talibanchef.
Dem Bericht zufolge hätten ihm einige Minister in einer „hitzigen“ Diskussion widersprochen. Der Koran und andere religiöse Quellen betonten „eindeutig“ die Notwendigkeit von Bildung für Männer und Frauen. Dieser Beschluss werde für „Unmut im Inland und heftige internationale Reaktionen“ sorgen.
Schulbildung für Mädchen sukzessive verboten
Seit ihrer erneuten Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban ihre Bildungspolitik für Mädchen und Frauen zunehmend verschärft. Im März 2022 untersagten sie Mädchen den Besuch von Sekundarschulen. Im Dezember 2022 schlossen sie Frauen vom Besuch staatlicher Universitäten aus. Im folgenden Jahr weiteten sie das auf private Bildungseinrichtungen, einschließlich Sprach- und Berufsbildungskursen, und im Dezember 2024 auf die Hebammen- und ähnliche medizinische Ausbildung aus.
Nach zwei Jahrzehnten Militäreinsatz der US-geführten Nato-Truppen gewann die islamistische Terrorgruppe der Taliban im August 2021 die Kontrolle im Land zurück. Die afghanische Bevölkerung leistet trotz Repressionen Widerstand.
Nach diesen Verboten vervierfachte sich unter der Taliban-Herrschaft nach deren Angaben landesweit die Zahl der Madrassas, die Zahl ihrer Schüler*innen stieg auf 3,6 Millionen. Allerdings existierten besonders in vielen ländlichen Teilen Afghanistans schon vorher keine staatlichen Schulen. Während des Krieges griffen die Taliban lange staatliche Schulen an, stellten das in den letzten Jahren vor ihrer Machtübernahme aber ein.
Madrassas sind meist private Gründungen. Die Taliban-Behörden kontrollieren jedoch regelmäßig die Lehrpläne. Für Mädchen in Afghanistan, die die Grundschule abgeschlossen haben, waren sie die letzte Möglichkeit, in ihrem Land Bildung zu erlangen – abgesehen von permanent gefährdeten Untergrundschulen und Online-Kursen.
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